Montag, 11. April 2011

Wird Spanien Portugal folgen?

Europäische Politiker haben allen Grund, Krisenbewältigung auf unbestimmte Zeit zu verschieben, schreibt Wolfgang Münchau in einem lesenswerten Kommentar („Complacent Europe must realise Spain will be next“) in FT. Inzwischen steigt die Verschuldung der mehreren Länder an der EU-Peripherie weiter an. Am Mittwoch hat Portugal das Unvermeidliche schliesslich angenommen und eine finanzielle Rettung beantragt. Brüssel falle über sich selbst, zu behaupten, dass Spanien sicher wäre, schildert Münchau. Aber Brüssels Argumente sind eine „Metrik der Selbstzufriedenheit“, welche die europäische Krise von Anfang an geprägt hat. Die EZB hat am Donnerstag die Zinsen erhöht. Auch wenn die Zinsentscheidung mit dem Inflationsziel der EZB im Einklang stehe, ergeben sich daraus negative Folgen für Spanien, betont Münchau. Abgesehen von direkten Auswirkungen werden höhere Zinsen den spanischen Immobilienmarkt treffen: Fast alle Hypotheken in Spanien beruhen auf 1-Jahres-Euribor Geldmarktsatz, welcher gerade auf 2% geklettert ist und weiter steigt.


Spanien Staatsanleihen Rendite (10 Jahre), Graph: Bloomberg.com

In Spanien, wo vor der Finanzkrise eine extreme Immobilienblase gegeben hat, sind die Preise bisher anders als in den USA und Irland nur moderat gesunken. Nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) sind die realen Hauspreise in Spanien (pro Quadratmeter, bereinigt um den Deflator für den persönlichen Verbauch) seit Anfang der Währungsunion bis Juni 2007 um 106% gestiegen. Seither sind die Preise um 18% gefallen, legt Münchau dar. Der Autor des Buches Makro Strategien rechnet mit dem Rückgang des gesamten Preisanstiegs. Er verweist auf eine besondere statistische Eigenschaft in Spanien: die Anzahl der leerstehenden Häuser (über 1 Mio.), was ein Überangebot bedeutet, welches mehrere Jahre auf dem Markt lasten dürfte. Dies wird den Preisrückgang weiter antreiben. Angesichts der Belastungsfaktoren wie Rezession, hohe Arbeitslosigkeit, schwacher Finanzsektor, höhere Ölpreise und steigende Zinsen könnte man erwarten, dass die Hauspreise die horizontale Trendlinie überschreiten.

Fallende Hauspreise und steigende Hypothekenzinsen dürften die noch moderaten Ausfallquoten und die Anzahl der Zwangsversteigerungen in die Höhe schrauben, was die Bilanz der sog. Cajas (spanische Sparkassen) belasten wird. Die Immobiliendarlehen und Hypotheken sind in der Bilanz zu Anschaffungskosten gebucht. Das heisst, dass die Sparkassen sich rekapitalisieren müssen, um die Verluste zu decken. Die spanische Regierung schätzt den Rekapitalisierungsbedarf auf rund 20 Mrd. Euro, während andere Quellen die Zahl auf 50 bis 100 Mrd. Euro beziffern, hält Münchau fest. Spanische Banken verfügen zudem über Forderungen in Höhe von 100 Mrd. Euro gegenüber Portugal.

„Die gute Nachricht ist, dass Spanien selbst bei einem worst-case-szenario noch zahlungsfähig wäre. Die Verschuldung der öffentlichen Hand im Verhältnis zum BIP beträgt 62% per Ende 2010“, so Münchau. Der Schuldenstand (debt-to-GDP ratio) dürfte nach jüngsten Prognosen auf 72% im Jahre 2015 klettern, was immer noch einen tieferen Wert im Vergleich zu Deutschland und Frankreich darstellt.

Aber die spanische Privatwirtschaft ist hochverschuldet: Das Verhältnis der Schulden zum BIP beträgt 170%. Das Leistungsbilanzdefizit ist im Jahre 2008 auf 10% des BIP geklettert. Untragbar. Das bedeutet, dass Spaniens Netto-Auslandsschulden weiterhin anwachsen dürften. Spaniens Netto-International Investment Position (d.h. die Differenz zwischen Vermögenswerten und Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland) beläuft sich auf Minus 926 Mrd. Euro per Ende 2010. Das entspricht fast 90% des BIP.

Fazit: Spanien ist das nächste Land, das Finanzhilfe der EU und des IWF suchen dürfte.

1 Kommentar:

Engelbert Wefers hat gesagt…

Hervorragende Analyse. Hinzufügen sollte man den Aspekt der extremen Korruption in Spanien, auch seitens öffentlicher Hand, wie zum Beispiel die "Umwidmung" von EU-Strukturmittel.