Montag, 28. April 2008

Mit SPACs durch die Kreditkrise

Das SPAC-Wachstum hält in den USA auch 2008 an. Im ersten Quartal dieses Jahres kam es zu insgesamt 8 SPAC-IPOs mit einem Gesamterlös von 3,1 Mrd. Dollar. Bei den Börsengängen (IPO) sind die Zahlen für das erste Quartal jedoch mit Vorsicht zu geniessen. Da von insgesamt 26,9 Mrd. Dollar Erlös 17,9 Mrd. Dollar auf die IPO von Visa-Card zurückzuführen ist. Das war nämlich der grösste Börsengang in der Geschichte.

SPAC:Special Purpose Acquisition Company
IPO: Initial Public Offering




IPO
I. Q.AnzahlErlös*
20082526,9*

* in Mrd. US-Dollar



SPAC
I. Q.AnzahlErlös*
200883,1*


Quelle: IPO Watch Report von PricewaterhouseCoopers

Freitag, 25. April 2008

Reispreis: Wer treibt die Lebensmittelpreise? Rohstoffspekulanten?

Nach Indien und Vietnam hat nun auch Brasilien die Ausfuhr von Reis verboten. Der Reispreis bleibt unter Druck. US-Supermarktketten schicken sich an, Reis zu rationieren. Nach Konkurrent Costco hat jetzt auch Wal-Mart nachgezogen, Reis Verkauf zu limitieren. Die Kunden dürfen auf einmal nur noch 4 Sack Reis je 9 Kg. kaufen. Unternehmen befürchten, dass der Preis schnell noch weiter steigt. Der Weltmarktpreis für Reis ist seit Jahresbeginn mittlerweile um 70% in die Höhe geklettert. Innerhalb eines Jahres hat sich der Preis beinahe verdoppelt. Doch wer oder was treibt die Getreidepreise? Sind Spekulanten für den exorbitanten Anstieg der Lebensmittelpreise verantwortlich?

Das Landwirtschaftsministerium in Washington hat indes vor Panikmache gewarnt. Der Verband der amerikanischen Reisproduzenten hat bestätigt, dass das Angebot an Reis nicht knapp sei. Die USA zählen zu den führenden Reisexporteuren der Welt mit einem Anteil von rund 14% am globalen Handel. Wenn eine übermässige Spekulation vorhanden sein sollte, müssten die Vorräte stark zunehmen. Das ist aber nicht der Fall. Neulich hat sich Michael Mack, der amerikanische Vorsitzende von Syngenta, dem grössten Pflanzenschutz- und Saatgutunternehmen der Welt zu Wort gemeldet. Bei Weizen, Mais und Soja seien die Vorräte in den vergangenen beiden Jahren gesunken. Aber die Lager seien keineswegs leer, erklärte Mack. Reis sei ungefähr in derselben Menge verfügbar wie zuvor, sagte der Chef des Schweizer Unternehmens. Seiner Meinung nach müssten die Felder nur intensiver bewirtschaftet werden. Dafür sind neben Dünger bessere Saaten und ein verstärkter Pflanzenschutz nötig. Klar, das sind die Geschäftsbereiche, wo Syngenta marktführend ist. Dennoch leuchten solche Argumente ein, zumal kein Engpass zu erkennen ist. Die Hauptgründe für die steigenden Grundnahrungsmittelpreise bleiben die gleichen: 1) Die Energiepreise (v.a. der Erdölpreisanstieg), 2) die wachsende Weltbevölkerung, 3) Ernährungsgewohnheiten ändern sich (in China, Indien und vielen anderen Schwellenländern steigt die Nachfrage nach Fleisch, Getreide usw.), 4) Biokraftstoffe (staatliche Förderung von Agrarstoffen, die zur Herstellung von alternativen Energien geeignet sind. Wie Ethanol oder Biodiesel), 5) klimatische Bedingungen (Dürre, Überschwemmungen, Wirbelstürme usw.) und andere Faktoren wie Schädlinge und Seuchen.

Langenscheidt / Routledge: Fachwörterbuch Wirtschaft

Buchbesprechung:

Langenscheidt / Routledge: Fachwörterbuch Wirtschaft, Handel und Finanzen. Englisch. Dritte, stark bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin. München. Wien. Zürich. NewYork. Langenscheidt, 2007

Jede Krise ist anders. Irgenwann gehen sie aber alle zu Ende. Was übrig bleibt, ist das Vokabular, natürlich nur, falls man aus der Vergangenheit Lehren ziehen will. Die anrollende epische Finanzkrise hat auch manche Wörter und Ausdrücke zu Tage gefördert, die bisher in der ganzen Finanzwelt nicht anders als ein Mauerblümchen wahrgenommen wurden. Wer hörte oder kannte zum Beispiel vor dem Sommer 2007 das Wort „subprime“ diesseits des Atlantiks?

Kein Wunder, dass der erste Eintrag in Wikipedia (deutsche Version) erst Mitte August im Vorjahr angebracht wurde. Immerhin hat das englische Wort „subprime“ der grössten Finanzkrise seit 1929 seinen Stempel aufgedrückt. Als „subprime“ wird ein (Unter-) Bereich des amerikanischen Hypothekendarlehenmarktes bezeichnet, der vorwiegend Kreditnehmer mit sehr geringen Bonität erfasst. In der Finanzwelt ist ein Leben ohne Anglizismus nicht denkbar. Ohne Sprachpurismus auf unsere Fahnen schreiben zu wollen, dürfen wir freimutig zugeben, dass der Einfluss der englischen Sprache in gewissen Bereichen der Wirtschaftswissenschaften einfach sehr dominant ist. Immer mit Anglizismus zu jonglieren ist aber auch undankbar. Es ist kein Beinbruch, wenn das Wort „subprime“ in diesem Wörterbuch fehlt. Die Dynamik der Finanzmärkte ist überwältigend. Der ständige Wandel ist Programm. Die Printausgabe enthält pro Sprachrichtung rund 60'000Fachbegriffe und Wendungen aus 26 Fachgebieten. Das qualifizierte Autorenteam habe besonderen Wert auf die Bereiche Telekom, neue Medien und Internet gelegt. Zugleich finden sich in diesem Standardwerk aber auch viele aktuelle Termini aus der Geld- und Währungspolitik. Weitere Fachbegriffe und Schreckenswörter wie Collateralized Debt Obligation (CDO), Special Investment Vehicle (SIV), Conduits, Monoliner, Leverage Loans, Special Purpose Acquisition Company (SPAC), Sovereign Wealth Fonds (SWF) usw. , die zum Teil am Rockzipfel dieser dramatischen Kreditkrise hängen, werden in der nächsten Druckausgabe bestimmt berücksichtigt werden und Zugang in diesem unverzichtbaren „Partner“ eines jeden Fachmanns und jeder Fachfrau finden.

Mittwoch, 23. April 2008

Mageres IPO-Geschäft im I. Quartal – Dafür rasantes Wachstum mit SPACs

Nach einem Rekordjahr 2007 hat die IPO-Aktivität in den USA im ersten Quartal 2008 deutlich nachgelassen. Das Vorjahr hatte laut IPO Watch Report von PricewaterhouseCoopers die höchste Aktivität in bezug auf die Börsengänge seit 2000 verzeichnet. Während des Jahres 2007 wurde 296 IPOs (Initial Public Offering) mit Totaleinnahmen von 65,1 Mrd. Dollar generiert. Im Vergleich 2006: 236 IPOs, 49,9 Mrd. Dollar Erlös. Trotz der zunehmenden Anspannungen an den Kreditmärkten kam es im IV. Quartal 2007 zu insgesamt 101 Börsengängen. Das entspricht dem aktivsten IPO-Volumen seit acht Jahren. Verantwortlich dafür ist das Wachstum des SPAC-Geschäftes.

