Sonntag, 11. April 2010

INET: Die ökonomische Krise und die Krise der Ökonomie

Auf der ersten Konferenz des Institutes für „New Economic Thinking“ (kurz: INET) auf dem Campus des King’s College der Uni Cambridge trafen sich rund 200 renommierte Ökonomen (darunter einige Nobelpreisträger und Mainstream-Ökonomen) und Praktiker. Der Gründer des INET ist der US-Investor George Soros, der dafür 50 Mio. $ zur Verfügung gestellt hat. Eine kurze, gute Zusammenfassung der Konferenz liefert Marco Zanchi heute in der SonntagsZeitung („George Soros stösst neue Ökonomie an“). Beim heute zu Ende gehenden Ökonomengipfel in Cambridge waren keine Deutschen dabei. Thomas Fricke, FTD erklärt hier genau, warum. Prof. Robert Skidelsky vertrat die Ansicht, dass die Krise in einem Versagen der Ideen wurzelt. In einem beachtenswerten Beitrag („Interpreting the Great Depression: Hayek versus Keynes“) stellte Lord Skidelsky die Ideen und Konzepte von John Maynard Keynes und Friedrich von Hayek gegenüber. Hayek war ein Walrasian, bemerkt er.

Unter der Annahme der vollständigen Informationen und des perfekten Wettbewerbs ist der Markt geräumt. Walras betrachtete die Wirtschaft als ein System simultaner Gleichungen. Wirtschaft als Mechanismus. Das ist (war) die Grundlage der Modellbildung. Entscheidungen, zu sparen, waren Entscheidungen, auf den Konsum in der Gegenwart zu verzichten, um einen höheren Konsum in Zukunf zu sichern. Der Zinssatz war der „natürliche Wechselkurs“ zwischen den gegenwärtigen und künftigen Gütern. Änderung des Zinssatzes hatten eine Signalwirkung an die Erzeuger zwischen der Produktion von Konsum und den Vorleistungsgütern oder „intermediate goods“, wie Hayek sie nannte. Das war das Fundament der „Austrian Theorie“ von Kapital und Zins, so Skidelsky. Der Campus der Uni Cambridge war der Ort, an dem Keynes und Hayek darüber debattierten, welche Lehren aus der Grossen Depression zu ziehen waren. Mit unterschiedlichen theoretischen Hintergründen können beide Ansprüche darauf erheben, die Krise vorausgesehen zu haben, aber nicht im Sinne der Vorhersage, wann es passieren würde, sondern was die Aufdeckung von Bruchstellen in der „vor Depression Wirtschaft“ betrifft im Hinblick auf einen wahrscheinlichen Zusammenbruch früher oder später, erklärt Skidelsky. Hayek argumentierte im Frühjahr 1929, dass ein schwerer Rückschlag für den Handel unvermeidbar war, weil die im Juli 1927 durch die Fed eingeleitete „easy-money“-Politik den Boom zwei Jahre verlängert habe, nachdem dieser hätte zu Ende gehen sollen. Der Zusammenbruch war laut Hayek durch Überinvestitionen in Wertpapieren und Immobilien verursacht, finanziert durch Kreditschöpfung, so Skidelsky. Keynes dachte im Herbst 1928 auf derselben Grundlage, dass die Gefahr in der von der Fed 1928 eingeleiteten „dear money“-Politik lag, um dem „Asset-Boom“ entgegenzuhalten. Keynes argumentierte, dass Ersparnisse reichlich vorhanden waren. Es gab keine Hinweise auf Inflation. Die Gefahr war genau das Gegenteil, von dem Hayek prognostizierte. Wenn zu lange versucht wird, die spekulative Position durch „dear money“ zu kontrollieren, dann kann es gut sein, dass das „dear money“ durch die Hemmung (Kontrolle) von neuen Investitionen zu einer allgemeinen Depression führt, zitiert Skidelsky den Meister Keynes. Nach Hayek entstand die Depression, weil Investitionen höher waren als Ersparnisse(„investment running ahead of saving“). Nach Keynes, weil Ersparnisse höher waren als Investitionen („saving running ahead of investments“). Der lockere Umgang der beiden Herren mit der Definition von „Erparnissen“ und „Investitionen“ lässt ihre Botschaft etwas im Dunkeln, kommentiert Skidelsky. Seine Schlussfolgerung erfolgt, was die Hayek-Keynes Debatte betrifft, im Zusammenhang mit der Geschichte des ökonomischen Denkens.

Für diejenigen, die denken, dass die Marktwirtschaft sich optimal selbstreguliert, ist ein Zusammenbruch, wie wir sie gerade erleben, nur durch äussere Schocks möglich. Das ist die Einstelllung für die „Geldschwemme“-Erklärung, stellt Skidelsky klar. Das Argument ist so, dass die lockere Geld- und Fiskalpolitik Amerikaner aktiviert hat, über ihre Verhältnisse zu leben. Alan Greenspan, dem ehem. Fed-Chef wird daher vorgeworfen, die Zinsen „zu niedrig zu lange“ gehalten zu haben, was eine Spekulationsblase hat entstehen lassen, bis sie platzte. Die alternative These ist die von „Erparnisschwemme“ von keynesianischer Auffassung, wonach der Zusammenbruch durch „saving running ahead of investment“ verursacht wurde. Die Ursprünge der Krise liegen demnach in hohen Ersparnissen in der Region Ostasien, unzureichend kompensiert durch neue Investitionen in den USA. Gemeinsam ist den beiden Thesen, dass der Verbrauch durch Verschuldung ermöglicht wurde. Während die erste These die „Überinvestitionen“ (oder in der Sprache von Hayek: „malinvestment“) als Ursache sieht, betrachtet die zweite These den "Überschuss an Ersparnissen" (v.a. in China), die nicht von realen Investitionen ausgeglichen wurden, als Ursache der Krise.

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