Samstag, 31. Oktober 2009

Die Grosse Rezession

Buchbesprechung

Nikolaus Piper: Die Grosse Rezession. Amerika und die Zukunft der Weltwirtschaft. Carl Hanser Verlag, München, 2009.


Vor der Krise hatten viele Wirtschaftsexperte in Europa die abwägige Theorie der „Entkopplung“ der Weltkonjunktur von den USA auf ihre Fahnen geschrieben. Das hat sich, wie gesehen, als vollkommen fatal erwiesen. Denn keine Rezession in der Geschichte hat die Welt so synchron erfasst wie die, die seit Herbst 2008 anhält. Die EU hat bekanntlich zu träge und zögernd auf die Krise reagiert. Die EZB hat sogar im Sommer 2008 die Leitzinsen erhöht, anstatt sie kräftig zu senken. Das Ausmass der Krise zeigt, dass die Staaten auf eine Zusammenarbeit angewiesen sind, um die Folgen der Krise gemeinsam einzudämmen, obwohl die USA bisher alleine eine Pionierrolle übernommen und mit ihrem 800 Mrd. $ schweren Konjunkturprogramm ein Abgleiten der Weltwirtschaft in eine Depression verhindert haben. Ausserdem mussten die deutschen und schweizerischen Banken ja wissen, welche Produkte sie gekauft haben. Es wurde also auch diesseits des Atlantiks auf der Suche nach kurzfristigen Gewinnen gestützt auf die Hebelwirkung mächtig spekuliert. Die Krise kam nicht über Nacht aus den USA hierher.

Nikolaus Piper ist Wirtschaftskorrespondent der „Süddeutschen Zeitung“ in New York. Von 1999 bis 2006 war er Wirtschaftschef der „SZ“. Piper ist Träger des Ludwig-Erhard-Preises und Autor mehrerer Sach- und Kinderbücher. Für seine „Geschichte der Wirtschaft“ bekam er den Jugendliteraturpreis. Er schildert in diesem Buch die diversen und vielschichtigen Etappen der Krise in historischer Zeittafel in einer angenehmen Sprache und ohne Pathos.

Er zeigt auf, dass es nicht nur um fehlerhaftes Risikomanagement oder mangelhafte Aufsicht, sondern darüber hinaus um den ideologisch angetriebenen Wandel der Struktur der Finanzwelt und der Gesellschaft insbesondere in den vergangenen 30 Jahren geht. Der Ursprung der Krise ist Marktfundamentalismus (die Laissez-faire Politik), wonach der Markt die Lösung ist, während der Staat das Problem darstellt. „Ein Vierteljahrhundert hatten Politiker auf die Kraft des Marktes gesetzt , sie hatten liberalisiert und dereguliert“. Piper veranschaulicht die epochalen Umbrüche (wie z.B. Börsenkrach von 1929) in der Finanzwelt von der Gründung der USA bis heute eindrücklich u.a. mit gelungenen Hinweisen auf bekannte Kinofilme und populäre Songs, welche die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Scheiterns an Wall Street und der Rezessionen thematisieren. Besonders lesenswert ist das Kapitel 2, wo der Autor den „Minsky-Moment“ beschreibt. Das Verlaufmuster der Krisen, die zu Katastrophen geführt haben, ist über Jahre hinweg, verblüffend ähnlich. Deregulierung, ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung, übermässige Schuldenaufnahme, Spekulationsblasen und ein dramatischer Einbruch der Konjunktur. In den 1930er Jahren hiessen die Protagonisten „Investment Trust“. Heute heissen sie „Private Equity Gesellschaften“ und „Hedge Fonds“. Der gemeinsame Nenner war der hemmungslose Hang zu kurzfristigen Profits mit Hebelwirkung in einem Marktumfeld mit möglichst laxer Regulierung. Piper stellt am Schluss des Buches die „Lehren aus der Krise“ vor, indem er sieben Elemente hervorhebt. (1) Kreditwesen, (2) Staatsfinanzen, (3) Energiekrise, (4) Neue Rolle Amerikas, (5) globale Ungleichgewichte, (6) die (neue) soziale Frage und (7) Kapitalismus. Notwendig ist nach Pipers Ansicht nach dem Schock der Krise eine Revitalisierung des Kapitalismus und nicht dessen Abschaffung. Seine Schlussfolgerungen sind vernünftig: „Eine Wirtschaft, in der niemand mehr Risiken eingeht, erstarrt; Reformen sollen nicht die Risiken verbannen, sondern es Unternehmen und Verbrauchern ermöglichen, auf verantwortliche Weise Risiken einzugehen“.

Am 8. Oktober wurde Piper mit dem „Deutschen Wirtschaftspreis 2009“ ausgezeichnet. Den Preis erhielt der Autor mit diesem im September erschienenen Buch. Der Leser erlebt hautnah die spannende Reise durch die amerikanische Finanzwelt, wie sie von krisenverstärkenden falschen, dogmatischen Politiken ruiniert wurde. Eine überzeugende Zusammenfassung der Ursprünge der gegenwärtigen Finanzkrise vor dem Hintergrund der historischen Umwälzungen.

US-Bankpleiten: 115

Die Behörden haben am Freitag laut Reuters California National Bank und weitere acht kleinere Banken in Illinois, Texas und Arizona geschlossen. Die Banken verfügen nach Angaben von FDIC insgesamt über 19,4 Mrd. $ Vermögenswerte und über 15,4 Mrd. $ Kundeneinlagen. Die neun Banken haben zusammengerechnet 153 Filialen. Noch nie waren im Sog der Krise 9 Banken an einem Tag geschlossen. Damit ist die Anzahl der Banken, die in diesem Jahr im Zuge der Krise dichtgemacht haben, auf 115 gestiegen. Das ist der höchste Wert seit 1992. Die FDIC versucht das Vermögen der Bank zu verkaufen und deckt zugleich die Einlagen der Sparer. Die Einlagen der Sparer sind bis zu 250'000 $ pro Konto geschützt.

Bankpleiten:
2009: 115 Banken
2008: 25
2007: 3


Die Kosten der neun Bankenschliessungen vom Freitag dürften sich nach Einschätzung der FDIC auf 2,5 Mrd. $ für die öffentliche Hand belaufen.

Freitag, 30. Oktober 2009

US-Wirtschaftswachstum: Kommentare

Die amerikanische Wirtschaft wächst wieder. Der längste Abschwung seit 1929/30 scheint vorbei zu sein. Nach einem Jahr in der tiefen Rezession legte das BIP im III. Quartal um 3,5% zu. Was halten Experten davon? Hier sind drei anerkannte Meinungen: Mark Thoma bemerkt in Economist’s View, dass der BIP-Bericht bestätige, dass die Rezession zu Ende gegangen ist. Er sei aber nicht bereit, wieder einfach zu atmen. Es gebe zu viele nicht-nachhaltige Faktoren, welche den Schub gefördert haben. Bis die Wirtschaft auf eigenen Beinen stehen kann, bleibe sie anfällig. Und der negative Beitrag des Handels zum Wachstum v.a. im Zusammenhang mit dem Druck auf Wechselkursbewegungen sei ein Warnsignal, dass Kapital- und Handelsströme in Gefahr sind, ins alte Muster zurückzufallen.


Real GDP, Graph: Fed St. Louis

Nouriel Roubini kommentiert in seinem Blog, dass die Wirtschaftsaktivität, nachdem freien Fall der Produktion im letzten Quartal 2008 und im ersten Quartal 2009, sich zum Positiven gewendet habe, genau so wie die positive zweite Ableitung zwischen dem zweiten und dem dritten Quartal 2009 bereits darauf hingedeutet habe. Ein aggressives und koordiniertes Massnahmenpaket hat laut Roubini die Produktion vor dem freien Fall gerettet und die globale Wirtschaft wieder zum positiven Wachstum verholfen. Seine Firma RGE Monitor rechnet mit einem starken Wachstum in der zweiten Jahreshälfte. Die Prognose lautet auf ein Wirtschaftswachstum um 2,5% im vierten Quartal 2009.

Paul Krugman verweist in seinem Blog kurz und bündig darauf, dass die aktuellen BIP-Zahlen belegen, dass der Fiskalstimulus zu wirken beginne, genau so, wie es nach dem sinnvollen Ansatz von Keynes sein sollte. Die schlechte Nachricht sei, dass „wir gerne gesehen hätten, dass erfolgreich Arbeitsplätze geschaffen werden“. Das ist aber nicht der Fall. „Wir wollen gern eine „Anstoss- oder Start-Hilfe“ sehen“, d.h. eine Verbesserung des nachhaltigen Wachstums. Es sei aber wichtig zu verstehen, dass das nicht erforderlich ist, damit sich Fiskalstimulus lohnt. Es sei weder eine Vorhersage der Standardausführung noch ein wesentlicher Teil des Wohlfahrtsarguments. „Aber es wäre schön, wenn es passieren würde“, so Krugman. Die grundlegende Logik sei, dass der Stimulus darauf abzielen sollte, die Produktionslücke (output gap) zu schliessen. Das Konjunkturprogramm sei aber nicht gross genug, dass gerade jetzt zu tun.

Grossbanken – Grösse der Banken

Simon Johnson (MIT’s Sloan School of Management) und Peter Boone (London School of Economics) befassen sich in einem lesenswerten Essay in The New York Times mit der aktuellen Frage, wie gross eine Bank sein muss, um die Kunden angemessen zu bedienen? Braucht die globale Wirtschaft wirklich Grossbanken? Die beiden Autoren betrachten den Tatbestand kritisch, dass Ben Bernanke, der Fed-Präsident an der Seitenlinie bleibt, während ein wichtiges Argument unter hochrangigen Politikern ausgebrochen ist: Zerschlagung der Grossbanken. Oder können Grossbanken so reguliert werden, dass sie sich dauerhaft gut benehmen? Die Frage ist zu wichtig und die Einsätze sind zu hoch, um sich davor zu drücken, eine Meinung zu haben, halten Johnson und Boone fest.