Die Anzahl der SPACs („Special Purpose Acquisition Company“) stieg von insgesamt 18 (Erlös: 2,4 Mrd. Dollar) im Jahre 2006 auf 49 mit einem gesamten Erlös von 9,9 Mrd. Dollar im Vorjahr. Das SPAC-IPO-Volumen legte 2007 beträchtlich zu. Ihr Anteil am gesamten IPO-Volumen repräsentiert rund 17% und es macht 15% des Gesamterlöses aus. Das SPAC-Wachstum hält auch 2008 an. Im ersten Quartal dieses Jahres kamen 8 SPAC-IPOs mit einem Gesamterlös von 3,1 Mrd. Dollar zustande.

Exkurs:
SPAC = “Special-purpose acquisition companies”.
An der Wall Street nannte man sie in den 1990er Jahren „blank-check companies“, Blankocheck-Unternehmen. Es handelt sich dabei um Unternehmenshüllen, die an der Börse Kapital aufnehmen, um damit andere Unternehmen zu kaufen. SPACs haben das Mandat, eine grosse Akquisition zu tätigen. Für den Investor ist es wie eine „blinde“ Wette. Die SPACs müssen nämlich mit dem Geld in den nächsten 18 bis 24 Monaten Unternehmen kaufen. Ansonsten bekommen die Investoren ihr Geld zurück. Abzüglich der Kosten, die für die SPACs auf der Suche nach einem Kaufobjekt angefallen sind.

Dienstag, 22. April 2008

Die EZB und die Gefahr der Kernschmelze im Finanzsystem

Das Epizentrum der gegenwärtigen Finanzkrise befindet sich in den USA. Die Citigroup ist die von der Krise am stärksten betroffene US-Bank. Die amerikanische Investmentbank Bear Stearns wurde bekanntlich von der US-Notenbank (Fed) gerettet. Am härtesten hat die Krise jedoch weltweit unter den Banken die UBS getroffen. Die Schweiz Grossbank hat wegen der Verluste im Geschäft mit hypothekenbesicherten Wertpapieren rund 38 Mrd. Dollar abschreiben müssen. Das sind gut 5 Mrd. Dollar mehr als die Verluste der Citigroup.

Darüber hinaus wurde in Europa die britische Hypothekenbank Northern Rock verstaatlicht. Derselbe Grund: die massiven Verluste im komplexen Geschäft mit sog. CDOs (Collaterized Debt Obligations). Die Gier nach dem schnellen Geld und ein mangelhaftes Risikomanagement haben aber auch in Deutschland zu Verstaatlichungen geführt. So wurde die Sächsische Bank von der LB Baden-Würrtemberg übernommen. Die West LB wurde aus dem gleichen Grund vom Land Nordrhein-Westfalen und den Sparkassenverbänden gerettet. Die Düsseldorfer Bank IKB wurde mit mehreren Milliarden von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und dem Bund gestützt. Heute wurde bekannt, dass die Düsseldorfer Hypothekenbank vorübergehend auf den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken übertragen wird. Am Ende soll der Verkauf des auf Staatsfinanzierung spezialisierten Instituts stehen.

Die Finanzkrise, der schwache Dollar, der hohe Erdölpreis und die steigenden Lebensmittelpreise belasten das globale Wachstum. Dennoch glaubt die Europäische Zentralbank (EZB) nicht daran, dass die Wirtschaft der Euro-Zone davon betroffen würde. An eine Zinssenkung denken die europäischen Währungshüter also nicht. Ganz im Gegenteil droht die Deutsche Bundesbank angesichts ihrer Inflationserwartungen mit einer Zinserhöhung. Das Euroland schickt sich an, mit dogmatischem Optimismus in einen Abschwung zu gleiten.

Montag, 21. April 2008

Sovereign Wealth Fonds (SWFs) und die globale Nahrungsmittelkrise

Die Government of Singapore Investment Corp (GIC) hat seit Dezember rund 18 Mrd. Dollar in UBS und Citigroup investiert. Der vor 27 Jahren gegründete Fonds verwaltet mehr als 100 Mrd. Dollar. Die Verluste der UBS aus der Subprime-Krise belaufen sich mittlerweile auf rund 38 Mrd. Dollar. Die GIC erwägt eine Aufstockung ihrer Beteiligung an der Schweizer Grossbank.

Die Sovereign Wealth Fonds (SWFs) investieren nicht aus reiner Wohltat in westliche Unternehmen. Sie erwarten hohe Renditen und wollen kräftige Gewinne einstreichen. Staatliche Fonds sind indes zu einer wirtschaftlichen Macht aufgestiegen. Sie lassen sich jetzt sogar als Retter in der Not feiern. SWFs nutzen die gegenwärtige Finanzkrise aus, um Beteiligungen an Banken, Finanzdienstleistern, Börsenbetreibern usw. zu kaufen. Insgesamt verfügen staatliche Vermögensfonds weltweit über 3'000 Mrd. Dollar. Der norwegische Staatsfonds, der zurzeit 380 Mrd. Dollar verwaltet, kontrolliert knapp 1% der gesamten europäischen Börsen und ist damit der grösste Aktionär Europas. Pro Woche fliesst dem Government Pension Fund 1 Mrd. US-Dollar aus den Öl- und Gaseinnahmen zu.

Zu der epischen Finanzkrise gesellt sich nun aber auch eine Preisexplosion an den Agrarmärkten. Rund um die Welt klettern die Preise für Nahrungsmittel höher. Die steigenden Preise für Mais, Weizen, Sojabohnen, Reis usw. drohen zur Gefahr für die Weltwirtschaft zu werden. Allein der Preis für Reis hat sich seit dem Sommer 2007 mehr als verdoppelt. Länder wie China, Kambodscha, Ägypten, Indien und Vietnam haben bereits mit Exportbeschränkungen (v.a. für Reis) reagiert. Wegen der Knappheit am wichtigsten Nahrungsmittel kam es in mehreren Ländern zu blutigen Unruhen. Der UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon kündigte am Wochenende an, dass er den Kampf gegen die Nahrungsmittelkrise zu einem Schwerpunkt der Vereinten Nationen machen werde. Das Problem sei gewaltig. Bereits am vergangenen Freitag warnte der Internationale Währungsfonds (IWF) vor dramatischen Folgen der Ernährungskrise. Es bestehe die Gefahr von Kriegen, das Schlimmste liege vielleicht noch vor uns“, sagte IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn. Den am stärksten betroffenen Länderns stellte Strauss-Kahn Hilfe des IWF in Aussicht. Es fehlt den Hilfswerken das Geld, um Hilfsgüter zu kaufen. Der FAO, der Welternährungsorganisation der UNO sei nach Angaben des eigenen Chefs nicht einmal gelungen, 17 Mio. Dollar seit vergangenen Dezember aufzutreiben, um armen Bauern bis zum März Saatgut zu kaufen. Die FAO braucht zusätzlich rund 700 Mio. Dollar, um so viel Nahrungsmittel zu verteilen wie 2007. Wie wäre es damit, wenn die SWFs der FAO finanziell unter die Arme greifen würden? Mit einer guten Tat könnten die Staatsfonds zugleich etwas Imagepflege betreiben.

Sonntag, 20. April 2008

Finanzkrise: Ist die Talsohle erreicht?

Das Augenmerk richtet sich derzeit auf die Quartalszahlen von Unternehmen. In der anrollenden Berichtssaison stehen v.a. Finanzwerte im Mittelpunkt. Die jüngsten Milliarden-Abschreibungen von Citigroup und J.P. Morgan scheinen im Rahmen der Erwartungen gelegen zu haben. Der Baumaschinenhersteller Caterpillar und der Mischkonzern Honeywell hingegen sorgten vergangene Woche für positive Überraschungen. Haben US-Unternehmen inzwischen das Tal der Tränen verlassen? Das erste Quartal 2008 markiert nicht den Tiefpunkt der Finanzkrise, sagt Nouriel Roubini in einem Interview mit der SonntagsZeitung aus Zürich.

Der Wirtschaftsprofessor an der Stern School of Business in New York erwartet, dass die Krise länger dauern wird, bis Ende Jahr oder gar noch länger. Roubini deutet darauf hin, dass die Rezession in den USA tatsächlich gravierend sein könnte. Er nennt dafür drei Gründe: 1) Die Preise von Immobilien fallen weiter. 2) Die Konsumnachfrage nimmt ab. Stichwörter: Arbeitslosigkeit, Verunsicherung der Verbraucher. 3) Es bestehe die Gefahr, dass sich die Krise auf andere Bereiche der Wirtschaft ausweitet. Zur Bewältigung der Finanzkrise plädiert Roubini für staatliche Eingriffe. Seiner Ansicht nach braucht „ohne Zweifel auch Europa tiefere Zinsen“. „Nicht nur, um so die Politik der Fed zu unterstützen, sondern auch, um der Wirtschaft Impulse zu geben“. Was zur Zeit neu ist, ist die Rückkoppelung zwischen dem Finanzsystem und der realen Wirtschaft. In der Vergangenheit war es so, dass es zunächst zu einem Abschwung kam und dann die Finanzbranche davon betroffen wurde. Diesmal befindet sich das Epizentrum der Krise mitten im Finanzsystem. Ob die jüngsten Kursavancen an der Börse sich fortsetzen werden, hängt davon ab, ob der Konjunkturabschwung „soft“ oder „hard“ vonstatten geht.

Freitag, 18. April 2008

Neue Wirtschaftspolitik

Buchbesprechung*:

Richard A. Werner: Neue Wirtschaftspolitik. Was Europa aus Japans Fehlern lernen kann. Verlag Vahlen, 2007.


Die epische Finanzkrise dürfte noch lange im Fokus des Marktgeschehens bleiben. Die Mehrzahl der Marktteilnehmer ist sich einig, dass der Boden noch nicht gefunden wurde. Alles dreht sich aber zugleich darum, wie die im vergangenen Sommer geplatzte Spekulationsblase auf dem Immobilienmarkt überhaupt entstehen konnte. Trägt die Fed die Verantwortung dafür, weil sie die Zinsen zu lange, zu niedrig gehalten hat? Sind die Aufsichtsbehörden schuld daran, da sie das Schatten-Bankensystem gewähren liessen? Oder sind es falsche Annahmen und Missdeutungen in bezug das Funktionieren von Finanzinnovationen?

In der öffentlichen Debatte, wie die Krise des Finanzsystems auf die Realwirtschaft übergreifen kann, wird öfters auch an Japans bittere Erfahrungen in der nahen Vergangenheit erinnert. Japan hatte bekanntlich in den 80er Jahren einen Wirtschaftsboom erlebt. Danach rutschte das Land in den 90er Jahren wegen eines Übermasses an spekulativen Krediten in eine tiefe Rezession. Die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt leidet heute noch darunter. Richard A. Werner zeigt in diesem anspruchsvollen Buch auf, wie die kreditfinanzierte hohe Nachfrage in Japan ein Asset Bubble erzeugt hat. Ausgangspunkt seiner einleuchtenden Erläuterungen ist, dass das vorherrschende Paradigma den Zenith seiner Macht erreicht hat. Gemeint ist die kanonische Ökonomie. Viele Phänomene der wirtschaftlichen Entwicklung Japans können mit traditionellen Konzepten nicht nachvollgezogen werden. Die neoklassische Makroökonomie kann nämlich vielerlei empirische Tatbestände nicht erklären, schreibt Werner. Deshalb werden „unbequeme empirische Befunde zu „Anomalien“ und „Rätseln“ herabgespielt. Auch George Soros vertritt in seinem neuen Buch „The New Paradigm for Financial Markets“ dieselbe Ansicht. Die zum Zutreffen der neoklassischen Modelle notwendigen Annahmen (vollständige Information, vollständige Märkte, vollkommener Wettbewerb usw.) sind nach Werners Meinung nichts weniger als eine monströse Entstellung der Wirklichkeit. Im Falle unvollkommener Information erfolgt keine Markträumung. Tatsache ist, dass unser optimistischer Glaube, dass Märkte, wenn nur alleine gelassen, alle Probleme lösen werden („Marktfundamentalismus“), sich keineswegs bewahrheitet hat. „Rationierte Märkte werden nicht von Preisen bestimmt, sondern von Mengen“, meint der Autor. Die EZB ist in den Augen Werners wegen ihrer „diskriminierenden Kreditpolitik“ für das schwache Wachstum in der EU verantwortlich. Nach der Einleitung, wo es um die Entwicklungsphasen der japanischen Wirtschaftsleistung geht, befasst sich der Autor im zweiten Teil mit den „Grenzen des traditionellen Paradigmas“. Hier werden v.a. das „Rätsel“ der wirkungslosen Fiskalpolitik und der Zinspolitik erläutert. Im dritten Teil legt Werner dem Leser den Neuen Ansatz nahe und präsentiert die Lösung der Rätsel. Im vierten und letzten Teil geht Werner auf die Ziele und die praktischen Instrumente der makroökonomischen Wirtschaftspolitik ein. Sein Buch verstehe sich als ein weiterer Schritt in den Bemühungen, die Fundamente einer neuen Makroökonomie auszubauen. Dieses wissenschaftliche, urteilssichere Werk ist sicherlich eine ernstzunehmende Herausforderung für die herrschende Lehre. Das Buch wird bestimmt viel von sich reden machen. Unbedingt lesen. Professor Dr. Richard A. Werner ist Inhaber des Lehrstuhls für Bankwissenschaften an der Uni von Southampton in England. Zuvor lebte der gebürtige Deutsche mehr als 12 Jahre in Asien, wo er u.a. an der Bank von Japan, dem japanischen Finanzministerium, der Japan Development Bank tätig war. Er spricht fliessend Japanisch und hat zahlreiche wissenschaftliche Publikationen verfasst.

Cezmi Dispinar
*erschienen in der Ausgabe 194 vom 18. April 2008

Donnerstag, 17. April 2008

Geldpolitik verliert an Effektivität

Die US-Notenbank (Fed) hat seit dem Sommer 2007 die Zinsen insgesamt um 300 Basispunkte (d.h. 3,0%) auf 2,25% gesenkt. Das ist das niedrigste Niveau seit Ende 2004. Damit liegt der amerikanische Leitzins 1,75% tiefer als das europäische Pendant. Die Future Märkte signalisieren weitere Zinssenkungen durch die Fed. Die Renditen der T-Bills notieren aber derzeit deutlich unterhalb der Fed Funds Rate (Tagesgeldsatz).

3-Monats-T-Bills: 1,16%
5-Monats-T-Bills: 1,52%.
Auch die Rendite der 2-jährigen T-Bonds liegt mit 2,05% tiefer als der Leitzins.

