Freitag, 11. Juni 2010

Wirtschaftsberater in Finanzkrise

Robert Reich sucht in seinem Blog virtuell nach einem Berater für den US-Präsidenten („Why Economic Advisors Are paid to Be Economic Advisors“). Angenommen, Sie sind ein hoher Regierungsbeamter mit Verantwortung für die Beratung des Präsidenten, was er über die Wirtschaft tun und sagen sollte. Sie wissen, dass die Wirtschaft in einem tiefen Loch steckt, dem tiefsten seit der Grossen Depression. Der Arbeitsmarktbericht ist trostlos....Sie wissen auch, dass die Verbraucher nicht über die Kaufkraft verfügen, um die Wirtschaft aus dem Loch zu holen....Der Immobilienmarkt ist immer noch schrecklich. Sie wissen, dass die Unternehmen sich zurückhalten, um neue Arbeitsplätze zu schaffen, wenn es nur wenige Kunden gibt...Und Sie wissen, dass die Exportmärkte wegen des hohen Dollar-Wechselkurses austrocknen....Und Europa hat fiskalische Sparmassnahmen eingeleitet, um das Haushaltsdefizit zu kürzen.

Sie wissen auch, dass die Steuereinnahmen der Bundesstaaten wegen der tiefen Wirtschaftskrise zurückgehen und sie gezwungen sind, Steuern zu erhöhen, Dienstleistungen zu reduzieren und eine grosse Zahl von Arbeitnehmern im Staatsdienst zu entlassen, einschliesslich Lehrer. Oh, noch etwas: Sie wissen, dass alle Impulse, die die Wirtschaft kaum mehr halten können, jetzt zu Ende gehen. Die Fed kann die Zinsen nicht länger nahe Null behalten, weil sie beginnt, sich über Inflation Gedanken zu machen....Das Konjunkturprogramm ist zu 75% bereits verbraucht. Und das Geld wird in ein paar Monaten verschwunden sein.

So, was machen Sie?

(A) Sie sagen dem Präsidenten, dass die Wirtschaft entweder in eine Double-dip Rezession rutscht oder im besten Fall über die nächsten fünf Jahre anämisch wachsen wird, indem sie für Millionen von Amerikanern enorme Schmerzen und Leiden schafft. Auf diese Weise werden Sie seine Wiederwahl gefährden. Es sei denn, er lanciert sofort einen Gesetzentwurf in Höhe von 300 Mrd. $ für neue Jobs, einschliesslich Darlehen zu Null-Zinsen an die Bundesstaaten und lokale Regierungen, um einen Anstieg der Steuersätze und eine Kürzung der Dienstleistungen zu verhindern. Öffentlichkeitsjobs wie z.B. Aufräumarbeit in der Golfregion und für die ersten 100'000 $ Einkommen eine 1-Jahres-Lohnsteuer-Ferien. Um dies zu verkaufen, muss er dem amerikanischen Volk erklären, warum jetzt kurzfristig hohe Defizite erforderlich sind, um die Arbeitsplätze zurückzuholen und damit die Wirtschaft wieder wächst, sodass langfristige strukturelle Defizite (Gesundheitsvorsorge und staatlicher Gesundheitsdienst) angegangen werden können.

(B) Sie sagen dem Präsidenten, dass Sie den wachsenden politischen Druck zur Kürzung des Haushaltsdefizits verstehen und die Republikaner Fortschritte machen, um die Öffentlichkeit zu täuschen, dass die Staatsverschuldung für die schreckliche Erholung der Wirtschaft verantwortlich ist. Es ist also perfekt für den Präsidenten, dem politischen Druck zu beugen. Er kürzt die Budgets und kündigt fiskalpolitische Sparmassnahmen an.

Wählen Sie (B), dann sollten Sie den Präsidenten nicht beraten, so Reich.

Reich beanstandet, dass Wirtschaftsberater sich immer hinter Vorschlägen verstecken, die ökonomisch schädlich sein könnten, wenn sie vollzogen würden, aber politisch populär sind wegen der öffentlichen Fehleinschätzungen über die zugrunde liegende Wirtschaft. „Es ist schwer, Reich nicht zu zustimmen“, bemerkt Mark Thoma. Er würde sogar noch weiter gehen, so Thoma. „Wenn politische Berater des Präsidenten beschliessen, der Öffentlichkeit Wirtschaftspolitik zu verkaufen, die auf unwahren Behauptungen basieren, z.B. wenn sie den Menschen erzählen, dass die Steuersenkungen sich für sie auszahlen, dann denke ich, dass die Berater eine Pflicht haben, entweder offen zu sein, oder zurückzutreten“.

PS: Robert Reich ist Wirtschaftsprofessor an der University of California at Berkeley. Er diente unter Präsident Bill Clinton als Arbeitsminister.

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