Bernanke scheint aber Status quo für den Bankensektor beibehalten zu wollen. Der Fed-Chef betont die Vorteile der grossen und komplexen Finanzunternehmen. Die Beweislage in diesem Zusammenhang basiert aber im besten Fall auf schwachen Beinen, so die beiden Wirtschaftswissenschaftler. Es gebe drei Arten von Beweismaterial: (1) Ergebnisse aus der akademischen Forschung über die Erträge im Vergleich zu der Grösse im Bankgeschäft, (2) die gegenwärtige und voraussichtlich künftige Politik in anderen Ländern, und (3) die tatsächlichen Praktiken im Bankensektor. Erstens zeigt die Forschung, dass es nicht nur Vorteile, sondern auch Kosten gibt. Im Bankensektor existieren economies of scales (Grössenvorteile, d.h. Skaleneffekte) nur bis zu einem (relativ niedrigen) Niveau der Bilanzsumme, während economies of scope (d.h. Diversifikationsvorteile) schwer erfassbar sind. Der Nutzen aus der Diversifikation ist über Länder hinaus klein. Wir wie in den letzten Monaten gelernt haben, nehmen die Korrelationen zwischen verschiedenen Märkten und Anlageklassen während Krisen rasch zu. Das reduziert die Vorteile der Diversifikation. Zweitens ist die Politik in anderen Ländern von Bedeutung, weil manche fürchten, dass die Zerschlagung der Banken in den USA das Land im Wettbewerb gegenüber Banken aus Europa schwächen würde. Die EU hat aber neulich den Finanzkonzern ING gezwungen, Bank und Versicherungsgeschäfte zu trennen. Bald dürfte der Druck auch auf britische Banken zunehmen. Drittens ist die Geschäftsentwicklung in der Praxis so, dass Investment-Banking Transaktionen von einem Konsortium über die Bühne gebracht werden. Das Aktien-Angebot von General Electric z.B. wurde im Oktober 2008 von sieben Lead Managers ausgeführt. Auch die Anleihen-Emission von Microsoft ist von vier Lead Managers und drei Joint Leads begleitet worden. Auch wenn ein Nichtfinanz-Unternehmen ein grosses Bankdarlehen aufnimmt, geschieht das über ein Konsortium, um Risiken zu verteilen. OK, es gibt einen Bereich, wo die Banken mit der Grösse ihrer Bilanz hinter einer Transaktion stehen: Fusionen. Wenn sie einen Überbrückungskredit gewähren müssen, haben die Grossbanken Vorteile. Andererseits war aber diese Art von Risikoübernahme ein Grund für Banken, in Schwierigkeiten zu geraten. Siehe die Asien-Krise von 1997-98.

Johnson und Boone nennen als weiteres Beispiel Goldman Sachs. Die Bank verfügte 1998 über Vermögenswerte im Betrag von 217 Mrd. $. Das entspricht rund 270 Mrd. $ von heute. Aktuell verfügt GS über 1'000 Mrd. $ Vermögenswerte. Kann es sein, dass die ideale Grösse einer Bank in zehn Jahren so drastisch steigt? Lehman Brothers verfügte damals über 154 Mrd. $. Als der Wert aber 600 Mrd. $ überstieg, scheiterte die Bank. Bei Derivaten sei es wichtig, einen tiefen Markt zu haben, aber nicht unbedingt grosse Banken, schlussfolgern die beiden Autoren.

Donnerstag, 29. Oktober 2009

US-Wirtschaftswachstum: +3,5% im III. Quartal

Die US-Wirtschaft hat sich im III. Quartal stärker als erwartet erholt. Das BIP legte von Juli bis September annualisiert um 3,5% gegenüber dem Vorquartal zu. Das geht aus der ersten Schätzung des Bureau of Economic Analysis (BEA) hervor. Das BIP war im II. Quartal um 0,7% geschrumpft. Der private Verbrauch legte im III. Quartal um 3,4% zu, nachdem er zuvor um 0,9% zurückgegangen war. Die privaten Haushalte gaben offenbar dank der Abwrackprämie (cash for clunkers) wieder so viel Geld aus wie seit zwei Jahren nicht mehr.



Beiträge zum BIP-Wachstum durch:

Private Investitionen: +11,5%
Staatsausgaben: +2,3%
Ausfuhren: +14,7%
Einfuhren: 16,4%

Hat die US-Wirtschaft die Trendwende geschafft? Ist die schwerste Rezession seit den 1930er Jahren beendet? Es steht noch die offizielle Erklärung durch das National Bureau of Economic Research (NBER) aus.

Financial Stability Improvement Act: Systemgefährliche Banken

David Moss, Professor an der Harvard Business School kommentiert in einem Gastbeitrag in The Baseline Scenario den Gesetzentwurf (Financial Stability Improvement Act of 2009) zur Finanzmarktaufsicht. Im am 27. Oktober 2009 vorgelegten Entwurf geht es in erster Linie darum, grosse Finanzunternehmen dringend davon abzuhalten, zu grosse Risiken einzugehen. David Moss hält fest, dass der Gesetzentwurf folgende Elemente umfasst, um ein systemisches Risiko zu reduzieren: (1) Die Identifizierung von systemgefährlichen Finanzunternehmen, (2) Eine erhöhte Regulierung dieser Unternehmen, (3) Die Schaffung eines Stabilisierungsystems zur Verhinderung einer Panik in Zeiten systemischer Not und (4) Die Entschliessung zur Schaffung eines Abwicklungsmechanismus (resolution mechanism) für komplexe Finanzunternehmen, wenn nötig.

Moss erklärt, dass diese Elemente sehr wichtige Schritte nach vorne darstellen können. Er betont jedoch, dass die Reformen durch bedeutende Schwäche untergraben werden: Die ausdrückliche Forderung des Gesetzes, die Identifizierung von systemgefährlichen Finanzunternehmen durch die Aufsichtsbehörden geheim zu halten. Die Öffentlichkeit wird also davon nichts erfahren. „Das ist die Achillesferse des Gesetzentwurfes“, schreibt Moss in aller Deutlichkeit. Höchstwahrscheinlich sind alle Kompromisse, die das Gesetz einschliesst, zum Scheitern verurteilt, da die gewünschte Geheimhaltung fast unmöglich ist, zu erreichen, so Prof. Moss weiter. Heute kenne fast jeder die Identität von meisten der systemgefährlichen Unternehmen. Ausserdem seien undichte Stellen unvermeidlich.

Fazit: David Moss schreibt, dass die vorgeschlagene Regelung viele Stärken hat, aber ohne grössere Transparenz zwangsläufig zu kurz greift, um die TBTF-Problematik zu beseitigen und v.a. die nächste Finanzkrise zu verhindern.

Nouriel Roubini: Globale Ungleichgewichte

Nouriel Roubini nimmt Stellung zum aktuellen Thema “globale Ungleichgewichte”, die grob definiert die unterschiedliche Gewichtung der weltweit führenden Volkswirtschaften an Ersparnissen, Ausgaben und Verschuldung widerspiegeln. „Die Phrase globale Ungleichgewichte werde viel benutzt und wenig gehandelt“, so Roubini. Er erinnert daran, dass schon lange bevor die aktuelle Finanzkrise begann, führende Politiker versprochen hatten, eine Abhilfe dafür zu schaffen. Auf der IWF-Sitzung im Jahr 2007 einigten sich z.B. die Vertreter der Vereinigten Staaten und der EU, die wirtschaftlichen Anreize zu verändern, um mehr zu sparen und Ausgaben weniger zu fördern. Die Behörden aus China, Japan und Deutschland haben inzwischen zugesagt, Massnahmen zu treffen, den Verbrauch anzukurbeln. Am Ende des Tages sei aber laut Roubini nicht viel passiert und die Ungleichgewichte tragen dazu bei, dass die globale Wirtschaft in Richtung Abgrund vorangetrieben wird.

An den aktuellen Zahlen sei es nicht ohne weiteres offensichtlich, aber die Finanzkrise habe indes in der Tat zu einer erheblichen Verringerung der globalen Ungleichgewichte beigetragen. Die Verbraucher in den sog. „Defizit-Ländern“ wie den USA, GB, Spanien und den Ländern Osteuropas haben angefangen, mehr zu sparen und auf diese Weise das riesige Handelsbilanzdefizit abzubauen. Andererseits sorgen laut Roubini Fiskalstimulus-Massnahmen in den exportorientierten Volkswirtschaften wie China inzwischen dafür, dass die Inlandsnachfrage angekurbelt wird. Obwohl das exportorientierte Wachstumsmodell von der Krise durchgeschüttelt worden ist, tun sich viele Länder schwer, sich neu zu orientieren. Die jüngsten IWF-Schätzungen (Oktober 2009) gehen davon aus, dass die globalen Ungleichgewichte wieder grösser werden könnten. Sie dürften aber unter dem Höhepunkt von 2006 verharren. Der Wert der Ungleichgewichte in Dollar könnte aber sehr gross sein, warnt Roubini. So, wie wird aber das US-Handelsbilanzdefizit ausgeglichen?, fragt Roubini. Der IWF deutet darauf hin, dass die Überschüsse von Deutschland und Japan auch im Jahr 2010 im schrumpfenden Modus bleiben werden, während die Defizite von Kanada, Australien und von Schwellenändern wie Brasilien die Zunahme in China’s Überschuss wettmachen würden.

Fazit: Roubini vertritt die Ansicht, dass diese Ungleichgewichte schwerwiegende Fehlleitung von Kapital in die heimische Volkswirtschaft darstellen und das Risiko von zukünftigen Finanzkrisen und Spekulationsblasen erheblich erhöhen. Während die globalen Ungleichgewichte nicht die Ursache der derzeitigen Finanzkrise sind, ist Roubini überzeugt, Wirtschaftsprofessor an der Stern School of Business, New York University, dass die lasche Regulierung zu globalen Ungleichgewichten beigetragen hat und für die Finanzkrise verantwortlich ist. „Easy Money“ und tiefe langfristige Zinsen haben laut Roubini Anreize dafür geschaffen, in scheinbar sicheren High-Yield-Anlagen zu investieren. Ein geordneter Abbau der Ungleichgewichte könnten auf dem globalen Wirtschaftswachstum lasten, aber dieser ist von grundlegender Bedeutung, um ein nachhaltiges globales Wachstum zu erreichen.

Mittwoch, 28. Oktober 2009

Gesetzentwurf: Banken sollen für Rettungskosten aufkommen

Paul Volcker, der ehemalige Fed-Chef, ist als Berater im Wirtschaftsteam des US-Präsidenten Barack Obama tätig. In dieser Funktion hat er neulich eine Trennung zwischen (konservativen) Geschäftsbanken und (risikoreichen) Investmentbanken angeregt, um u.a. die „too big to fail“-Problematik zu lösen. Die US-Administration ist aber dagegen. Gestern wurde vom Komitee für Finanzdienste des Repräsentantenhauses (The House Financial Services Committee) ein neuer
Gesetzentwurf
(pdf) vorgelegt, der vorsieht, dass Banken, Hedge Fonds und andere Finanzunternehmen, welche über Vermögenswerte von mind. 10 Mrd. $ verfügen, sich an Rettungskosten von Finanzfirmen, die zusammenbrechen, beteiligen sollen.

Es handelt sich dabei um eine Kompromisslösung, die zwischen dem US-Schatzamt und Barney Frank, dem Vorsitzende des Bankenausschusses im Senat ausgearbeitet wurde. Die Fed soll dadurch ermächtigt werden, Unternehmen, die von der Pleite bedroht sind und ein systemisches Risiko darstellen, einschrumpfen zu lassen. Der Gesetzesvorschlag ist also die aktuelle Antwort auf die TBTF-Problematik. Das Ziel ist die Stabilität des Finanzsystem zu verbessern, damit die Steuerzahler nicht für Fehlschläge an Wall Street aufkommen müssen. Die Idee hört sich vernünftig an.

Norwegen erhöht Zinsen

Nachdem Australien als erstes G20-Land am 6. Oktober die Leitzinsen angehoben hat, hat heute die Norges Bank als erste europäische Notenbank ihren Leitzins erhöht. Der Schlüsselsatz (overnight deposit rate) für Refinanzierungsgeschäfte kletterte um 25 Basispunkte auf 1,50%. Nachdem Norwegen ein Konjunkturpaket im Verhältnis von 4,7% zum BIP aufgeschnürt hat, hat das Land Investitionen in der Erdölindustrie kräftig angekurbelt. Der weltweit 5. grösste Exporteur von Öl kam im II. Quartal aufgrund der wiederbelebten Inlandsnachfrage wieder aus der Rezession heraus. Norwegen und Australien sind zwei Länder, die von der Krise dank ihrem Rohstoffreichtum relativ milde erfasst worden sind.


Norway: Key Policy Rate, Graph: Norges Bank, Oct. 28, 2009

Die Norges Bank rechnet für dieses Jahr mit einem durchschnittlichen Leitzins von 1,75%. Für 2010 lautet die Prognose im Durchschnitt auf 2,25%. Für 2012: 4,25%. Die norwegische Notenbank signalisiert also einen steilen Anstieg der Zinsen. Die Arbeitslosigkeitsrate betrug im September 2,7%. Das ist der tiefste Wert in Europa.

„Die Inflation ist etwas höher als erwartet. Die Arbeitslosigkeit ist erheblich geringer als erwartet. Die Weltwirtschaft steckt in einer tiefen Rezession. Es gibt aber Anzeichen für ein erneutes Wachstum“, so die Norges Bank bei der Begründung des Zinsentscheides. Aktivität in der norwegischen Wirtschaft habe sich schneller als erwartet erholt. Die Norges Bank habe die Alternative zu einer Zinserhöhung in Betracht gezogen. Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass es angebracht sei, den Leitzins jetzt anzuheben, so Svein Gjedrem, der Chef der Norges Bank.

Für die EZB ergibt sich daraus aber keinen Handlungsdruck. Der Zeitpunkt für eine Wende in der Geldpolitik ist im Euro-Raum noch nicht gekommen. Der Geldmultiplikator ist zusammengebrochen. Es gibt keine Inflationsgefahr. Unternehmenskredite schrumpfen. Konsumenten sparen. Erstmals seit Einführung der Statistik im Jahr 1991 haben Banken im Euro-Raum im September an Unternehmen und private Haushalte weniger Kredite verliehen als ein Jahr zuvor, wie faz.net heute die Zahlen der EZB zitiert. Kein Wunder. Die Kapazitätsauslastung verharrt derzeit auf rund 70 Prozent. Es hat daher keinen Sinn, in absehbarer Zeit aus der lockeren Geldpolitik auszusteigen, bevor der Aufschwung Fuss gefasst hat.

Die Festlegung des optimalen Ausstiegszeitpunkts ist ohnehin die Quadratur des Kreises. Herkömmliche Modelle und Indikatoren, die herangezogen werden, Inflationsrisiken einzuschätzen, erfassen die unkonventionellen Massnahmen unzureichend, wie die Schweizerische Nationalbank (SNB) hervorhebt. Daher wird es auf die subjektive Einschätzung der Verantwortlichen ankommen, wann erforderliche Korrekturmassnahmen ergriffen werden sollen.

Dienstag, 27. Oktober 2009

S&P/Case-Shiller Home Price Index:
August 1,2%, -11,3% y/y

Die heute vorgelegten Daten von Standard & Poor’s Case/Shiller Index zeigen, dass der annualisierte Rückgang der US-Hauspreise, obwohl nach wie vor negativ, im Vergleich zum Vormonat weiterhin eine leichte Verbesserung aufweist. Der 10-City und 20-City Composite Indizes sind im August im Vergleich zum Vorjahresmonat um 10,6% resp. 11,3% gefallen. Das Tempo des jährlichen Rückgangs der Hauspreise scheint sich weiter zu verlangsamen. In 19 von 20 Ballungszentren zeigen die Indizes eine Verbesserung im Hinblick auf den annualisierten Preisrückgang.

Composite-10: August 2009: m/m 1,3%, y/y: -10,6%
Composite-20: August 2009: m/m 1,2%, y/y: -11,3%


S&P/Case-Shiller Home Price Index, Graph: Standard & Poor’s

Die Abbildung zeigt die Index-Werte für die 10-City und 20-City Composite-Indizes. Seit August 2009 sind die durchschnittlichen Hauspreise in den USA auf dem ähnlichen Niveau, wo sie im Herbst 2003 waren. Vom Höhepunkt im II. Quartal 2006 bis April 2009 ist der 10-City Composite um 33,5% und der 20-City Composite um 32,6% zurückgefallen.

Die aktuellen Daten sind aber für die kommenden Monate mit Vorsicht zu geniessen, da der Federal First-Time Buyer’s Tax Credit im November abläuft und die zunehmende Arbeitslosigkeit sowie ein möglicher Anstieg der Zwangsvollstreckungen auf dem Immobilienmarkt lasten dürften.

Der S&P/Case-Shiller Index zählt zu den wichtigsten Indizes zur Messung der Preisentwicklung am US-Wohnimmobilienmarkt.

Adam Posen: QE-Politik löst keine Inflation aus

Adam Posen, das neue externe Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der Bank of England (BoE) hat gestern in einem interessanten Vortrag (pdf) zu den Themen „Quantitative Easing“ ( mengenmässige Lockerung) und „Exit-Strategie“ Stellung genommen. Der einflussreiche US-Ökonom sagte zusammenfassend, dass (1) die QE keine Inflation auslösen wird und (2) vor dem Ausstieg aus der Politik der QE (d.h. des extra-billigen Geldes) vorerst das ganze Bankensystem reformiert werden muss.


Japan, Money Supply Growth and Inflation, Graph: Adam Posen, Oct. 26, 2009

Gibt es heute angesichts der extrem umfangreichen Käufe von Vermögenswerten durch die Zentralbanken (allein in Höhe von 175 Mrd. £ durch die BoE) eine Inflationsgefahr? Die entscheidende Frage sei, wenn man ernsthaft in einer Art von mechanistischem Monetarismus denkt, um wie viel das Geldmengenwachstum das erforderliche Mass überschritten hat, um der realen Entwicklung der Wirtschaft gerecht zu werden? Einige Hinweise lassen sich laut Posen aus den vergangenen Perioden der mengenmässigen Lockerung liefern, als das Geldmengenwachstum wohl übermässig war und wie wenig es für die Inflation bedeutete. Der stellvertretende Direktor des Peterson Insititute for International Economics in Washington stellt in dieser Hinsicht mehrere anschauliche Abbildungen vor. Es ist nämlich der beste Ansatz, erklärt Posen, sich empirisch parallele Zeiträume anzusehen, um aus den aktuellen Umständen Prognosen zu machen, anstatt sich auf Prinzipien zu stürzen, sei es auf monetaristische oder andere Weise.


China, Money Supply Growth and Inflation, Graph: Adam Posen, Oct. 26, 2009

Adam Posen meint v.a. die Zeiten von QE der Bank of Japan von 2001 an und die von Bank of China aus dem Jahr 2003, wenn beide Zentralbanken grosse Mengen von Reserven erzeugt haben, um gegen die Deflation zu kämpfen und einen festen Wechselkurs des Yuan gegen den US-Dollar zu seit der Asien-Krise zu verteidigen. Es gebe keine Beweise aus den relevanten Perioden von Grossbritannien oder anderen grossen Volkswirtschaften, dass die QE sich in Inflation niederschlägt. Dieser Schluss sei robust im Vergleich zu einer intensiveren ökonometrischen Untersuchung der verfügbaren Daten. Eine Warnung gibt aber Posen in bezug auf die Verfügbarkeit von Krediten an sog. KMUs („kleine und mittelständische Unternehmen“).

Hat tip to FT Alphaville and Bloomberg TV.

Boni und Vergütungen: Trickle-down Effekt?

In den USA sind in diesem Jahr im Sog der Wirtschafts- und Finanzkrise 106 Banken pleitegegangen. In einem Marktumfeld, wo die Konkurrenz erheblich abgenommen oder sogar verschwunden ist und die Notenbanken Geld quasi gratis hergeben, beginnen die Banken, die überlebt haben, dicke schwarze Zahlen zu verbuchen und darüber hinaus wieder exorbitante Boni auszuschütten. Denn sie verdienen sich erneut eine goldene Nase. Die Finanzinstitutionen haben ja von grosszügiger Staatshilfe profitiert. Die Öffentlichkeit kocht vor Wut, zumal die Arbeitslosigkeit weiter ansteigt. Goldman Sachs Vize-Chairman soll laut Telegraph neulich in London gesagt haben, dass Britische Steuerzahler lernen sollen, Ungleichheit zu tolerieren („learn to tolerate inequality“).

Was soll aber diese unverschämte Aussage suggerieren? Etwa das: „Wenn man den Pferden genug Hafer gibt, kommt am Ende auch etwas heraus als Futter für die Spatzen“. Mit dieser ironischen Bemerkung hatte John Kenneth Galbraith einmal die angebotsorientierte Trickle-down Theorie kritisiert, wonach der zunehmende Wohlstand der Reichen nach und nach in die unteren Schichten der Gesellschaft durchsickert (trickle-down). Nichts ist gerecht daran, dass die Schere zwischen Niedrig- und Spitzeneinkommen weiter aufgeht. Die Banken sind einfach unfähig, ihre Vergütungspraxis freiwillig zu korrigieren.

Hat tip to Simon Johnson.

Montag, 26. Oktober 2009

Israelische Notenbank belässt Leitzins unverändert bei 0,75 Prozent

Die Bank of Israel (BoI) hat auf ihrer Sitzung am heutigen Nachmittag angesichts der abnehmenden Inflationsgefahr ihren Leitzins bei 0,75% unverändert belassen. Die BoI hat zudem angekündigt, dass sie die expansive Geldpolitik beibehalten sowie ihre Interventionen am Devisenmarkt fortsetzen will. Die Inflation ist im September auf 2,8% gesunken. Der Schekel hat auf den Zinsentscheid kaum reagiert und wurde zum US-Dollar 3,6965 $ gehandelt. Die wichtigsten Überlegungen, die hinter der Zinsentscheidung stehen, sind:


BoI Benchmark Interest Rate, Graph: Bloomberg.com

(1) Die Inflation betrug in den vergangenen 12 Monaten 2,8%. Bereinigt um die speziellen Effekte lag sie aber annualisiert bei 1,9%. Das heisst, in der Mitte des Zielbandes. Die Inflationserwartungen tendieren derzeit leicht über dem Wert des Zielbandes. Die Existenz einer Produktionslücke (output gap), die bis 2010 anhalten dürfte, werde jedoch laut BoI den Inflationsdruck über das nächste Jahr dämpfen. (2) Die Indikatoren zeigen eine anhaltende Erholung der Wirtschaft in Israel. Es gibt aber Unsicherheit hinsichtlich der konjunkturellen Belebung. Das hat aber mit der Unsicherheit im Hinblick auf die Erholung der globalen Wirtschaft zu tun. (3) Die Leitzinsen der Zentralbanken sind rund um die Welt niedrig. Und sie dürften für die kommenden Monate unverändert bleiben.


Israel CPI, Graph: Bloomberg.com

Die BoI will den Zinssatz für November unverändert bei 0,75% belassen, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen ihren Zielsetzungen zu erreichen: (a) Preisstabilität, (b) Förderung der Beschäftigung und (c) Wahrung der finanziellen Stabilität.

Dan Tarullo: Obamas Fed-Gouverneur

Wie die aktuelle Finanzkrise gezeigt hat, hat das Problem „too big to fail“ den Staat zu Bail out-Massnahmen historischen Ausmasses veranlasst. Die „lender of last resort“-Funktion der US-Notenbank (Fed) hat zugleich die „Moral Hazard“-Problematik offengelegt: Während die Gewinne den Investoren zugute kamen, übernahm die Öffentlichkeit die Verluste. Es liegt auf der Hand, dass übermässiges risk-taking negative Externalitäten entfaltet. Das muss in Zukunft möglichst vermieden werden. Die Obama-Regierung will daher durchgreifen. Der Präsident hat in diesem Zusammenhang Dan Tarullo als Bankexperte und Regulierungsbefürworter persönlich zum Fed-Gouverneur ernannt. Simon Johnson befasst sich in The Baseline Scenario mit der aktuellen Rede des Rechtsprofessors.

Dan Tarullo macht keinen Hehl daraus, dass er von der Idee, die Grossbanken zu zerschlagen, nicht viel hält. Er betrachtet die Idee „als provokativ aber nicht mehr als ein Vorschlag“ und setzt stattdessen auf ein Abwicklungsverfahren („resolution mechanism“), welches vom Kongress für systemrelevante Banken entwickelt werden soll. Er sei zuversichtlich, dass der Kongress seine Verantwortung in Bezug die Krise wahrnehmen und für eine Ausweitung der Regulierung auf systemrelevante Banken sorgen werde. Der Reformprozess könne laut Tarullo nicht als Erfolg gewertet werden. Es sei denn, das systemische Risiko und insbesondere das Problem „too big to fail“ (TBTF ) werden dabei erheblich reduziert.

Tarullo erwägt hauptsächlich drei Massnahmen: (1) Die Schaffung eines besonderen Verfahrens für die Auflösung von systemrelevanten Finanzinstituten. Die Federal Deposit Insurance Act sieht einen solchen Prozess für die Banken, aber nicht für die Holding-Gesellschaften. (2) Die Forderung eines „contingent capital“ für Finanzinsititute. Das heisst im Klartext, dass Banken Fremdkapital begeben müssen, die in schwierigen Situationen in Eigenkapital umgewandelt werden können. (3) Eine vernünftige Ausweitung der Offenlegungspflichten für regulierte Finanzinstitute.

Simon Johnson denkt aber, dass die Idee der Einrichtung einer „Abwicklungsbehörde“ der Obama-Regierung ein theoretisches Konstrukt ist, welches keine erkennbaren praktischen Auswirkungen haben würde. Warum? Wie die Schweizerische Nationalbank (SNB) bereits kurz nach dem Ausbruch der Krise hervorgehoben hatte, ist die geordnete Liquidation eines systemrelevanten Instituts „aufgrund der grenzüberschreitenden Tätigkeiten und engen Verknüpfungen mit wichtigen Gegenparteien und Märkten praktisch unmöglich.“ Die SNB hatte im Übrigen als erste Notenbank der Welt die Idee präsentiert, die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Finanzmarktstrukturen so anzupassen, dass in extremen Krisensituationen eine geordente Liquidation groser Finanzinstitute vereinfacht bzw. ermöglicht wird. Zur Reduzierung der Kosten eines Bankenkonkurses bedarf es aber eines klar vordefinierten und international koordinierten Liquidationsverfahrens.

Samstag, 24. Oktober 2009

EZB: Ein Herz für Hedge Fonds

Die EU will allem Anschein nach in Folge der Finanzkrise in den betreffenden Branchen für Transparenz und Ordnung sorgen. Die Hedge Fonds wettern dagegen. Die Europäische Zentralbank (EZB) bietet nun Hilfe. Nicht der EU, sondern der Hedge Fonds-Branche. Hier ist die offizielle Erklärung. Die EZB ist bekanntlich nur auf Inflation fixiert und bekämpft gern die Verschiebung der Preissteigerungen, die durch ruchlose Spekulationen auf den Rohstoffmärkten entstehen. Charity Gala bei der EZB: Ein Herz für Hedge Fonds. Jeder Spenden-Cent wird an bedürftige Hedge Fonds und deren Manager weitergeleitet. Angesichts der zunehmenden Arbeitslosigkeit im Euroland ist es ein blanker Hohn.

Schliesslich ist die EZB mit ihrer sturren pro-zyklischen Geldpolitik für die Verschärfung der Arbeitslosigkeit verantwortlich. Die EZB weigert sich nämlich aus dogmatischen Gründen, die Nachfrage über das Instrument „Zins“ zu steuern. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Versorgung der Wirtschaft mit Geld angemessen ist, wird die Arbeitslosenrate als Massstab von den Monetaristen bewusst ausgeklammert, wie Heiner Flassbeck in seinem Buch „Das Ende der Massenarbeitslosigkeit“ (2007) überzeugend erläutert.

Yuan vs. Renminbi

Paul Krugman’s Kolumne in New York Times vom vergangenen Freitag über China’s Währungspolitik ist auf ein grosses Interesse gestossen. Es gingen über 100 Leser-Kommentare ein. Darunter auch einer meiner Wenigkeit. Danach wurde der Zugang der Leser-Einträge wegen der Überlastung des Systems gestoppt. Nun scherzt der Nobelpreisträger in seinem Blog. Er denke manchmal, dass die ganze Renminbi/Yuan-Frage als eine finstere Verschwörung von der chinesischen Führung entwickelt wurde, um Menschen von der Diskussion über die chinesische Währungspolitik abzuhalten.

Renminbi ist der Name der chinesischen Währung. Yuan ist die Denomination (Nennwert oder Stückelung einer Währung) von Scheinen, erklärt Krugman. D.h. die Einheit, in der die Preise gemessen werden. Eine Parallele gibt es zu Grossbritanniens Währung Sterling, deren Einheit das Pfund ist.

PS: Wenn ich mich nicht täusche, wurden die jeweiligen nationalen Währungen in der Übergangsphase als Denominationen des Euro bezeichnet. Wie auch immer, um das Problem auszuweichen, könnte man nur noch von „chinesischer Währung“ reden.

US-Bankpleiten übertreffen die Marke 100

Die Kaskade von Bankpleiten hat in diesem Jahr laut Washington Post 100 übertroffen. Das ist die höchste Zahl seit 20 Jahren. Die Probleme im Bankensystem mit faulen Krediten im Sog der Rezession liegen vermutlich schwerer als die Zahl ahnen lässt. Dutzende, vielleicht Hunderte von Banken bleiben offen, obwohl sie so gebeutelt sind, dass sie hätten geschlossen werden können. Die Behörden gehen behutsam vor, um keine Panik auszulösen. Zumal es auch nicht einfach ist, Käufer zu finden.

Bankpleiten:
2009: 106 Banken
2008: 25
2007: 3


Bank Failures 2009, Graph: The Washington Post

Die US-Aufsichtsbehörden haben am Freitag laut Reuters sieben kleine (drei davon in Florida ansässige) Banken geschlossen. Damit ist die Anzahl der Banken, die in diesem Jahr im Zuge der Krise dichtegemacht haben, auf 106 gestiegen. Die sieben Banken verfügen über Vermögenswerte von insgesamt 350 Mio. $. 1992 waren im Anschluss der „savings-and-loan“-Krise 181 Banken zusammengebrochen. Wenn eine Bank fehlschlägt, wird sie von der FDIC übernommen. Die Behörde versucht dann das Vermögen der Bank zu verkaufen und deckt zugleich die Einlagen der Sparer. Die Einlagen der Sparer sind bis zu 250'000 $ pro Konto geschützt.

Die FDIC schätzt die Kosten der Bankenschliessungen in diesem Jahr für die öffentliche Hand auf rund 25 Mrd. $. Die Summe dürfte nach Einschätzungen der Behörde bis 2013 auf 100 Mrd. $ ansteigen.

Der Fonds der Behörde ist vor zwei Wochen ins Minus gerutscht. Deswegen hat die FDIC-Chefin Sheila Bair inzwischen vorgeschlagen, dass die von ihr regulierten Banken die Gebühren für die nächsten 3 Jahre im Voraus zahlen. Auf diese Weise will die FDIC 45 Mrd. $ einnehmen. Die Banken zahlen an die FDIC 12 bis 16 Cents pro 100 $ Kundeneinlagen.

Freitag, 23. Oktober 2009

Keynes Comeback

Robert Skidelsky fasst in einem lesenswerten Essay in Project Syndicate den Disput, der in den vergangenen Monaten zwischen Paul Krugman (Uni Princeton) und John Cochrane (Uni Chicago) ausgetragen wurde, zusammen. Skidelsky, Mitglied des britischen Oberhauses und Professor emeritus für Nationalökonomie an der Warwick University sieht Parallen zu den 1930er Jahren, als John Maynard Keynes 1936 sein berühmtes Buch „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ vorlegte. Krugman, der bekanntlich für keynesianische Wirtschaftspolitik Sympathien hegt, verwirft die klassische „Theorie der effizienten Märkte“ und befürchwortet Konjunkturprogramme in depressionsgeplagten Ökonomien. Cochrane hingegen ist ein Verfechter der neoklassischen Theorie und hält nichts von „schuldenfinanzierten Ausgaben“, die seiner Ansicht nach keinen Einfluss auf die Wirtschaft haben, da Menschen in Zukunft höhere Steuern erwarten und deswegen heute mehr sparen.

Cochrane, Professor für Finanzwirtschaft hat allerdings die Wirtschaftslehre der Chicagoer Schule gegen Krugman ziemlich unwirsch verteidigt. Seine Schläge gingen öfters unter die Gürterlinie. „Die ökonomischen Theorien der Chicagoer Schule waren nie anfechtbarer als heute, und das durchaus verdient“, schreibt Skidelsky als Fazit. „Allerdings werden die Angriffe auf sie niemals reüssieren, es sei denn, Keynesianer wie Krugman bereit sind, die Folgen der nicht vermindbaren Unsicherheit für die ökonomische Theorie auszuarbeiten“. Mainstream-Ökonomen lehnen nämlich ab, die übermässigen Schwankungen als „irrational“ zu betrachten.

Grossbritannien steckt noch in Rezession

Grossbritannien’s BIP ist im III. Quartal um 0,4% geschrumpft. Sieben Monate nach der Verabschiedung eines 175 Mrd. Pfund (187 Mrd. $) schweren Konjunkturpakets hält die Kontraktion der britischen Wirtschaft an. Keiner der von Bloomberg befragten 33 Ökonomen hat damit gerechnet. Das ist der längste Aufschwung, den das Land seit dem Ende des zweiten Weltkriegs je erlebt hat. Von der Spitze im II. Quartal 2008 ist das BIP indes um 5,9% gesunken. Die Rezession dauert mittlerweile seit 6 Quartalen.


UK GDP Growth, Graph: Office for National Statistic

Im Markt wird nun spekuliert, dass die BoE nächste Woche eine Aufstockung des Anleihenkaufprogramms ankündigen wird. In Reaktion darauf hat der Pfund Sterling gegenüber dem US-Dollar und dem Euro an Wert verloren. Auch die Rendite der Gilts ist gesunken. Die Börse hingegen setzte die Rally fort. Oh dear!




GBIII.Q.09II.Q.09
q/q-0,4%-0,6%
y/y-5,2%-5,5%

China’s Wechselkurspolitik und Finanzkrise

Fed-Chef Ben Bernanke hat neulich in einer Rede u.a. zu den Themen Asien, globale Ungleichgewichte und Finanzkrise klar Stellung genommen. Er hat aber China ausgeschlossen, obwohl bekannt ist, dass Chinas Verhalten in bezug auf Wechselkurse eine zunehmende Gefährdung für den Rest der Weltwirtschaft darstellt, so Paul Krugman in seiner Kolumne in NYT von heute. China’s Währung ist an den Kurs des US-Dollars gebunden. Deswegen muss China’s Notenbank in den Devisenmärkten intervenieren. Steigt der Kurs der eigenen Währung, muss sie ausländische Devisen (in diesem Fall US-Dollar) kaufen, sinkt der Kurs, muss sie Devisen verkaufen. Auf diese Weise wird der Kurs künstlich niedrig (oder hoch gehalten) gehalten. Da China den Wechselkurs der eigenen Währung tief halten will, muss es Devisen kaufen. Wie geschieht das? Die Zentralbank druckt Geld. Damit die zunehmende Geldmenge keine Inflation auslöst, kauft Chinas Zentralbank mit dem Geld ausländische Wertpapiere (in diesem Fall US-Treasuries). Das ist eigentlich eine Art Sterilisierung.

Krugman macht nun darauf Aufmerksam, dass es China gelingt, diese Übung durchzuführen, weil es im Land Kapitalrestriktionen gibt. Grundsätzlich sei so eine Politik nicht falsch, wenn es v.a. ein armes Land betrifft, wessen Finanzsystem durch die volatilen Hot Money-Ströme leicht destabilisiert werden kann. In der Tat habe China während der Asien-Krise in den 1990er Jahren davon profitiert. Die entscheidende Frage ist jedoch, so Krugman, ob der angestrebte Wert für Yuan zumutbar ist. Bis etwa 2001 könnte man argumentieren, dass es so war, hält Krugman fest. Chinas Handelsposition lag nicht zu weit aus dem Gleichgewicht. Von da an hielt aber China am festen Yuan-Dollar-Kurs fest. Der Yuan wertete gegenüber allen anderen Währung ab, was chinesische Waren auf den Weltmärkten extrem billig machte. Das chinesische Exportgeschäft boomte. Das Ergebnis war ein grosser Handelsbilanzüberschuss Chinas. Krugman nimmt kein Blat vor den Mund: „Viele Ökonomen, mich eingeschlossen glauben, dass Chinas „asset-buying“-Tour zu Immobilienmarktblase geführt hat, was die globale Finanzkrise auslöste. China beharrt aber darauf, den festen Yuan-Dollar-Kurs beizubehalten, auch wenn der Dollar fällt, was jetzt mehr Schaden einrichten dürfte“. Das sei schlecht, besonders in einer Zeit, wenn die Weltkonjunktur zutiefst deprimiert ist wegen der schwachen Nachfrage. Durch die Verfolgung einer „weak-currency policy“ sauge China die unadäquate Nachfrage von anderen Ländern ab, was auf dem Wachstum fast überall laste. Das grösste Opfer seien Arbeitnehmer in den armen Ländern. „In normalen Zeiten wäre ich unter den ersten, die die Behauptung zurückweisen, dass China Arbeitsplätze stehle. Jetzt ist es aber die einfache Wahrheit“, so Krugman. Was ist also zu tun? Die Weltwirtschaft befinde sich in einer prekären Lage, wo eine Beggar-thy-neighbour-Politik von grossen Spielern nicht toleriert werden kann. Mit China’s Währung muss etwas passieren, so Krugman.

Donnerstag, 22. Oktober 2009

Bankenwelt: Je grösser, desto besser?

Simon Johnson nimmt in einem Essay in New York Times zu einem Leitartikel in WSJ Stellung, wo von einem Professor fürs Bankwesen die Meinung vertreten wird, dass es in der Welt der Banken der Grundsatz gelte: je grösser desto besser. Johnson, der ehemalige Chefökonom beim IWF ist damit natürlich nicht einverstanden. Er schreibt, dass er sich der Herausforderung einer grenzüberschreitenden Koordinierung der Bemühungen der verschiedenen Aufsichtsbehörden in extremen Krisensituationen bewusst ist, was eine geordnete Übernahme der Vermögenswerte einer gescheiterten grossen Finanzinstitution betrifft. Er erinnert aber daran, dass der IWF seit Jahren die EU dazu gedrängt habe, ein solches Rahmenwerk zu schaffen, allerdings mit geringem Erfolg. Vielleicht wegen der bürokratischen Trägheit, so Johnson. Wahrscheinlich sei es aber, dass die Banken sich dagegen gewehrt haben. Der Wettbewerb zwischen den Banken ist gut, bemerkt Johnson. Ist es aber für die Konkurrenz hilfreich, grossen Quasi-Monopol-Banken wie z.B. Goldman Sachs und JP Morgan zu erlauben, die Bankenlandschaft zu dominieren?

Johnson fasst seine Überlegungen in drei Punkten zusammen: (1) Die Kosten, wenn man TBTF zulässt, sind enorm: Rezession, Anstieg der Staatsverschuldung, Arbeitslosigkeit usw. (2) Die grossen Banken bringen auch Vorteile: v.a. für sich in Form von Sondervergütungen, wenn die Zeiten gut sind. Die Kosten hingegen werden von der Öffentlichkeit getragen, nicht nur von den Menschen, die während der Krise ihre Häuser verloren haben, auch von Unternehmen, deren Einnahmen verloren gehen und deswegen Mitarbeiter entlassen. „Das ist nicht nur unfair, sondern auch ineffizient. Banken, die übermässige Risiken eingehen, erzeugen enorme negative externe Effekte“, so Johnson und schliesslich (3) die grossen Banken haben die Fähigkeit, die Regulierungsbehörden zu übernehmen und die Politiker davon zu überzeugen, dass eine gefährliche Finanzstruktur gut für Amerika ist. Die Grossbanken werden daher mit ziemlicher Sicherheit neue Regulierung unschädlich machen. „Wie kann man ein gut funktionierendes politisches System haben, wenn einige Grossbanken so mächtig sind?“.

Produktionslücke

Die Produktionslücke (output gap) lässt sich als die (prozentuale) Differenz zwischen dem aktuellen und dem potenziellen Wirtschaftswachstum errechnen. Die Produktionslücke, die eine Abweichung des BIP vom Output, der bei Vollauslastung aller Kapazitäten möglich wäre, darstellt, gilt zugleich als Mass für den damit zusammenhängenden Inflationsdruck. Der potenzielle Output hängt von den Variablen der Angebotsseite ab. Der tatsächliche (reale) Output hingegen wird hauptsächlich von der Nachfrageseite bestimmt. Die Unterauslastung wirkt nicht nur deflationär, sondern zeigt auch, dass weiterhin Stimulus für die Konjunktur notwendig ist.

Output Gaps*
Norwegen: -2,0%
Schweiz: -2,9%
Kanada: -4,7%
USA: -4,9%
Grossbritannien: -5,4%
Eurozone: -5,5%
Japan: -6,1%

*Angaben: Morgan Stanley Research, OECD.

Wenn die Nachfrage kleiner ist als der potenzielle Output, dann ist das reale Wirtschaftswachstum geringer als das Potenzialwachstum. Das wird durch Arbeitslosigkeit reflektiert. Die Bestimmung des Potenzialwachstums ist daher für die Geldpolitik sehr wichtig. Die Bestimmungsfaktoren des Potenzialwachstums sind: (1) Arbeitsangebot, (2) Produktivität und (3) Kapitaleinsatz.

Ein Caveat: Der potenzielle Output kann nicht direkt beobachtet werden. Er muss geschätzt werden.

SPACs: Steht eine Rückkehr bevor?

SPACs kommen wieder in Mode, schreibt the Deal Professor in New York Times. Das sind Special Purpose Acquisition Companies, die gegründet werden, um andere Unternehmen zu übernehmen. SPACs Beitrag belief sich im IPO-Markt 2007 auf mehr als 20%, berichtet SPAC Analytics. Das bedeutet mehr als 12 Mrd. $ in 66 Emissionen (offerings). Der Grund, warum SPACs wieder in Schlagzeilen geraten, ist, dass sie sich laut Deal Professor auf einem wörtlichen Todesmarsch befinden. Ein typisches SPAC muss seine Übernahme innerhalb von 18 Monaten bis 2 Jahren abschliessen. SPACs aus dem Jahr 2007 kämpfen jetzt also ums Überleben, so Deal Professor.

Das WSJ weist auf die Vollendung der SPAC-Akquisition von GHL Acquisition, dem Greenhill & Company zugehörig und die Hicks Acquisition Company, zugehörig zu Thomas O. Hicks. Die Zeitung behauptet, dass diese Transaktionen ein Vorbote für eine Rückkehr zu SPACs sei. Angaben von SPAC Analytics zufolge sind von 161 SPACs seit 2003 51 liquidiert und 72 übernommen worden. Davon sind 35 übrig geblieben. Wiederum 15 davon sind derzeit auf der Suche nach einem Übernahmekandidaten. Die Performance der SPACs hinkt deutlich der von Russell 2000 Index hinterher. Minus 22,1% für SPACs vs. Minus 5,3% für den Index. SPACs sind eindeutig ein Phänomen der Boom-Zeiten. Sie gelten als Private Equity des armen Mannes. Ob die SPACs aus unerklärlichen Gründen wieder zurückkommen oder nicht, ist es in erster Linie für das Investmentbanking von Belang.

