Montag, 14. Juni 2010

Warum Zinsen nicht steigen müssen

Raghuram Rajan liefert nun im Angesicht der hohen Arbeitslosigkeit eine weitere Erklärung für seine Forderung nach einer Anhebung der Zinsen. Vermutlich als Reaktion auf Mark Thoma. Es ist gut, zu sehen, dass Rajan jetzt seine Karten auf den Tisch legt, bemerkt Paul Krugman in einem extrem scharfsinnigen Essay in seinem Blog am Sonntag. Aber was er sagt, bestätigt nur Krugmans Gefühl, dass „wir vielmehr über eine Art psychologisches Bedürfnis reden, zäh zu sein, als die Art von Analyse, die man von gut ausgebildeten Ökonomen erwarten würde“, so Krugman. Rajans Argumente laufen auf zwei Behauptungen hinaus: (1) Steigen die Zinsen ein wenig, beeinträchtigen sie Investitionen nicht erheblich, und (2)unnatürlich niedrige“ Zinsen verzerren die Preise von Vermögenswerten.


Fed Funds Future Contracts, Graph: Fed St. Louis, June 2010

Die beiden Behautungen sind im Wesentlichen widersprüchlich, erklärt Krugman. Wenn die Differenz zwischen den aktuellen Zinsen und den Sätzen, die Rajan sich wünscht, trivial ist, wie kann der gleiche Unterschied zu grossen Verzerrungen an den Finanzmärkten führen? Sollen wir glauben, dass eine Zinssatzänderung ,die für die Unternehmen überhaupt nichts ausmacht, was reale Investitionsentscheide betrifft, irgendwie enorme Auswirkungen auf die Spekulanten hat? Und sind es nicht die Preise für Vermögenswerte, die für reale Investitionen von Bedeutung sind? Es ist in diesem Zusammenhang wichtig, sich zu merken, dass nur weil Zinssätze für sichere Anleihen nahe bei Null liegen, nicht bedeuten muss, dass Menschen, die riskante Investitionen tätigen, bei nahe Null Prozent Kredit aufnehmen können.

Was heisst eigentlich „unnatürlich niedrige“ Zinsen? Was macht Zinsen „unnatürlich“? Was Krugman von der aktuellen Lage der Wirtschaft hält, ist ganz einfach. Ganz im Sinne des Standards der Wirtschaftswissenschaften. Gerade jetzt gibt es nicht genügend Nachfrage, um die ganze produktive Kapazität der Wirtschaft zu nutzen. Das heisst, dass der reale Zinssatz zu hoch ist. Und die „natürliche“ Sache für die Zinssätze ist, dass sie fallen. Ja, das würde negative reale Zinssätze bedeuten. Und?

Das Problem ist, dass es nicht leicht ist, zu negativen real Zinsen zu kommen, erklärt Krugman weiter, weil der nominale Zinssatz nicht unter Null fallen kann. Und gibt keinen einfachen Weg, Inflationserwartungen zu steigern. Wenn Sie fragen, was geschehen würde, wenn die Preise vollkommen flexibel wären, ist die Antwort, dass Krugman vor einer langen Zeit erläutert hatte: Preise würden so weit fallen, wie die Menschen erwarten würden, dass sie in Zukunft steigen werden, was wiederum Inflationserwartungen generieren würde. Aber die Preise sind nicht so flexibel, weshalb die „quantitative easing“ (mengenmässige Lockerung der Geldpolitik) und Fiskalpolitik und viel mehr notwendig werden, hält Nobelpreisträger fest. Was wünschenswert ist, dass die Zinssätze sich möglichst an ihr entsprechendes Niveau annähern, so Krugman. Das heisst Nominalzins von Null Prozent. Da gibts es nichts „Unnatürliches“ darüber. Im Gegenteil: Der „natürliche Zinssatz“ ist, wie Wichsell es definiert hat, gerade jetzt eindeutig negativ, erläutert Krugman. So, warum denkt Rajan, dass es mit niedrigen Zinsen etwas nicht stimmen muss? Er ist ja nicht allein dabei. Es liegt an der Sprache mit dem sonderlichen moralischen Ton, in dem Sinne, als ob die Wirtschaftspolitik die Menschen hart treffen müsste, indem Geld einfach nicht billig weggegeben wird, analysiert Krugman vielsagend. Er verstehe eigentlich die Verführungskraft dieser Haltung, so Krugman. Er verstehe, wie die Ökonomen dem erliegen. Aber jetzt, wo die Welt verzweifelt einer klaren Denkweise bedarf, ist es keine Zeit, sich subtilen Reizen hinzugeben, ökonomische Schmerzen hinzuzufügen, schlussfolgert Krugman seine kurze aber ausgezeichnete systematische Analyse.

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