Das ist eine ungewöhnliche Konstellation. Legt man die Inflationszahlen von März zugrunde, z.B. dem PPI (Erzeugerpreis-Index), ergibt sich daraus ein negativer Realzins. Die Rendite der 10-jährigen Treasuries 3,71% - PPI 6,9% = Minus 3,19%. Gemessen am Konsumenten-Preisindex (CPI) von 3,1% ergibt sich eine mickrige Rendite von 0,61%. Das Problem ist also weniger Liquidität, als viel mehr Zahlungsfähigkeit von betreffenden Marktakteuren. Eine weitere Zinssenkung durch die US-Notenbank z.B. auf 2,0% hätte also kaum Auswirkungen auf den Markt, da die relevanten Renditen bereits darunter notieren. Das belegt, wie ausgeprägt die gegenwärtige Finanzkrise ist.

Mittwoch, 16. April 2008

Wie hoch sind die Verluste der Finanzkrise?

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat vergangene Woche mit der Zahl 1'000 Mrd. Dollar für eine grosse Medienresonanz gesorgt. So hoch schätzen nämlich die IWF-Experten die Verluste, die durch die amerikanische Hypothekenkrise entstehen könnten. Inzwischen hat sich die OECD zu Wort gemeldet und dem IWF die Leviten gelesen. Die Verlustschätzung des IWF sei irreführend. Nach Berechnungen der in Paris domizilierten Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung dürften sich die Verluste der Finanzkrise auf 350 bis 450 Mrd. Dollar belaufen.

Eigenartig, dass keine der beiden Institute jemals davor vor der Gefahr einer Spekulationsblase gewarnt, geschweige denn angedeutet hatte. Ausserdem ist bisher weder vom IWF noch von der OECD ein konkreter Lösungsansatz zu vernehmen gewesen, wie in Zukunft solche Krisen vermieden werden könnten. Abgesehen von der Forderung nach mehr „Transparenz“. Es war der New Yorker Wirtschaftsprofessor Nouriel Roubini, der die Finanzkrise als einer der ersten vorhergesagt hat. Vor zwei Monaten hat er die Gesamtverluste auf eine Billion Dollar geschätzt. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagt er nun, dass er inzwischen glaube, dass die Billion nicht die Ober-, sondern die Untergrenze der zu erwartenden Verluste ist. 600 bis 700 Mrd. Dollar aus anderen Kreditmärkten kämen noch oben darauf. Um eine Systemkrise zu verhindern, schlägt Roubini vor, dass die Politik, wenn sie die Banken nicht verstaatlichen will, die Hypotheken kaufen soll. „Die Regierung sollte die Hypotheken überschuldeter Hausbesitzer zum Nennwert kaufen und ihnen eine tragbare Finanzierung bieten“, fügt der Wirtschaftsexperte hinzu.

The New Paradigm for Financial Markets. The Credit Crisis of 2008 and What it Means.

Buchbesprechung:

George Soros: The New Paradigm for Financial Markets. The Credit Crisis of 2008 and What it Means. PublicAffairs, NewYork, 2008.


Er ist einer der erfolgreichsten Investoren und wohlhabensten Menschen der Welt. Zuletzt hatte der sagenhafte Hedge Fonds Manager im Jahre 2001 für ambivalente Schlagzeilen gesorgt, als er darauf wettete, dass Thailands Währung abgewertet werden müsste. Der Bath ging tatsächlich in die Knie und Soros zog sich den Zorn der Thailänder zu. Er fürchtete um sein Leben. Legendär wurde er im Jahre 1992 mit der Spekulation gegen das britische Pfund. Die britische Regierung musste die Landeswährung abwerten und trat anschliessend aus dem europäischen Währungssystem aus.

Der strategische Investor zog sich längst aus dem aktiven Geschäft zurück. Seit über einem Jahr erregt der gebürtige Ungar aber nach wie vor öffentliches Aufsehen mit seiner mit Millionen Dollar gestützten Kampange gegen die Bush-Adminstration. Im aktuellen Wahlkampf der amerikanischen Präsidentschaftswahl sympathisiert er mit Senator Barack Obama. Nun meldet sich Soros, der Philanthropist, dessen Vermögen laut US-Magazin Forbes 8,5 Mrd. Dollar beträgt, wieder zu Wort, um seinen Einschätzungen über die aktuellen Anspannungen an den Finanzmärkten in Buchform Ausdruck zu verleihen. Die Finanzkrise sei seiner Meinung nach auf mangelhafte Aufsicht zurückzuführen. „Das ist eine von Menschen verursachte Krise, die aus der irtümmlichen Annahme entstand, dass der Markt seine eigene Exzesse korrigieren kann“, bemerkt der 77-jährige Milliarder. Soros philosophiert gern und verweist bei jeder Gelegenheit auf Karl Popper. Das neue Paradigma, das er anregt, gelte nicht nur für die Finanzmärkte. Es gehe um die Wechselbeziehung zwischen dem „Denken“ und der „Realität“. Seinen Ansatz nennt er „interference reflexivitiy“. Einerseits wollen Menschen ihre Lage verstehen („cognitive function“). Andererseits wollen sie ihre Lage ändern („participating oder manipulative function“). Dadurch entsteht ein Element der Unsicherheit, welche sowohl Fakten aber als auch (subjektive) persönliche Wahrnehmungen beinhaltet. Fatal ist dabei, dass neue synthetische Finanzinstrumente auf diesem Modell basieren und an den Finanzmärkten eine dominante Rolle spielen. Diese theoretischen Überlegungen hatte er eigentlich längst in seinem früheren Buch „Alchemy of Finance“ veröffentlicht. Er bedauert es inzwischen, dass sie in akademischen Kreisen nicht seriös wahrgenommen wurde. Grundidee dabei ist, dass die Unterstellung vollkommener Information im Markt nicht der Wirklichkeit entspricht. Deshalb erfolge keine Markträumung. Soros hat wenig am Hut mit der Neoklassischen Ökonomie. Er führt das Entstehen von Spekulationsblasen auf „Markt-Fundamentalismus“ zurück. Die Notenbanken sollen ihre Augenmerk nicht nur auf das Geldangebot, sondern auch auf die Kreditschöpfung richten. Soros ist Anhänger der Schule, die im Markt vermehrt Anzeichen erkennen, dass die Konjunkturzyklen von sehr viel stärker geprägten „Boom-Bust“-Phasen abgelöst werden. Interessant sind Soros Einschätzungen in bezug auf die sog. Schwellenländer. Vor dem Hintergrund der rezessiven Entwicklung der US-Wirtschaft setzt der Autor Hoffnungen darauf, dass die Schwellenländer sich wirtschaftlich von Amerika abkoppeln und auf diese Weise die Weltkonjunktur ankurbeln werden. Im Kapitel „My Outlook for 2008“ beschreibt Soros, wie seine Investmentstrategie in einem Satz zusammenfassen lässt: short: amerikanische und europäische Aktien, 10-jährige US-Staatsanleihen und den US-Dollar; long: Aktien aus China, Indien und Golfstaaten und Nicht-US-Dollar-Währungen. Eine akkurante Beschreibung der Ausgangslage und eine nüchterne Analyse der Folgewirkungen der aktuellen Finanzkrise. Soros bietet in dieser Streitschrift, die sich auf seine abwechslungsreiche Lebenserfahrungen stützt, auch tatkräftig Lösungsansätze. Ein spannendes Buch. Sehr angenehm zu lesen.

Dienstag, 15. April 2008

Financial Toxic Waste

Giftmüll finanzieller Art oder toxischer Abfall im Finanzsystem

So nennt man an der Wall Street die riskanteste Tranche eines (neuartigen) Finanzinstruments, z. B. wie die der CMOs (Collateralized Mortgage Obligations).

Das Modell:

Banken, die Hypothekenkredite an Hauskäufer gewährt haben, bündeln, verbriefen und verkaufen diese Kredite in Form von Mortgage Backed Securities (MBS) oder als strukturierte Finanzprodukte in Form von Credit Debt Obligations (CDO) an Investoren weiter.