Zerschlagung der Grossbanken

Nach Alan Greenspan, dem ehemaligen Fed-Chef plädierte auch Mervyn King, der englische Notenbankpräsident in einem Vortrag dafür, grosse Banken zu zerschlagen. Ziel ist, eine Wiederholung der Finanzkrise zu verhindern. King ist, wie Simon Johnson betont, eine sehr einflussreiche Figur in den Bankkreisen. Er ist fähig, mögliche Lösungen zu artikulieren und bekommt Unterstützung von Amtskollegen in der ganzen Welt. King’s Vorschlag stossen aber weder beim PM Gordon Brown noch beim Finanzminister Alistair Darling auf Gegenliebe. Paul Volcker, der frühere US-Notenbankchef und oberste Wirtschaftsberater von Präsident Barack Obama äusserte sich hingegen gestern ähnlich wie Mervyn King. Volcker will v.a. das normale Bankgeschäft (Sparkonten, Kreditgeschäft mit privaten Kunden und Firmen) vom riskanteren Investmentbanking trennen. Er ist der Meinung, dass alle Versuche, die grossen Banken zu regulieren, fehlschlagen werden. Die Trennung war 1999 aufgehoben worden. Das gilt in den Augen von vielen Experten als eine der Ursachen der Finanzkrisen.

Die grossen Banken werden bestimmt zurückschlagen. Aber King’s Worte scheinen am Anfang einer neuen Phase der wirksamen Reformbemühungen zu stehen, die den bisherigen Konsens zu knacken drohen.

Mittwoch, 21. Oktober 2009

CDS-Spreads für G7

USA: 22 Basispunkte (0)
Japan: 43 (3)
Deutschland: 20 (-3)
Grossbritannien: 40 (-6)
Frankreich: 22 (-2)
Italien: 69 (6)

In Klammern: Die Veränderung in den vergangenen 28 Tagen.
Quelle: www.markit.com (Markit Commentary), per 20. Oktober 2009


Bei CDS (Credit Default Swaps) handelt es sich um eine Absicherung gegen ev. Kreditausfälle. Es geht also um Absicherung von Forderungen gegen das Unternehmen XY oder den Staat soundso.

Ein Anstieg der CDS-Prämien bedeutet also eine Verschlechterung der Risikowahrnehmung von Kreditqualitäten. Ein Rückgang der CDS-Prämien hingegen deutet auf eine Verbesserung der Lage hin.

Konkret: Wer eine Kreditausfallversicherung (CDS) für eine Forderung gegen Staatsanleihen z.B. Grossbritanniens abschliessen will, muss eine jährlich Prämie der versicherten Summe zahlen. Die CDS-Prämie für GB beträgt zur Zeit 40 Basispunkte. Das heisst, dass Investoren 0,40% der Summe, die sie absichern wollen, als Versicherungssumme zahlen müssen. Anleger haben also 40’000 Euro zu zahlen, um britische Staatsanleihen im Wert von 10 Mio. Euro für fünf Jahre gegen den Ausfall zu versichern.

Euro im Höhenflug: Eine Über-Währung?

Der Euro ist eine Währung auf Steroiden, schreibt Willem Buiter in seinem Blog bei FT. Prof. Buiter (an der School of Economics) deutet dabei natürlich auf die „schonungslose nominale und reale Aufwertung“ der Gemeinschaftswährung seit dem Ende des Jahres 2000 hin. Nach einem kurzen Unterbruch hat der Euro in der zweiten Hälfte 2008 wieder an Fahrt aufgenommen. Der Kursanstieg setzt sich 2009 mit aller Macht fort. Die Stärke der Währung betrifft insbesondere Sektoren im Export- und Import-Wettbewerb, bemerkt das ehemalige Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der BoE. Die übermässige Aufwertung des Euros trägt laut Buiter zu einer signifikanten und anhaltenden Unterschreitung („undershooting“) der Inflationsrate, welche nach der Definition der EZB mit Preisstabilität auf mittlere Sicht in Einklang steht, bei. Die HICP-Inflation betrug im Dezember 2008 1,60% und fiel im Mai 2009 auf Null Prozent und verharrt seitdem negativ. Was macht aber die Stärke der Über-Währung aus?, fragt Buiter. Seine Erklärung ist unverblümt: Die Unfähigkeit der Entscheidungsträger, zu verstehen oder vorherzusagen, was die Geldpolitik verstärkt, wenn es darum geht, die relativen Preise von zumindest zwei Währungen zu erklären. Buiter’s Aussage ist unmissverständlich, dass die Eurozone heute den Preis für die übertrieben restriktive Geldpolitik der EZB zahle.


Headline and core inflation in the Euro Area, Graph: Prof. Willem Buiter's Blog

Die Geldpolitik der EZB ist im Zusammenhang mit der von ihr auferlegten mengenmässigen Ausdrucksweise ihres auf EU-Vertrag beruhenden Mandants übermässig straff, hält der ehemalige Chefökonom an der „Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“ zurecht fest. Es gebe seiner Einschätzung nach keinen Zweifel, dass die EZB ihr Mandat von der Preisstabilität asymmetrisch auslegt: Während übermässige Inflation unter allen Umständen vermieden werden muss, kann übermässige Deflation toleriert und rationalisiert werden. Die Geldpolitik der EZB ist auch im Hinblick auf die geldpolitische Haltung der anderen Industrieländer, v.a. die USA, Japan und GB straff. Darf die EZB aber den Wechselkurs nicht betrachten? Natürlich darf sie das. Und die EZB ist in der Tat gemäss dem Vertrag über die Europäische Union verpflichtet, das zu tun. Nur weil sie die Preisstabilität als das vorrangige Ziel sieht, bedeutet nicht, dass sie die anderen Ziele ausser Acht lassen darf, solange die Ausübung dieser Aufgaben das Ziel der Preisstabilität nicht beeinträchtigt. Der Vertrag über die EU ist sehr klar in dieser Hinsicht, hebt Buiter hervor. Er zitiert v.a. den Artikel 105. Buiter zeigt insbesondere anhand der Asymmetrie in der Reaktion der EZB auf die Inflationsraten auf, wie willkürlich die europäischen Geldpolitiker sich manchmal auf die Headline Inflation und manchmal auf die Core Rate der Inflation stützen, mit dem Zweck, um den straffen Kurs der Geldpolitik zu rechtfertigen bzw. beizubehalten. Buiter sieht darin eine „wesentliche Gefahr für die Unabhängigkeit der Institution“. Die EZB spricht mit gespaltener Zunge, indem sie sich um die Inflation mehr sorgt als um die Deflation. Das sei eine Verletzung ihres Mandats, unterstreicht Buiter. Die EZB verfügt noch über 100 Basispunkte. Selbst wenn sie den Satz für Hauptrefinanzierungsgeschäft und den für die Einlagenfazilität um 50 Basispunkte senken würde, würde das die Chance erhöhen, über eine koordinierte Devisenmarktintervention, den Euro-Wechselkurs wirksam zu schwächen, so Buiter.

Fazit: Das Inflationsziel von höchstens 2% wirkt wie ein Dogma. Die Überbewertung der Preisstabilität durch die EZB und die migrantenfeindliche Bundesbank ist im Euroland auch für die Verschärfung der Arbeitslosigkeit verantwortlich.

Dienstag, 20. Oktober 2009

Ben Bernanke zum Wachstumsmodell Asien’s

Auf der Konferenz der Fed San Francisco zum Thema „Asia and the Global Financial Crisis“ in Santa Barbara (California) hat Ben Bernanke in seiner Rede zum Wirtschaftsmodell asiatischer Staaten klare Worte gefunden:

„Eine zu grosse Abhängigkeit von externer Nachfrage kann jedoch auch Probleme aufwerfen. Insbesondere Überschüsse im Handel, die mit Hilfe von Massnahmen erreicht werden, die künstlich Anreize fürs Sparen und die Herstellung von Exportgütern im Inland schaffen, verfälschen die Allokation von Ressourcen, die sich in einer Wirtschaft niederschlagen, die weniger in der Lage ist, Bedürfnisse der eigenen Bürger auf längere Sicht zu erfüllen. Um mehr ausgewogenes und dauerhaftes Wirtschaftswachstum zu erreichen und das Risiko der finanziellen Instabilität zu verringern, müssen wir ständig wachsende und nicht nachhaltige Ungleichgewichte in den Handels- und Kapitalströmen vermeiden“.


Global Merchandise Exports, Graph: Ben Bernanke, Fed, Oct. 19, 2009, Santa Barbara

Als Schlussfolgerung bemerkte Bernanke folgendes: „Die USA müssen ihre Sparquote erhöhen. Wir müssen Instrumente zur Erhöhung der privaten Ersparnisse einsetzen. Der effektivste Weg, dieses Ziel zu erreichen, ist, einen nachhaltigen finanzpolitischen Kurs zu verfolgen, durch ein klares Bekenntnis, im Laufe der Zeit die öffentlichen Defizite zu verringern“. Addressiert an die Länder mit Handelsbilanzüberschuss sagte Fed-Chef: „Für ihren Teil müssen die Behörden der Länder mit Überschuss einschliesslich der meisten asiatischen Volkswirtschaften die Lücke zwischen Ersparnissen und Investitionen schliessen und die Binnennachfrage ankurbeln. Zum grossen Teil sollten sich solche Massnahmen auf die Steigerung des privaten Verbrauchs konzentrieren“.

Hat Tip to Paul Krugman.

Barron’s Schlagzeile

Das renommierte amerikanische Anlegermagazin Barron’s titelt in der aktuellen Ausgabe: „C’mon, Ben!“. „Es ist Zeit für die Fed, aufzuhören, über eine „Exit-Strategie“ zu reden“, heisst es im Aufruf in Richtung Fed-Chef Ben Bernanke. Barron’s fährt weiter: Die Fed soll beginnen, eine Exit-Strategie umzusetzen. Es gebe keinen Bedarf dafür, dass die kurzfristigen Zinsen auf nahe Null bleiben. Jetzt erhole sich die Wirtschaft wieder. „Der Aufruf zum Handeln ist klar: Gold, Öl und andere Rohstoffe steigen. Der Dollar fällt und die Börse legt zu“.

Was ist aber mit Arbeitslosigkeit?, fragt Paul Krugman zurecht in seinem Blog.

Krugman nennt es eine moderne Version der Goldstandard-Mentalität, die auf eine vorzeitige Straffung der Geldpolitik hinaus ist. Die Falken der Geldpolitik finden immer einen Grund, die Zinsen zu erhöhen. Man darf in diesem Zusammenhang die dümmste Handlung der EZB nicht vergessen: Die Zinserhöhung im Juli 2008.

US-Staatsanleihen: Nachfrage bleibt robust

Das amerikanische Haushaltsdefizit steigt auf 1'000 Mrd. $. Das Schatzamt verkauft eine Rekordsumme an Anleihen. Der Dollar fällt auf den niedrigsten Stand seit August 2008. Aber Anleger können nicht genug von US-Treasuries bekommen. Ausländische Investoren haben ihre Bestände an US-Staatsanleihen den vierten Monat in Folge erhöht, und zwar auf ein Allzeithoch von 3'450 Mrd. $. Das belegen die aktuellen Daten des US-Finanzministeriums, die am 16. Oktober freigegeben worden sind. Die US-Nachfrage wird durch die steigende Sparquote angetrieben. Anleihen-Fonds haben dieses Jahr laut Bloomberg 18 mal mehr Gelder angezogen als Aktien-Fonds.


