Sonntag, 6. Juni 2010

Makroökonomie und Finanzkrise

Mark Thoma fasst in einem lesenswerten Eintrag in seinem Blog den aktuellen Disput zwischen Tyler Cowen und Scott Sumner über den Stellenwert der Geld- und Fiskalpolitik während einer Krise zusammen. (1) Tyler Cowen sagt, dass die Neu-Keynesianer wie Brad DeLong, Paul Krugman und Mark Thoma sich für Finanzpolitik einsetzen. Er aber denke, dass die Geldpolitik die bessere Wahl sei, (2) Mark Thoma hat darauf geantwortet, dass die Geldpolitik unter Zeit-Konsistenz Probleme leide, was die Fiskalpolitik nicht hat. Und das ist einer der Gründe, warum Thoma der Fiskalpolitik den Vorzug gibt. Es gibt Wege, so Thoma, die Geldpolitik wiederzubeleben. Aber sie sind unsicher. Er weist darauf hin, dass auch die Fiskalpolitik Unsicherheiten hat. Seine Wahl sei daher, nicht auschliesslich von einem Instrument abhängig zu werden, sondern beide Arten von Politik zu verfolgen. (3) Scot Sumner sagt darauf hin, dass auch die Fiskalpolitik Probleme hat.


Multiplikator, Graph: Michael Woodford, Columbia University, Jan. 27, 2010

(4) Mark Thoma hat darauf so reagiert, dass das Modell, mit dem er arbeite, von keinem der Probleme, die Sumner anspricht, betroffen sei. Diese mögen in anderen Modellen Probleme darstellen, und andere Menschen sind frei, solche Modelle zu nutzen, wenn sie denken, dass sie besser sind. Aber das ändert die Tatsache nicht, dass innerhalb der Modelle, die Mark Thoma verwendet, keine Probleme anwesend sind. (5) Scot Sumner antwortet darauf, indem er sagt, dass er ein anderes Modell benutze. Er habe sogar gestern beim Verfassen seines ursprünglichen Eintrages auf der Stelle ein Modell präsentiert. Das Modell ist aber in einer grossen Menge an Text begraben und der Punkt, den er macht, nicht klar, so Thoma.

„Es ist i.O., mit einem anderen Modell zu arbeiten. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass ich Modelle benutze, die ihre Probleme haben und dass es eine legitime Debatte darüber geben kann, welche Art von Modell das beste ist. Aber irgendwann muss man sich auf ein Modell einstellen und es verwenden, um die Fragen zu beanworten, und zwar ein Modell, das sorgfältig spezifiziert und gründlich untersucht ist, und sich nicht jeden Tag ändert“, erklärt Thoma. Angenommen habe ich es richtig eingerichtet. Eine Möglichkeit, Scott’s Einwände auf die Modelle, die ich benutze, aufzuzwingen, ist, die Annahme, dass die Fed ein strenges Inflationsziel (inflation targeting) verfolgt. Das heisst, dass die Fed es nie zulässt, dass die Inflation vom Ziel abweicht. Die Inflation ist also in dem Modell immer Null, es sei denn die Null-Grenze für den nominalen Zinssatz ist erreicht. Thoma stützt diese Auslegung auf die folgende Erklärung von Scott ab: „Wenn die Leute glauben, dass die Fed die Absicht hat, die Kerninflation für die nächsten 10 Jahre bei 1,0% pro Jahr zu halten, dann gibt es wirklich nicht viel Spielraum für die Fiskalpolitik.
Woodford beschreibt es so, was in diesem Fall in normalen Zeiten passiert, das heisst, wenn die Fed ein strenges „inflation targeting“ an den Tag legt und der Zinssatz über Null liegt: „Angenommen unterhält die Zentralbank ein strenges Inflationsziel (als Beispiel einer weiteren einfachen Hypothese über die Geldpolitik). Im Fall des Calvo-Modells der Preisanpassung verlangt die Aufrechterhaltug einer Null Inflationsrate, dass in jeder Zeitperiode pt = Pt ist. Unter dieser Politik ist die Gesamtleistung (aggregate output) Yt dieselbe Funktion von Gt als im Fall von flexiblen Preisen und und der Multiplikator ist durch die Gleichung (1.7) gegeben. Nocheinmal: Dieses Ergebnis hängt nicht von den genauen Einzelheiten des Calvo-Modells der Preisanpassung ab“.

Die Gleichung (1.7) ist der Multiplikator im klassischen Modell mit voller Preisanpassung und er ist unbedingt weniger als eins. Wenn also die Fed ein bestimmtes Inflationsziel verfolgt, und die Preise „sticky“ sind, ist das Ergebnis dasselbe wie wenn Preise völlig flexibel wären. So wird die Fiskalpolitik unter strenger Inflationssteuerung nicht wirksam, in Zeiten, wenn die Zinsen über Null liegen. Wenn in normalen Zeiten die Staatsausgaben erhöht werden, steigt die Inflation und es wird ein starker Anstieg der realen Zinsen erforderlich, um die Inflation zu einem Zielwert zurückzuführen. Der starke Anstieg der realen Zinsen gleicht die Zunahme der Wirtschaftsleistung, die durch die Erhöhung der Staatsausgaben geschehen war, aus. Und das macht den Multiplikator in diesem Fall kleiner. Unter vernüftigen Parametern kann die Fiskalpolitik wirklich nicht viel richten“, so Thoma. Insbesondere ist der Multiplikator mit strengerem „Inflation Targeting“ kleiner als eins. Folgt die Fed der Taylor-Regel (statt Inflationssteuerung), dann ist der Multiplikator grösser, aber immer noch weniger als eins. Wenn die Geldpolitik einen konstanten Realzins aufrechterhält anstatt Taylor-Regel, dann ist der Multiplikator gleich eins, erklärt Thoma. Das heisst, dass in normalen Zeiten „sticky price“-Modelle fiskalpolitische Multiplikatoren in der Grössenordnung von weniger oder gleich eins vorhersagen, wobei die genaue Grössenordnung von der Regel abhängt, der die Fed folgt. Das heisst, wie der Realzins auf fiskalpolitische Veränderungen reagiert. Diese Werte sind ähnlich wie jene, die wir von aktuellen Schätzungen kennen, wenn die Zinsen über Null liegen. So, entgegen dem, was viele Menschen glauben, unterstützen die Schätzungen von Multiplikatoren von weniger als eins, die man von Daten aus Zeiten gewinnt, wo die nominalen Zinssätze über Null liegen (z.B. Kriegsperioden), tatsächlich neu-keynesianische Modelle, legt Thoma dar.

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