Aus dem Pool von verbrieften Subprime-Hypotheken geben Banken verschiedene Wertpapier-Tranchen aus, mit unterschiedlichen Risiko- und Chancen-Profil. Die unterste, die mittlere und Senior-Tranche werden von Verlust- und Ausfall-Risiko unterschiedlich betroffen.

Willkommen in der Matrix!

Leveraged Loans

Leveraged Loans sind Kredite für Übernahmen. Vor dem Ausbruch der Finanzkrise konnten sich Finanzinvestoren dank einer lockeren Kreditvergabepolitik der Banken immer grössere Firmenkäufe leisten. Zwischen den Jahren 2005 und 2007 wurden Übernahmen bis zu 70-80% mit Fremdkapital finanziert. In der Krise vergeben die Banken aber keine Leverage Loans mehr. Das Geschäft ist jetzt zum Stillstand gekommen. Laut einem Bericht von Handelsblatt gibt es nun erste Zeichen einer Entspannung am Kreditmarkt. Deutsche Bank sondiere jetzt den Verkauf von Leverage Loans im Volumen von bis zu 13 Mrd. Euro. Solche Kredite werden zur Zeit Finanzkreisen zufolge mit Abschlägen zwischen 12 und 20% gehandelt. Als interessierte Käufer solcher Kreditpakete dürften Hedge Fonds gelten.

Montag, 14. April 2008

Chinas Problem: negative Kapitalkosten

Chinas Problem ist, dass die realen Kapitalkosten negativ sind. Die Inflationsrate lag im März bei 8,2%. Der Zinssatz für einjährige Einlagen beträgt 4,14%, der Satz für einjährige Ausleihungen 7,47%. Beide Leitzinsen liegen deutlich unterhalb der Inflationsrate. Das bedeutet, dass der Realzins negativ ist. Das kreiert Asset Bubble. Immobilienpreise boomen. Aktienpreise steigen über Gebühr. Der Shanghai-Aktienindex legte im Vorjahr rund 100% zu. Zugleich setzt der Yuan setzt ihre Aufwertung gegen den Dollar fort. Vergangene Woche kostete die chinesische Währung erstmals seit mehr als 10 Jahren weniger als 7 Dollar. Allein in diesem Jahr hat sich die chinesische Währung um rund 4,5% gegenüber dem Dollar aufgewertet. Hier bildet sich ein Bubble, zumal Chinas Führung ihr Augenmerk irrtümlicherweise auf die viel niedrigere Kern-Inflationsrate (1,6%) richtet.

Sonntag, 13. April 2008

George Soros erwartet eine anhaltende Krise

Der legendäre Investor zeichnet Marktfundamentalismus für die Krise verantwortlich. Soros kritisiert die Aufsichtsbehörden in den USA. Der unregulierte Handel mit Kreditderivaten habe die Krise ausgelöst. Das beruhe auf dem falschen Glauben, dass die Märkte ihre eigenen Exzesse selber korrigieren können. Das sagte er bei der Vorstellung seines neuen Buches „The New Paradigm for Financial Markets. The Credit Crisis of 2008 and What it means“. Die gegenwärtige Finanzkrise wird nach Ansicht des ehemaligen Hedge Fonds Managers länger dauern als vielfach angenommen.

In diesem Buch beschreibt Soros u.a. im Kapitel „My Outlook for 2008“, wie er seine Investmentstrategie in einem Satz zusammenfassen kann: short amerikanische und europäische Aktien, 10-jährige US-Staatsanleihen und den US-Dollar; long Aktien aus China, Indien und Golfstaaten und Nicht-US-Dollar-Währungen.

SPACs: Blankocheck-Unternehmen

SPACs sind in aller Munde. “Special-purpose acquisition companies”. An der Wall Street nannte man sie in den 1990er Jahren lapidar „blank-check companies“ (Blankocheck-Unternehmen). Es handelt sich dabei um Unternehmenshüllen, die an der Börse Kapital aufnehmen, um damit andere Unternehmen zu kaufen. Laut SPAC Analytics, einer Marktuntersuchungsfirma haben die SPACS seit 2003 von Investoren rund 20 Mrd. Dollar gesammelt. Allein im Vorjahr haben diese Akquisitionsvehikel 12 Mrd. Dollar an Kapital aufgenommen.

2007 kam es zu 66 IPOs (Initial Public Offering; d.h. Börsengang) für SPACs. Es war die Liberty Acquisition Holdings, die im Vorjahr mit 1,03 Mrd. Dollar am meisten Kapital aufgenommen hat. Man kann sich die SPACs wie ein Buyout Fund, der öffentlich gehandelt wird, vorstellen. Es ist eher das Private Equity Unternehmen für „Otto-Normalanleger“, der sich an der IPO beteiligt, aber keine Ahnung davon hat, wie das Geld investiert wird. SPACs Mandat ist, eine grosse Akquisition zu tätigen. Für den Investor ist es also wie eine „blinde“ Wette. Wo liegt aber der Haken? Die SPACs müssen mit dem Geld in den nächsten 18 bis 24 Monaten Unternehmen kaufen. Ansonsten bekommen die Investoren ihr Geld zurück. Abzüglich der Kosten, die für die SPACs auf der Suche nach einem Kaufobjekt angefallen sind. In den 1990er Jahren hatten diese Anlagekonstruktionen allerdings für negative Schlagzeilen gesorgt, da sie oft von Finanzbetrügern gegründet waren. Nun drängen aber immer mehr Investmentbanken in den Markt mit SPACs Börsengängen. Vor dem Hintergrund der angespannten Kapitalmärkte und der Kreditkrise gewinnen die SPACs nämlich an Attraktivität. Der Vorteil: die Übernahmen können unabhängig vom Kreditmarkt bewerkstelligt werden.

Freitag, 11. April 2008

Wenn ehemalige Notenbanker streiten

Wir befinden uns mitten in der schlimmsten Finanzkrise seit 1929. Die US-Notenbank (Fed) hat darauf reagiert und ihren Leitzins seit August 2007 um insgesamt 300 Basispunkte (d.h. 3,0%) auf mittlerweile 2,25% gesenkt. Auch die amerikanische Regierung blieb nicht untätig. Die US-Administration hat ein milliardenschweres Konjunkturpaket aufgelegt. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat davor gewarnt, dass der Schaden der Krise sich auf fast 1'000 Mrd. Dollar belaufen könnte. Die Europäische Zentralbank (EZB) dagegen behält ihren Leitzins seit Juni 2007 unverändert bei 4,0% und verlässt sich auf die Selbstheilungskräfte des Marktes ein.

Nicht nur die Lagebeurteilung, sondern auch der Lösungsansatz der beiden führenden Notenbanken liegt eindeutig diametral. Besonders in der Frage, wie das Finanzsystem die Realwirtschaft beeinflusst, gehen die Meinungen von Experten auseinander. Das ist ein Novum. Denn nach bisherigen Erfahrung kam es zunächst zu einem Abschwung und dann wurde die Finanzbranche davon betroffen. Nun ist der Fall umgekehrt. Inzwischen nimmt die Kritik an Alan Greenspan, den ehemaligen Fed-Chef augenfällig zu. Es zeichnet sich unter den einstigen Notenbank-Präsidenten ein ungewöhnlicher Dissens ab. Paul Volcker (80), der die Fed zwischen 1979 und 1987 führte, wirft Greenspan (82) in aller Deutlichkeit vor, mit einer zu lockeren Geldpolitik die gegenwärtige Finanzkrise ausgelöst zu haben. Auch die Rettungsaktion der US-Investmentbank Bear Stearns durch die Fed mit dem derzeitigen Chef Ben Bernanke missbilligt Volcker ausführlich. Die in der Öffentlichkeit bitter geführte Debatte über die Fehler in der Vergangenheit ist in diesem Ausmass völlig ungewöhnlich.

