Sonntag, 7. August 2011

Finanzkrise und Wirtschaftsmodelle in Praxis

Was im Verlauf der anhaltenden Finanzkrise deutlich zum Vorschein gekommen ist, ist die Tatsache, dass die Ökonomen nicht über gegensätzliche Modelle debattieren. Der Konflikt liegt darin, dass, während die eine Seite über ein Modell verfügt, welches funktionsfähig ist, die andere Seite Vorurteile pflegt und einfach Sachen erfindet, um die Vorurteile zu rechtfertigen.

Paul Krugman, Mark Thoma und Brad DeLong wenden zum Beispiel Standard-Makroökonomie an, und zwar in einer nicht standardmässigen Situation. Es ist das Hicks/Keynes-Modell, wonach die Nachfrage den Output antreibt, wobei die Zinsen durch das tradeoff zwischen der Liquidität und dem Ertrag bestimmt werden. Extrem negative Schocks führen die Wirtschaft in eine Liquiditätsfalle, wo die herkömmliche Geldpolitik an Zugkraft verliert und das Haushaltsdefizit die privaten Investitionen nicht verdrängt (d.h. kein crowding out).

Dieses Modell hat in dieser Krise sehr gut funktioniert, sodass Krugman/Thoma/DeLong es weiter verwenden, indem sie damit manchmal etwas herumspielen, wie z.B. mit der Betonung der Rolle der privaten Schulden (im Gegensatz zu Schulden der öffentlichen Hand).




IS-Kurve: Vollbeschäftigung, Graph: Prof. Paul Krugman

Vor diesem Hintergrund staunt David Glasner (via Mark Thoma) über einen völlig zusammenhanglosen Meinungsartikel („The Global Rout“) von David Malpass in WSJ. Der ehem. Mitarbeiter der Reagan-Administration fordert in seinem Artikel u.a. eine Politik des starken Dollars.

„Die Tatsache, dass die Zeitung Malpass bittet, als Gastkolumnist zu schreiben, spricht Bände“, bemerkt Krugman in seinem Blog. „Das ist immerhin der Mann, der darauf bestand, dass die Ersparnisse der Amerikaner wegen der Kapitalgewinne auf Immobilien besonders hoch sind“, hebt Krugman hervor.

„Was aber wirklich interessant ist, wie Glasner notiert, ist die Unklarheit. Und das ist ein Thema, das über den beklagenswerten Malpass hinausgeht“, argumentiert Krugman. Es zieht sich durch das WSJ im Allgemeinen und es ist im Grossen und Ganzen in viel konservativen wirtschaftlichen Schriften, einschliesslich der akademischen Seite sichtbar, unterstreicht der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor.

„Es gab mal eine Zeit, wo man sagen könnte, dass die Rechten ein Modell hätten, wie die Wirtschaft funktioniert. Ein dummes Modell, weil es auf unplausiblen, grossen Auswirkungen der Grenzsteuersätze auf Anreize beruhte. Trotzdem hatte die angebotsseitige Wirtschaftspolitik (supply-side economics) eine Art Punkt“, beschreibt Krugman weiter.

Die Frage ist, ob man in Malpass Artikel ein Modell erkennen kann oder in diesem Sinne in irgendeiner redaktionellen Seite des WSJ? Nein. Alles, was wir sehen, ist, einen Haufen von Vorurteilen, zusammen mit einigen vagen ökonomistisch klingenden Sätzen aufreiht, so etwas, wie wenn jemand Kauderwelsch redet, es aber irgendwie Schwedisch klingt, schildert Krugman bekräftigend.

In der Welt, die dem WSJ vorschwebt, sind niedrige Steuern gut, es sei denn, es betrifft die Menschen mit niedrigem Einkommen, die das WSJ abschätzig „lucky duckies“ nennt. Die Regulierung ist schlecht. Tiefe Inflation ist gut. Niedrige Zinsen sind schlecht. Ein starker Dollar ist gut. Aber fragen Sie nicht, warum.

„Die Sache ist jedoch, dass mehr oder weniger die gleiche Sache auf einer subtileren Ebene durch die berühmten republikanischen Ökonomen weiter geht. 

Lesen Sie Robert Barro oder Robert Lucas. Und versuchen Sie, eine Gemeinsamkeit zwischen den Erläuterungen über die gegenwärtige Krise, die sie bieten, zu finden und was sie seit 30 Jahren über Konjunkturzyklen sagen“, betont Krugman. Es gibt keine. 

Die "Achse" Krugman/Thoma/DeLong hingegen stützt sich auf das Hicks/Keynes-Modell ab und kann die Finanzkrise zusammenhängend erklären.

Keine Kommentare: