Mittwoch, 29. Juni 2011

Grossbritannien: Inflation, Geldpolitik und Lehren

Paul Krugman, der zur Zeit auf einer Radtour in Grossbritannien weilt, berichtet in seinem Blog über einen Vortrag von Adam Posen über die britische Geldpolitik. Die Ausführungen des amerikanischen Ökonomen, der als Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der britischen Zentralbank (Bank of England: BoE) tätig ist, bieten ein Aha-Erlebnis für die Geldpolitik im Allgemeinen, bemerkt Krugman.

Die BoE steht vor dem gleichen Konflikt zwischen dem, was sie tun sollte und dem, was sie unter Druck zu tun hat, womit auch die Fed konfrontiert ist, aber in einer krasseren Form. Und wenn die BoE bodenständig bleibt, sollten wir bald einen klaren Beweis dafür sehen, dass die eine Seite falsch, und die andere Seite richtig liegt, beschreibt Krugman.

Zum Hintergrund: Grossbritannien erlebt derzeit eine relativ hohe Inflation: 4% in den vergangenen 12 Monaten. Und es wird gefordert, dass die BoE den geldpolitischen Kurs strafft. Doch ein Grossteil des Anstiegs der Inflation ist eindeutig auf vorübergehende oder einmalige Faktoren zurückzuführen: (a) Mehrwertsteuer-Erhöhung, (b) Rohstoffpreise und (c) Abwertung des Pfund gegenüber dem Euro.


Grossbritannien: Lohnstückkosten im Vergleich mit unterschiedlichen Zeitperioden, Graph: Adam Posen in: „Not That 70s Show: Why Stagflation is Unlikely“, June 27, 2011

Dennoch fordern die Inflationsfalken eine Zinserhöhung, mit dem Argument, dass die Inflation im Keim erstickt werden müsse, oder es sonst zu einer Stagflation wie in den 1970er Jahren komme, auch wenn die Wirtschaft derzeit in einem sehr depressiven Zustand sei.

Worauf Posen hindeutet, ist, dass der Fall für präventive Straffung der Geldpolitik, um die Stagflation abzuwehren, ganz auf die Erfahrungen der 1970er Jahre zurückgeht. Es habe sonst keine andere ähnliche Episode in der Geschichte gegeben, weder vorher noch nachher. Und die Situation in Grossbritannien hat heute wenig Ähnlichkeit mit der Lage vor jedem modernen Start der Inflation.

In der Abbildung ist der Verlauf der Lohnstückkosten in den Quartalen zu sehen, die jeweils den britischen Inflationsepisoden vorangegangen sind. Und der Verlauf der aktuellen Lohnstückkosten zum Vergleich.

Es sieht in der Tat nicht so aus, als ob es viel Risiko gäbe, dass das kurzseitige Phänomen im Verlauf der Inflation permanent wird. Auf der anderen Seite gibt es jedes Risiko, dass eine vorzeitige Straffung der Zinsen dafür sorgen würde, dass Grossbritannien einem verlorenen Jahrzehnt oder mehr gegenüberstünde.

Das alles gilt auch für die USA, obwohl in weniger extremer Form, hebt der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor hervor. (a) Die USA hatten keine Mehrwertsteuer-Erhöhung, (b) es gab aber Rohstoffpreis-Schock und (c) die Abwertung des US-Dollar, mit einer gewissen Wirkung, wenn auch wahrscheinlich nicht so stark wie die Abwertung des britischen Pfunds.

Fazit: Wir können nur hoffen, dass die BoE Kurs hält. Und wenn die Inflation in Grossbritannien stark abfällt, was fast sicher ist, dass es ein Lehrbeispiel für die Torheit bietet, die Geldpolitik so zu gestalten, wie wenn es 1979 wäre, fasst Krugman als Fazit zusammen. 

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