Microsoft jagt Yahoo: Microhoo!

Microsoft will Yahoo übernehmen. Daraus entstünde Microhoo. Ergäbe es aber einen Sinn? Nein, meint Jeff Jarvis, ein bekannter Unternehmensberater aus den USA. Grund: Microsoft will Yahoo’s Publikum erwerben und dann Inhalte bieten. Das geht aber nicht. Menschen können nicht gekauft werden. Der neue Weg sei, so betont Jarvis in einem Interview mit dem Handelsblatt aus Düsseldorf, Distribution, d.h. Google’s Weg. Inhalte, Marke und Werbung sollen „exportier- und einbettbar“ gemacht werden, sowie es Google mit Adsense, Youtube-Videos oder Google-Maps macht.

Donnerstag, 10. April 2008

Finanzkrise: Welches Land leidet am meisten?

Island. Der Inselstaat im Nordatlantik war im Januar der Schauplatz einer Versammlung von Hedge-Fonds Managern, die sich in Reykjavik an der Bar des Hotels 101 vor dem Dinner zum Aperitif getroffen hatten. Der Gastgeber war Bear Stearns, die US-Investmentbank, welche zwei Monate später von der amerikanischen Notenbank (Fed) vor dem Zusammenbruch gerettet wurde. Bear Stearns hat die Manager nach Island eingeladen, um die Lage der isländischen Wirtschaft zu besprechen. In einem Saufgelage sei beschlossen worden, Wetten gegen Islands Währung zu schliessen. Stichwort: Short-Positionen.
Die isländische Notenbank spricht in diesem Zusammenhang von einer „skrupellosen Spekulation“ gegen das isländische Bankensystem. Die isländische Finanzaufsicht FSA verdächtigt Spekulanten, die Islands Währung und Börse angegriffen haben. Das Eiland mit 316’252 Einwohnern galt jahrelang als Wachstumswunder. Für den Aufschwung waren die drei grössten Banken, Kaupthing Bank, Landsbanki Islands und Glitnir Bank verantwortlich. Die Banken sind v.a. im Ausland expandiert, und zwar mit Hilfe von hohen Krediten in Fremdwährungen. Rund 80% der Auslandsschulden des Landes entfallen auf diese Kreditinstitute. Vor 10 Jahren waren die Vermögenswerte der drei grössten Banken 96% des BIP wert. Heute sind es zehnmal so gross. Die isländische Krone hat sich inzwischen zum Euro um 25% abgewertet. Die Inflation ist auf 8,7% gestiegen. Die Notenbank hat darauf mit Zinserhöhung reagiert. Der Leitzins beträgt nun 15,5%. Die Ratingagentur Moody’s warnt, dass die kreditfinanzierte Expansion isländischer Banken das bisher erstklassige Rating des Landes bedroht. Irlands Premierminster Geir Haarde hält die Spekulationen über einen Zahlungsausfall des Landes für lächerlich. Die Banken seien finanziell gesund.

Boom folgt Boom

Der Boom ist vorbei. Die Spekulationsblase auf dem amerikanischen Immobilienmarkt ist geplatzt. Die meisten Familien hatten aber von der Expansion ohnehin nicht viel gespürt. Das belegen die aktuellen Zahlen. Zu Beginn des Jahres 2000 hat der Medianwert des Familien-Realeinkommens 61'000 Dollar betragen. Im Vorjahr ging der Aufschwung zu Ende und der neue Wert des Realeinkommens der durchschnittlichen Familien sieht mit 60'500 Dollar weniger aus, wie in einem Bericht von The New York Times hervorgehoben wird. Das Einkommen der breiten Mittelschicht stagniert, während das Reichtum der oberen Schicht ungeheuer weiter wächst.

Dabei hatte sich das Einkommen der Durchschnittsfamilien von späten 1940er Jahren bis in die 1970er Jahre verdoppelt. Von dort an nimmt das Wohlstands- und Einkommensgefälle zu. In dem zitierten Artikel wird der Schluss gezogen, dass die moderne amerikanische Wirtschaft die Früchte ihres Wachstums zu einem schmalen Anteil der Bevölkerung zukommen lässt. Zugleich stellt aber der nächste Boom die Weltwirtschaft vor einem neuen, grossen Problem: Der Agrarboom. Auf der ganzen Welt steigen die Lebensmittelpreise. Die Verbraucher greifen immer tiefer in die Tasche. In Ägypten soll es am Sonntag durch hungrige Textilarbeiter zu Unruhen gekommen sein. In Philippinen, dem weltgrössten Reis-Importeur wurde ein eiliges Massnahmenpaket geschnürt, wonach Spekulanten, welche Reis horten, mit Gefängnisstrafe bedroht werden. Grossproduzent Vietnam hat indes Ausfuhrbeschränkungen für Reis verhängt.

Die tiefen Lagerbestände, die anhaltend hohe Nachfrage v.a. aus China und Indien und der neue Bedarf nach Biokraftstoff sind Faktoren, die für einen Preisanstieg sorgen. Neben klimatischen Bedingungen (Dürre, Überschwemmungen, Wirbelstürme usw.) spielen auch andere Faktoren wie Schädlinge und Seuchen eine wichtige Rolle. Laut OECD sind v.a. sog. Schwellenländer (China, Indien, usw.) seit 2004 für rund 90% der Zunahme des weltweiten Rohstoffverbrauchs verantwortlich. Die UNO hat am Dienstag davor gewarnt, dass die anhaltend steigende Lebensmittelpreise weltweit die politische Stabilität gefährden. Die Weltbank hat bereits eine Liste mit 33 Staaten publiziert, in denen soziale Unruhen drohen.

„Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen“ heisst es in der Präambel der Schweizer Bundeverfassung.

Mittwoch, 9. April 2008

Sind Sie Käufer oder strategischer Investor?

Die Aktienkurse stehen unter Druck. Die USA bleiben das Epizentrum der Turbulenzen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat vor einer systemischen Finanzkrise gewarnt. Der Gesamtschaden durch die Krise dürfte sich nach Schätzungen der IWF-Experten bis auf 1'000 Mrd. Dollar belaufen. Die Politik wird aufgefordert, sofortige Massnahmen zu ergreifen. Wie es aus dem am Dienstag veröffentlichten Protokoll der Fed-Sitzung vom Mitte März hervorgeht, befürchten die US-Währungshüter einen langwierigen und schweren Wirtschaftsaufschwung. Die Mehrzahl der Fed-Mitglieder rechnet offenbar mit einer kurzen Rezession. Gründe: die fallenden Hauspreise und die Probleme am Finanzmarkt.

Die Marktteilnehmer werten nun die Sitzungsnotizen als Hinweis für weitere Zinssenkungen. Jeder Rebound an der Börse, unabhängig davon, wie gross oder klein, scheint zur Zeit von neuen, negativen Marktbeurteilungen abgewürgt zu werden. Es ist ohnehin schwer genug, einzuschätzen, wann der Boden erreicht ist. Zu Jahresbeginn sprach man vom „Käufermarkt“. Nun kommt es darauf an, ob Sie ein Aktien-Käufer oder ein strategischer Investor sind. Gefordert sind also unabhängiges Denken und emotionale Stabilität. Es gilt, zwischen Mut und Vorsicht eine ausgewogene Balance zu finden. Staatsfonds, die sog. Sovereign Wealth Fonds (SWF) aus Ölstaaten und Schwellenländern machen sich bereits ans Werk. Die Wette beispielsweise auf grosskapitalisierte US-Unternehmen dürfte sich aber auch für individuelle Investoren lohnen. Mit Sicht auf mind. ein Jahr winken aus den US-Aktien sowohl Kurs- als auch Währungsgewinne. Der Greenback dürfte sich gegen Ende Jahr wieder spürbar erholen. Der US-Aktienmarkt wird deshalb v.a. aus der Perspektive von Euro- und Schweizer Franken Investoren interessant. Entscheidend ist aber dabei das richtige Stock-Picking.