US-Treasuries, Foreign Holdings, Graph: Bloomberg.com

Anleiheninvestoren sehen keinen Grund, US-Staatsanleihen fallen zu lassen, da sie davon ausgehen, dass die Fed auf Zinserhöhung verzichten wird, zumindest bis in das zweite Halbjahr 2010. Der US-Dollar-Index ist indes von seinem Höchststand am 4. März um 15% abgesackt. Das stört offenbar nicht. Investoren scheinen sich sogar in der Lage zu sehen, US-Treasuries jetzt günstig zu kaufen, ohne sich Sorgen um eventuelle Zinsschritte zu machen, welche die Volatilität erhöhen und die Erträge schmälern würden.

Montag, 19. Oktober 2009

Bank of Israel: Wechselkurspolitik

Die BoI macht heute in einer Mitteilung auf die „ungeordnete Verhältnisse am Devisenmarkt“ und die „ungewöhnlichen Wechselkursschwankungen, die nicht fundamentale Wirtschaftskonditionen widerspiegeln“ aufmerksam und fügt hinzu, dass sie kein bestimmtes Wechselkursziel verfolgt. Die Bank verlässt sich auf Schätzungen, die als Gleichgewichtswechselkurs des Schekels gelten, basierend auf Bestimmungsgrössen der Zahlungsbilanz der Wirtschaft. Diese Schätzungen verändert sich in der Regel im Verlauf der Zeit. Es gibt daher einen signifikanten Bereich der Unsicherheit um die Schätzungen des Gleichgewichts, erläutert die BoI. Darüber hinaus sind Abweichungen vom geschätzten Gleichgewichtswechselkurs allgegenwärtig und sind manchmal anhaltend, so die BoI in der heutigen Pressemitteilung. Wenn die BoI Veränderungen im Wechselkurs des Schekels erwäge, betrachte sie nicht nur den Wechselkurs gegenüber dem Dollar, sondern auch den Wechselkurs gegenüber anderen Währungen, insbesondere dem Euro.


Israel’s Foreign Trade, Sept 2009, Graph: Central Bureau of Statistics

Da der Dollar sich im vergangenen Jahr gegenüber den meisten Währungen erheblich abwertete, hat sich der effektive Wechselkurs des Schekels gegenüber dem Dollar weniger aufgewertet als der nominale Wechselkurs. In den vergangenen sechs Monaten hat sich der Schekel um 10,6% gegenüber dem Dollar aufgewertet. Effektiv hat aber der Schekel nur um 3,2% an Wert gewonnen. Es sei wichtig, dass alle Marktteilnehmer mit Exposures an den Devisenmärkten wie z.B. Exporteure, Importeure, Kreditnehmer, Kreditgeber und Investoren der Unsicherheit über die Entwicklung der Wechselkurse weiterhin Rechnung tragen und sich gegen erwartete und unerwartete Schwankungen absichern. Darüber hinaus werde die ausländische Konkurrenz zunehmend effizienter, warnt die BoI. Da Israel zunehmend in die Weltwirtschaft integriert ist, müssen alle Sektoren sich kontinuierlich an die globalen Bedingungen anpassen, v.a. durch Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, so die heutige Botschaft der israelischen Währungshüter an die Unternehmen des Landes.

Die BoI werde im Rahmen ihrer Verantwortung für die Geldpolitik im Zusammenhang mit ihren Zielen (Preisstabilität, Förderung des Wirtschaftswachstums und der Beschäftigung, Stabilität des Finanzsystems) die Entwicklungen an den Devisenmärkten weiterhin wachsam verfolgen. Die Notwendigkeit einer Intervention trete relativ selten auf, nur in aussergewöhnlichen Umständen.

Fazit: Die BoI hat derzeit aus prinzipiellen Gründen nicht vor, in den Devisenmarkt einzugreifen. Unternehmen sollen dies zur Kenntnis nehmen. Die aussergewöhnlichen Schwankungen an den Devisenmärkten sind z.Z. die Folge der anhaltenden Finanzkrise.

Globale Ungleichgewichte

Die Phrase „globale Ungleichgewichte“ ist z.Z. in aller Munde, v.a. wenn es darum geht, grundsätzliche Vorschläge zur strukturellen Lösung der anhaltenden Finanzkrise zu unterbreiten. Experten sind sich einig darin, dass einerseits Amerikaner übermässig konsumieren und andererseits Chinesen übermässig sparen. Während die migrantenfeindliche deutsche Bundesbank über die türkischen Gemüse- und Obsthändler in Berlin herzieht, mahnt die EZB die USA an, zu einem starken US-Dollar zu stehen. Es sei wichtig für die Stabilität der globalen Wirtschaft, dass die Amerikaner sich zu einer Politik des starken Dollars verpflichten, so EZB-Chef Jean-Claude Trichet laut Bloomberg. Euroland ist also fest entschlossen, keine Dollar-Abwertung hinzunehmen.

Auch China ist nicht erfreut über einen drastischen Dollar-Verfall, weil es für sein Exportgeschäft abträglich ist. Tim Geithner, US-Finanzminister sagt: „Wir haben eine strong dollar policy“. Wenn also niemand eine US-Dollar-Abwertung will, was eigentlich die Standard-Lösung für ein Handelsbilanzdefizit wäre, wie James Kwak in The Baseline Scenario bemerkt, was bedeutet es denn, gegen globale Ungleichgewichte zu sein? Die EU beschwert sich über das Handelsbilanzdefizit und den übermässigen Verbrauch der Amerikaner. Aber europäische Entscheidungsträger tun sich selber schwer damit, durch expansive Fiskalpolitik die Nachfrage im Euroland anzukurbeln. Die sich abzeichnende Koalitionsregierung in Deutschland scheint an dem einseitig exportorientieren Wachstumsmodell flankiert durch Lohndumping und Sozialabbau unumstösslich festhalten zu wollen. Eine makroökonomische Inkonsistenz hängt also wie ein Schleier über die globalen Ungleichgewichte. James Kwak nennt die Debatte „Kognitive Dissonanz“.

Wall Street: Zurück ins Spielcasino

Das Schlimmste scheint ausgestanden zu sein, aber die Wirtschaft wankt immer noch. Die Gefahr einer Beinahe-Depression wurde dank Staatsausgaben abgewendet. Vergangene Woche präsentierten Goldman Sachs (3,2 Mrd. $) und JP Morgan (3,6 Mrd. $) aufsehenerregende Quartalsgewinne. Während Banken im Geschäft mit Trading wieder Milliardengewinne einfahren, vermelden die Banken im Kreditgeschäft wie z.B. Bank of America und Citigroup hohe Verluste. Zugleich trennen sich Banken vom Staatsgeld demonstrativ, und schütten erneut hohe Bonus aus, sogar höher als im Jahre 2007. Die Gewinne steigen, aber der Stellenabbau setzt sich fort. Viele Menschen verlieren den Job und das Haus. In diesem Zusammenhang deutet Paul Krugman in seiner Montagskolumne in New York Times, dass die US-Administration, allen voran der am Anfang donnernde Kritiker Lawrence Summers nun dazu übergegangen sei, die Finanzindustrie schonend zu behandeln, indem er darauf hofft, dass die Banken sich wieder aufrappeln.

Warum hat sich aber der Ton geändert? Weil die Finanzindustrie nach dem Erhalt einer gigantischen Rettungssumme an Geldern von Steuerzahlern nun gegen die seriösen Reformbemühungen heftig wettert. In der ersten Phase der Krise wurde Main Street für die Untaten der Wall Street bestraft, so Krugman. Jetzt zahlt sich das im negativen Sinne aus. Die anhaltende hohe Arbeitslosigkeit führt zu grossen Verlusten auf Hypotheken und Kreditkarten. Die fortwährende Schwäche vieler Banken trägt dazu bei, dass sich die Not in Wirtschaftlich verfestigt. Die Banken zögern, Kredite zu gewähren, insbesondere an kleinere Unternehmen. Summers weigert sich, mehr staatliche Hilfe für Banken (im Kreditwesen) bereitzustellen. Krugman ist daher der Meinung, dass der Zeitpunkt der politischen Gelegenheit für radikale Massnahmen für die Bankbranche inzwischen verpasst wurde. „Dennoch brauchen wir eine wirksame Finanzreform“, schreibt Krugman weiter. Denn wenn wir nichts tun, werden Banken wieder noch grössere Risiken eingehen als im Vorfeld der Krise. Die Lehre aus den letzten Monaten war nämlich: „Wenn die Banken anfangen, mit dem Geld anderer Leute zu spielen, heisst es: Kopf; die Banken gewinnen. Zahl; der Rest von uns verliert“.

Derivatemarkt: Regulierung mit Schlupflöchern

Der unregulierte Markt für ausserbörslichen Derivatehandel war eine grundsätzliche Ursache für die Kernschmelze am Finanzsystem. Die Regulierung des Derivatehandels, der ein Volumen von über 590'000 Mrd. $ hat, ist nach der staatlichen Rettung des Versicherungskonzerns AIG im September 2008 nun von entscheidender Bedeutung. Am 15. Oktober passierte ein Gesetzentwurf (Frank-Plan; genannt nach dem Vorsitzenden des Finanzausschusses Barney Frank) das Financial Service Committee des Repräsentantenhauses. Es geht im wesentlichen um zwei Aspekte: (1) Teilnehmer am Derivatemarkt sollen Sicherheiten hinterlegen. (2) Die Einrichtung einer zentralen Gegenpartei (Central Counterparties = CCPs), die das Kontrahentenrisiko übernehmen soll.

Gefordert ist, dass viele Swaps wie Aktien an der Börse gehandelt werden. Das Marktvolumen für CDS (Credit Default Swaps) beträgt 42'000 Mrd. $. Der Gesetzentwurf sieht aber Ausnahmen vor, was die regulatorische Wirkung untergraben würde. Im August hatte das Weisse Haus, wie Gretchen Morgenson in New York Times berichtet, den ersten Vorschlag an den Kongress geschickt, mit der Empfehlung, dass alle standardisierten Kontrakte an der Börse gehandelt werden sollen. Das Lobbying aus Banken wettert dagegen, weil wenn die Kontrakte das Tageslicht erblicken, (1) die Identität der Teilnehmer öffentlich, d.h. transparent werden wird und (2) es kostet, wenn die Teilnehmer Sicherheiten hinterlegen müssen, was Gewinne von Banken schmälern würde. Sie wollen lieber, dass die Steuerzahler die Zeche zahlen, wie im Rettungsfall von AIG geschehen ist. Eine wichtige Ausnahme im Gesetzentwurf ist ferner, dass der Handel, wenn es um eine Transaktion eines Unternehmens geht, das Swaps einsetzt, um seine Geschäftsrisiken auszugleichen, nicht an die Börse gebracht werden muss. Das Unternehmen wird dabei als „end user“ (Endverwender) bezeichnet. Das Problem ist, wer unter die Kategorie „end user“ fällt, nicht klar definiert ist. Ein Hedge Fonds oder eine Private Equity Firma könnte sich selbst als „end user“ bezeichnen und damit der Kontrolle entziehen. Eine weitere fragwürdige Ausnahme ist, wie Morgenson beschreibt, dass ein börsengehandeltes Swap vom Clearinghouse (zentrale Kontrahentenstelle) als „clearable“ betrachtet werden muss. Die Clearinghäuser sind aber zum Teil im Besitz von Banken. Das heisst, dass sie sich bestimmt nicht selber auf die Finder schauen würden. Es besteht also durchaus die Gefahr einer "Clearing-Befreiung", falls der Gesetzentwurf nicht von Ausnahmen bereinigt werden würde.

