Mittwoch, 14. Juli 2010

Illusionen über Staatsverschuldung

Defizit-Falken verbreiten unermüdlich Angst und Schrecken, was das kurzfristige Haushaltsdefizit betrifft. Die Argumente hören sich zwingend an, wie Paul Krugman in seinem Blog betont. Es geht etwa so: „Je mehr Geld der Staat ausgibt, desto mehr Zinsen müssen gezahlt werden, was wiederum mehr Schuldenaufnahme erfordert. Und bevor man weiss, sind die Schulden bereits explodiert“. Das klingt schrecklich, bis man darüber nachdenkt und einen Blick auf die Zahlen wirft. Dean Baker (hat tip Mark Thoma) denkt, dass der Vize-Vorsitzende der Defizit Kommission (Fiscal Commission) des Präsidenten über Fakten zu Schulden und damit verbunden zu Zinszahlungen Bescheid wissen sollte, bevor er Behauptungen in der Öffentlichkeit aufstellt. Wenn Erskine Bowles die Defizit-Zahlen um 100% übertrifft, dann würde man denken, dass das die Aufmerksamkeit der Medien ziehen müsste.

Das ist aber anscheinend nicht der Fall, bemerkt Baker in einem lesenswerten Essay im Blog von CEPR. Bowles hat davor gewarnt, dass das Land im Jahre 2020 2'000 Mrd. $ jährlich an Zinsen aufbringen würde. Der Vize-Vorsitzende der Defizit Kommission hat aber die Zinslast um einen Faktor von mehr als 2 übertrieben, erklärt Baker. Es ist schwer, zu glauben, dass, wenn Pelosi oder einige andere prominente Demokraten für ein Konjunkturpaket argumentieren, weil die Arbeitslosigkeit auf 19% gestiegen ist, die Medien deren Nicht-Übereinstimmung mit der Realität ignorieren würden. Es ist schwer, zu verstehen, warum weder Bowles noch sein Vize, Alan Simpson, der ehem. Senator aus Wyoming mit derselben Genauigkeit gemessen werden, fragt sich Baker.

Was geschieht mit der „debt-to-GDP“ Ratio (Anteil der Staatsausgaben am BIP) über die Zeit? Es gibt drei Faktoren, die das Wachstum der Staatsausgabenquote beeinflussen, erklärt Krugman. Der eine davon ist das „primäres“-Haushaltsdefizit (Defizit ohne Zinsendienst), d.h. Ausgaben ohne Zinszahlungen minus Einnahmen. Der zweite ist die Zinszahlungen. Und der dritte ist das BIP-Wachstum, welches den Nenner in „Staatsausgabenquote/BIP“ erhöht. Die Gleichung sieht wie folgt aus:

Zunahme in Staatsausgabenquote =
primäres Defizit in % des BIP + [(r-g) * Staatsausgabenquote des Vorjahres]

r = Zinssatz auf Schulden
g = BIP Wachstumsrate

Für die grossen Industrieländer ist (r-g) eine kleine Zahl: Die Zinssätze der Staatsanleihen sind in den meisten Fällen etwas grösser als die Wachstumsrate der Wirtschaft, erläutert Krugman weiter. In der Tat sind sie im Moment weniger: Der reale Zinssatz für langfristige US-Staatspapiere beträgt 1,8%, was unterhalb der meisten Schätzungen des langfristigen Wachstums liegt.

Die „Schuldendynamik“ aus Zinszahlungen auf bestehende Schulden ist nicht so etwas wie die Sprengkraft, von der die Befürworter des Sparkurses reden. „Selbst nach all diesen Jahren der Schuldenaufnahme ist die überwältigende Determinante des Schuldenwachstums Japans nach wie vor das primäre Defizit“, hält Krugman als Fazit fest, „nicht die Zinszahlungen auf vergangene Schulden“. Die eigentliche Botschaft ist hier, dass Leute wie Bowles und Senor so eifrig Horrorgeschichten verbreiten, dass sie sich nicht die Mühe machen, die Fakten zu prüfen, so Krugman.

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