Berichtssaison eröffnet

Die Berichtssaison in den USA wurde am Montag traditionell von Alcoa, dem Aluminiumhersteller eingeläutet. Das Unternehmen hat im ersten Quartal einen Gewinneinbruch um mehr als die Hälfte verbucht. Beim Umsatz dagegen hat Alcoa die Einschätzungen der Analysten übertroffen. Die Gründe für den Gewinnrückgang seien v.a. stark gestiegene Energiekosten sowie der schwache Dollar, teilte das Unternehmen mit. Alcoa verdiente von Januar bis Ende März 303 Mio. Dollar. Der Umsatz ging um 7% auf 7,4 Mrd. Dollar zurück. Marktteilnehmer erhoffen sich aus der laufenden Berichtssaison Indikationen für die gegenwärtige Entwicklung der amerikanischen Wirtschaft. Die Prognosen haben sich allerdings in den vergangenen Wochen verschlechtert. Zu Beginn des Jahres rechneten Analysten für die S&P-500 Unternehmen einen Gewinnzuwachs von rund 5%. Nun erwarten sie einen Gewinnrückgang um ca. 8%. Am Freitag wird General Electric Zahlen veröffentlichen.

Montag, 7. April 2008

Nahrungsmittelkrise

Alle reden von der Finanzkrise. Aber es bahnt sich gleichzeitig eine weitere Krise an, und zwar auf dem Nahrungsmittelsektor. Die Weltbevölkerung wächst. Der Wohlstand nimmt zu. Vor allem in den sog. Schwellenländern steigt das Einkommen und Verbraucher ändern dadurch ihre Ernährungsgewohnheiten. Es wird mehr gegessen und mehr Energie verbraucht. Der dritte Grund für den steigenden Bedarf im Agrarsegment ist die vom ansteigenden Erdölpreis ausgelöste Suche nach alternativen Energieträgern.

Gemeint sind die Agrarerzeugnisse, welche als Grundstoffe für die Produktion von Ethanol und Biodiesel die Nachfrage zusätzlich ankurbeln. Das Angebot kann aber nicht Schritt halten. Konsequenz: die Preise steigen. Reis, Mais und Weizen, die meistangebauten Getreidesorten der Welt erleben derzeit einen Preisboom. Der Weizen verteuerte sich in den vergangenen fünf Monaten um mehr als 30%. Der Maispreis ist seit 2005 um 170% gestiegen. In den USA wird der Maisanbau im Rahmen der Biokraftstoff-Fördermassnahmen subventioniert. Amerikanische Farmer gehen deshalb dazu über, Ackerflächen für Weizen und Sojabohnen auf den lukrativeren Maisanbau umzustellen. Das verringert natürlich das Angebot. Die Preise steigen. Der Agrarrohstoffe-Boom ist auch an Reis nicht vorbeigegangen. Reis stellt für mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung das Hauptnahrungsmittel dar. Insbesondere in Asien ist der Reis das Nahrungsmittel schlechthin. Der Preis hat sich in den vergangenen vier Jahren vervierfacht. Mit 20,26 Dollar je Pfund hat der Preis an der Terminbörse in Chicago vergangene Woche einen neuen Rekord verbucht. Pro Kopf und Jahr beträgt der Reisverzehr in Asien rund 150 Kilogramm. Im Vergleich: in Amerika nur 11 Kilo und in Deutschland ca. 3 Kilo. Die Jahresproduktion hat im Vorjahr weltweit 650 Mio. Tonnen betragen. Das entspricht einem Anstieg um 1% im Vergleich zum Jahr 2006. Tiefe Lagerbestände haben inzwischen in Indien zu einem Exportverbot für Reis geführt. Die Philippinen, weltweit grösster Reisimporteur wollen die ostasiatische Reisnotfallreserve anzapfen. Reisexportstaaten wie China und Vietnam schränken ihre Ausfuhren über Quoten und Steuern ein. Experten befürchten daher soziale Unruhen, da besonders ärmere Bevölkerungsschichten vom Preisanstieg betroffen sind. Die Preise von Getreide hängen ferner von der jeweiligen Jahreszeit ab. Paul Krugman, Wirtschaftsprofessor an der Princeton University, thematisiert in seiner aktuellen Kolumne in The New York Times energisch den wachsenden Kostendruck und die sozialen Folgen. Er bezeichnet in diesem Zusammenhang die Biokraftpolitik der Regierung als einen „schrecklichen Fehler“ und sieht Parallelen zwischen der Verwundbarkeit des hochverschuldeten und verbrieften Finanzsystems und des von der tiefen Lagerbeständen geprägten Nahrungsmittelsektors. Neuere Studien behaupten, dass der Ethanolboom einen grösseren ökologischen Schaden verursache als die Verbrennung von fossilen Energieträgern. Dazu kommt die Konkurrenz um die Anbaufläche. Die Abholzung von Regenwäldern, der verstärkte Einsatz von chemischen Düngern usw. In den USA ist der Nahrungsmittel-Preisindex im Vorjahr um ca. 5% gestiegen. Die Risiken für Preisstabilität und Umwelt sind unübersehbar.

Sonntag, 6. April 2008

Beitrag der Kleinsparer zu Bail-out der Grossbanken

Seit dem Ausbruch der Finanzkrise belaufen sich die Verluste der Bankbranche auf mittlerweile 250 Mrd. Dollar. Die Tendenz ist im Steigen begriffen. Die konzertierte Rettungsaktion der Notenbanken zeigt, dass das Finanzsystem nicht ohne Hilfe des Staates überleben kann. Es kam inzwischen zu Verstaatlichungen in den USA, Deutschland und in Grossbritannien. Ob man will oder nicht. Es sind Steuerzahler, die für die eklatanten Fehlspekulationen der Banken gerade stehen. Sie zahlen die Zeche. Kleinsparer, Rentner und Lohnempfänger tragen die Verluste, obwohl sie bislang kaum an den Kursgewinnen beteiligt waren. Bill Gross, der Pimco-Manager des weltweit grössten Anleihefonds weist in seinem „Investment Outlook“ von April darauf hin, dass die Rendite der Geldmarktfonds in den USA vor einem Jahr im Durchschnitt 5%+ betragen habe. Zur Zeit werfen sie eine Rendite von rund 2% ab. Der Beitrag der Kleinsparer zu Bail-out der Banken scheint also mindestens ca. 3% zu betragen.

Freitag, 4. April 2008

China, Asia, and the New World Economy

Buchbesprechung:

Barry Eichengreen, Charles Wyplosz and Yung Chul Park (edited by): China, Asia, and the New World Economy. Oxford University Press, 2008.


Wer von Chinas Aufstieg zur Handelsmacht profitieren will, investiert heute in Rohstoffe. Peking ist zur Zeit für rund 9% der weltweiten Ölnachfrage verantwortlich. Von Engagements in Aktien ist aber derzeit im allgemeinen strengstens abzuraten. Chinesen arbeiten hart und investieren viel. Das Land gilt als Werkbank der Welt (Indien als das Büro). Das Handelsvolumen v.a. Japans und Europas mit China nimmt rapide zu. Beide haben gegenüber China einen Überschuss in der Handelsbilanz.