Fazit: Es gibt so viele Schlupflöcher, dass die Regulierung sich für die Finanzwelt grösstenteils vermeiden lässt. Nicht nur die standardisierten OTC Produkte, sondern alle derivative Produkte sollten der Regulierung unterliegen.

Weitere Einträge zum Thema Derivate-Regulierung in diesem Blog:
Derivate Regulierung und Warum Wall Street Reformen zum Stillstand kommen und Derivate Trading: OCC Bericht.

Sonntag, 18. Oktober 2009

Dow Jones knackt 10'000 Punkte Marke

Der Dow Jones hat diese Woche die 10'000 Punkte Marke wieder geküsst. Im Übrigen hat der Index diese „psychologisch wichtige“ Marke von 10'000 Zählern seit 1999 mehr als 25 mal gesehen. Eine Zahl, die im Grunde genommen qualitativ nichts Besonderes bedeutet. Warum interessiert uns das aber? Weil Experten Anlegern weissmachen wollen, dass sie sich um den Zeitpunkt für den Einstieg in den Aktienmarkt nicht kümmern müssen. Das hört sich gut an, ist es aber nicht. Das Verkaufsargument geht etwa so weiter: Wenn jemand ein Renditeziel von 7% verfolge, komme er um Aktien nicht herum. Mit „Zielsetzung“ spielt also der Zeitpunkt für eine Anlage keine Rolle. Und das nennt der Fachmann „Strategie statt Taktik“. Das ist natürlich Unsinn. Am Anfang der Überlegungen sollte auf alle Fälle Diversifizierung stehen. Denn jährlich eine bestimmte Rendite als Ziel anzustreben, ist kontraproduktiv.


Dow Jones Index, Graph: finance.yahoo.com

Es bedeutet, dass der Anleger sich nur noch daran (Zielrendite) orientiert, und die wichtigste Aufgabe aus den Augen verliert: optimale Asset Allocation. Entscheidend ist daher nicht die kurzfristige, sondern die langfristige Rendite. Und der Anleger sollte seine Anlagestrategie immer wieder einer kritischen Überprüfung unterziehen. Im heutigen besonders widrigen Marktumfeld gilt, lieber 10% Verlust zu vermeiden, als 10% Gewinn zu erzielen. Der Erfolg basiert auf Talent und gesundem Menschenverstand, und lässt sich nicht mit vorgefertigten mathematischen Modellen herbeiführen.

PS: Was die Zusammensetzung von Dow Jones betrifft: Die Citigroup und General Motors sind inzwischen raus, Travelers und Cisco sind rein. Was wäre passiert, wenn die erst genannten noch im Index vertreten worden wären?

Samstag, 17. Oktober 2009

Finanzkrise und Medien: Kritische Distanz?

Irgendwie scheint die Dringlichkeit der makroökonomischen Probleme bei der Berichterstattung der Medien über die Finanzkrise unterzugehen. Meinungsmache bestimmt das Schwergewicht. Die Presse reduziert die Finanzkrise und die Rezession in erster Linie auf politische Machtkämpfe: „Konjunkturpaket“, „Bailouts“, „Markt ist Lösung“, „Staat ist Problem“ usw. stehen zumeist im Mittelpunkt, nicht aber die Probleme in der Realwirtschaft. Seitdem die Aktienmärkte sich erheblich erholt haben, ist die Versorgung der Öffentlichkeit mit Fakten über den Zustand der Wirtschaft nur noch eine Mangelware geworden. Yves Smith zeigt in Naked Capitalism via James Kwak in Baseline Scenario, wie ein grosser Teil der Mainstream-Medien derzeit dem Thema „alles ist OK“ bzw. „business as usual“ verfallen ist.

Yves Smith diskutiert eine psychologische Studie, die aufzeigt, dass Menschen leicht beeinflusst werden können, an Dinge zu glauben, die nicht wahr sind, einfach weil die Menschen um sich herum an diese Dinge zu glauben scheinen. Frau Smith führt dieses Phänomen auf zwei Hauptquellen zurück: (1) die stetige Entwicklung des Journalismus in ein gewinnorientiertes Unternehmen, welches sich nicht mehr leisten kann, massiv in investigativen Journalismus zu investieren, und (2) die zunehmende Fähigkeit der Politiker, dem Vorbild der privaten Unternehmen folgend, die Botschaften, die über die Medien übetragen werden, zu kontrollieren. Die Bush-Administration war z.B. in Punkt (2) ein Meister.

Das Hauptproblem in dieser Geschichte ist, wie James Kwak hervorhebt, dass die Regierungen sich ermutigt fühlen, zu vermeiden, dass die Schwachstellen am Finanzmarkt und im politischen System bewältigt werden. So hat sich bisher im eigentlichen Sinne gar nichts geändert. Eine äusserst schwere Rezession wird minimiert und dadurch impliziert, dass kaum etwas getan werden muss, um Millionen von Menschen, die von der Krise hart betroffen sind, zu helfen. Das ist aber die Botschaft, die die Regierungen verbreiten. Wie Kwack bemerkt, gibt es nur ein paar verrückte Menschen, die ihre Freizeit damit verbringen (oder darf man sagen zubringen), via Blogs wachsam und unabhängig darüber zu berichten. Das ist auch diesseits des Atlantiks nicht anders. Die Medien werden von der Herrschaft der Meinungsmache überrannt. Wie Albrecht Müller in seinem ausgezeichneten Buch „Meinungsmache“ überzeugend darlegt, ist die Berichterstattung hierzulande „durch die Nähe und Kooperation mit Wirtschaft und Verbänden geprägt, statt durch Vorsicht und Abstand“. Die Medien haben wegen der engen Interessenverpflechtung mit der Finanzwelt kläglich versagt. Lediglich Blogs leisten kritische Beiträge zur Aufklärung der Finanzkrise.

Alan Greenspan zum Thema TBTF

„Wenn sie zu gross zum Scheitern sind, dann sind sie zu gross“, sagte Alan Greenspan laut Bloomberg. Der ehemalige Fed-Präsident fuhr fort: „Im Jahre 1911 brachen wir Standard Oil auf. So, was ist passiert? Die einzelnen Teile wurden noch wertvoller als das Ganze. Vielleicht ist das, was wir tun müssen“.

Einfach unfassbar! Das ist aus dem Munde des Mannes, der während seiner Amtszeit bei der Fed hemmungslos dem Dogma „Markt regelt alles“ folgte und sich vehement für fortwährende Deregulierung einsetzte.

TBTF = Too big to fail (zu gross zum Scheitern).

Behörden schliessen die 99. Bank in diesem Jahr

Die US-Aufsichtsbehörden haben am Freitag laut Washington Post eine Bank in California geschlossen: San Joaquin Bank. Damit ist die Anzahl der Banken, die in diesem Jahr im Zuge der Krise dichtgemacht haben, auf 99 gestiegen. Die FDIC schätzt die Kosten der Schliessung für die öffentliche Hand auf rund 103 Mio. $. Die in Bakersfield ansässige Bank verfügt über Vermögenswerte über 775 Mio. $ und über Einlagen von 631 Mio. $. Das Geld der Sparer ist nicht gefährdet. Die Einlagen der Sparer sind bis zu 250'000 $ pro Konto geschützt.

Bankpleiten:
2009: 99 Banken
2008: 25
2007: 3

Die Zahl 99 repräsentiert im Grunde genommen nicht vollständig die Tiefe der Krise, in der die Banken stecken. Viele weitere Banken sind so schwach, dass sie hätten stillgelegt werden können. Sie befinden sich in einem Übergangsstadium. Die FDIC hat sie angemahnt, ihre Bilanzen in Ordnung zu bringen. Die anhaltende Rezession macht es aber schwieriger, das notwendige Kapital zu besorgen oder Vermögenswerte zu veräussern. Die Anzahl der Banken, die auf der Problemliste der FDIC erscheinen, ist von 305 Ende Juni auf 416 im ersten Quartal geklettert. Das ist der grösste Anstieg seit Juni 1994. Laut FDIC schlagen rund 13% der Banken auf der Liste fehl.

Freitag, 16. Oktober 2009

Global Economic Outlook: Ein Panel in Seoul

Jim Rogers, Stephen Roach, Paul Krugman, Nassim Nicholas Taleb und Takatoshi Kato haben am Mittwoch als Panelist an einem Forum in Seoul teilgenommen: „One Asia - The 10. World Knowledge Forum” fand unter dem Motto statt: “Recovery Ahead? Global Economic Outlook 2010”. Es gab viele verschiedene Vorschläge. Aber die teilnehmenden Experten waren sich darin einig, dass eine schnelle Erholung der Wirtschaft unwahrscheinlich ist.

Trotz der steigenden Haushaltsdefizite in den westlichen Regierung hat Paul Krugman geraten, mit der expansiver Finanzpolitik nicht aufzuhören. „Es macht Sinn, dass die Staaten sich verschulden. Die Rolle der Staaten besteht darin, in der Wirtschaft, die sich nicht synchron bewegt, als einen grossen Akteur aufzutreten. Die Staaten können der Wirtschaft beistehen, indem sie genau das Gegenteil von dem tun, was der Markt tut“, so Krugman zusammenfassend.

Nassim Nicholas Taleb sieht die Krise als ein Indikator für die zunehmende Komplexität der Weltmärkte und „unsere Unfähigkeit, damit umzugehen, wenn etwas schief läuft“. Seiner Ansicht nach erhöhen versteckte Risiken im System und die hohe Verschuldung die Volatilität und das Risiko. Es sei bisher wenig getan worden, um das System zu ändern, uns vor Gefahren von extremen Abweichungen, die er als „fat tails“ bezeichnet, zu schützen. „Wir haben heute noch die gleichen Risiken wie vor einem Jahr“, ergänzte Taleb, der Autor des Buches „Der Schwarze Schwan“ seine Ausführungen. Nichts sei getan worden, um die Verschuldung zu senken und die Banken zu zwingen, ihre Schulden in Eigenkapital umzuwandeln.