Peking erlebt jedoch gegenwärtig die höchste Inflation seit mehr als elf Jahren. Im Februar ist die Inflationsrate annualisiert auf 8,7% gestiegen. Ministerpräsident Wen Jiabao hält die anhaltende Inflation für die grösste wirtschaftliche Gefahr für die Volksrepublik. Die chinesische Währung hat im März mit 7,0252 Renminbi je Dollar ein neues Rekordhoch erreicht. Dieses brandaktuelle Buch befasst sich mit dem zunehmenden wirtschaftlichen Einfluss Chinas in der Region und der Welt. Es handelt sich hierbei um wissenschaftliche Essays von verschiedenen Experten, die sich mit den Auswirkungen des raschen Wachstums von Volkswirtschaften Ost-Asiens und inbesondere Chinas auf die Weltwirtschaft in den kommenden Dekaden befassen. Die Autoren zeigen in 14 Einzelbeiträgen die Konsequenzen der chinesischer Herausforderung makroökonomischer und umweltpolitischer Art auf und beleuchten die handelspolitischen Entwicklungen. Keine leichte Lektüre. Eher an akademisch interessierte Leserschaft gerichtet. Aber in der Aktualität bestimmt einmalig. Barry Eichengreen ist Professor für Wirtschafts- und Politikwissenschaften an der University of California, Berkeley. Charles Wyplosz ist Professor für Volkswirtschaft am Institute Universitaire de Hautes Etudes Internationales der Uni Genf und forscht am Centre for Economic Policy Research (CEPR) in London. Yung Chul Park ist Professor in der „Division of International Studies“ an der Korea University.

Donnerstag, 3. April 2008

Schweizer Aktienmarkt im I. Quartal

Der Swiss Market Index (SMI) hat das I. Quartal 2008 mit einem Minus von 15% abgeschlossen. Der beste Performer war Swiss Re, der Rückversicherer. Die Aktien legten von Januar bis Ende März um 8,2% zu. Die Titel von UBS- und CS büssten hingegen jeweils 45,5% bzw. 26,3% ein. Im Dezember 2006 hatten wir im Ausblick für 2007 ausdrücklich vor Finanzaktien gewarnt. Aufmerksame Leser unserer Newsletters werden bestätigen, dass wir bereits im Sommer 2007 unsere Empfehlung, Aktien aus der Finanzbranche zu meiden, mehrmals unterstrichen haben. Ferner hat Syngenta, der von uns favorisierte Wert das turbulente erste Quartal mit Plus/Minus Null hinter sich gelassen.

Paulsons Blaupause für die Finanzkrise

US-Finanzminister Henry Paulson nennt den 212-seitigen Bericht zur Reform der Finanzaufsicht „Blaupause“. Demnach soll die US-Notenbank (Fed) künftig auch Investmentbanken beaufsichtigen. Die Währungshüter sollen Risiken für die Finanzmarktstabilität aufspüren. Das Vorhaben muss aber noch vom Kongress gebilligt werden. Für die Umsetzung der Vorschläge rechnet Paulson mit einem Zeitraum von zwei bis acht Jahren.

Kritik ist angebracht. Die Fed hat doch bislang sowohl in der Ära von Greenspan als auch unter der Führung von Bernanke immer wieder betont, nicht in der Lage zu sein, das Entstehen von Spekulationsblasen zu erkennen. Andererseits ist es bekannt, dass der Plan des Finanzministers ursprünglich auf seinen Auftrag an eine Expertengruppe vor einem Jahr zurückgeht, Modernisierungsvorschläge vorzubereiten, wie der US-Kapitalmarkt nach den infolge von Enron und Worldcom-Skandalen eingeführten, schärferen Bilanzierungsregeln („Sarbanes-Oxley Act“) wieder an Attraktivität gewinnen kann. Das Ziel war also von Anfang an nicht mehr Regulierung, sondern weniger. Kurzum: Paulsons Reformvorschläge sind Augenwischerei. Wie reagiert aber die Fed auf Paulsons „Bleuprint“? Bernanke sagte, „ein sehr interessanter und nützlicher erster Schritt“, als ob er die Semesterarbeit eines seiner Studenten beurteilen würde. Fed-Chef war davor bekanntlich Uni-Professor.

Bernankes Geständnis von Rezession

Die amerikanische Notenbank (Fed) schliesst eine Rezession in den USA nicht mehr aus. „Die amerikanische Wirtschaft könnte im ersten Halbjahr leicht schrumpfen“, sagte Fed-Chef Ben Bernanke am Mittwoch vor dem Gemeinsamen Wirtschaftsausschuss des Kongresses. Für das zweite Halbjahr rechne er aber mit einer konjunkturellen Erholung. Zudem verteidigte Bernanke seine Rettungsaktion der gescheiterten Investmentbank Bear Stearns.

Eine Rezession tritt gemäss Definition des National Bureau of Economic Research (NBER) von Boston dann ein, wenn die Wirtschaftswachstumsrate für mindestens zwei Quartale in Folge negativ ausfällt. Die letzten Rezessionsperioden in den USA: 1980/01, 1990/91 und 2001.

Quartalsbilanz der US-Aktien

Wertentwicklung der amerikanischen Aktien im I. Quartal 2008:

Dow Jones: -7,6%,
Nasdaq: -14,1%,
S&P-500: -9,9%.

Mittwoch, 2. April 2008

Chinas Inflationsproblem

China erlebt derzeit die höchste Inflation seit mehr als elf Jahren. Im Februar ist die Inflationsrate jährlich auf 8,7% gestiegen. Im Dezember hatte Chinas Teuerungsrate bei 6,5% gelegen. Ministerpräsident Wen Jiabao hat unlängst darauf hingewiesen, dass die anhaltende Inflation die grösste wirtschaftliche Gefahr für die Volksrepublik sei. Die Leitzinsen in China sehen so aus: Einjährige Einlagen (borrowing rate) 4,14%, einjährige Ausleihungen (lending rate): 7,47%. Beide liegen unterhalb der Inflationsrate. Das bedeutet, dass der Realzins negativ ist.

Es lohnt sich also für Chinesen nicht, zu sparen. Es ist so, dass die Nahrungsmittelpreise für rund 90% der annualisierten Inflationsrate verantwortlich sind. Die sog. Kernrate der chinesischen Inflation beläuft sich sodann auf 1,6%. Wenn man auch noch die extrem schwankungsanfälligen Energiepreise subtrahieren würde, ergäbe sich eine Kernrate von 1,1%. Die Frage ist nun, ob Chinas Führung sich nun beruhigt zurücklehnen kann und von restriktiven makroökonomischen Stabilisierungsmassnahmen (z.B. Geldpolitik) absehen soll? Da die Inflation mit 1,1% auf jährlicher Basis vernachlässigbar niedrig ist. Nein sagt Stephen Roach, der Chairman, Morgan Stanley Asia. Der brilliante Ökonom warnt China, dieselben Fehler zu machen, wie die US-Notenbank (Fed) in der 1970er Jahren. Arthur Burns, der damalige Fed-Chef, welcher unter Druck von Präsident Nixon stand, verordnete, die Inflation von jetzt an ohne die volatilen Nahrungsmittel- und Energiepreise zu berechnen, da es sich bei den genannten, exogenen Grössen um „spezielle Faktoren“ handelt, die von vorübergehender Bedeutung sind. Roach erinnert an das widrige Marktumfeld und die nachfolgenden schmerzhaften Erfahrungen von damals: rasch steigende Rohstoffpreise, langsameres Wirtschaftswachstum und zunehmende Gesamtinflation. Paralellen sind verblüffend. Sollte sich China aber nur auf die Kernrate konzentrieren, begäbe sich das Land in Gefahr, die Inflationsrisiken zu unterschätzen, hält Roach vor Augen.