Montag, 5. September 2011

Wirtschaftskunde per Journal


„Viele Menschen nehmen die Verkündigungen in den redaktionellen Seiten des WSJ immer noch ernst, auch wenn es wahrscheinlich ist, dass man eine Menge Geld verdient hätte, wenn man gegen alles, was WSJ per Leitartikel prognostiziert hat, gewettet hätte“, bemerkt Paul Krugman in seinem Blog zu Recht.

Was bemerkenswert ist, dass das WSJ keinen Preis für furchterregende Unrichtigkeit zu zahlen scheint. Vielleicht kaufen die Abonnenten das Blatt für die Berichterstattung, obwohl es seit der Übernahme durch Murdoch im Sinken begriffen ist, hebt Krugman hervor.

Es ist eine Affinität, denkt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor: „Die Leitartikel von Wall Street Journal (WSJ) wirken wie das Werk von Menschen, die die Reichen mögen, sofern sie nicht die Sache der Liberalen (liberal im amerikanischen Sinne, meine Anmerkung) unterstützen und Liberale und die Arme hassen und sie fühlen sich durch die lucky duckies beledigt, die zu arm sind, um Einkommensteuern zu zahlen. Und eine beträchtliche Anzahl von gutbetuchten Lesern sehen dies und sagen: Das sind meine Art von Menschen“.

Krugman hatte sich in diesem Zusammenhang bereits 1996 mit dem Thema supply-side economics (angebotsseitig orientierte Schule) in einem lesenswerten Artikel („Supply-Side Virus Strikes Again“) in Slate beschäftigt. Fünfzehn Jahre später scheint der Artikel kein bisschen an Aktualität verloren zu haben.

Warum taucht die Idee von Supply-side immer wieder auf? Wahrscheinlich, weil zwei wichtige Attribute, die sie gemeinsam mit einigen anderen Lehren teilt, wie z.B. der Glaube an den Goldstandard. Die Idee appelliert (1) an die Vorurteile der extrem reichen Männer und sie bietet (2) Selbstwertgefühl für intellektuell unsichere Menschen, hielt Krugman damals fest.

Die Unterstützung von reichen Männern ist keine kleine Sache. Trotz der zentralen Bedeutung der politischen Debatte ist die Wirtschaftsforschung eine sehr low-budget Angelegenheit. Das gesamte jährliche Budget der National Science Foundation beträgt weniger als 20 Mio. $. Was dies bedeutet, ist, dass selbst eine handvoll reiche Sonderlinge eine beeindruckend-aussehende Reihe von Denkfabriken, Forschungseinrichtungen, Stiftungen und so weiter für die Förderung einer wirtschaftlichen Lehre fördern können, die sie befürworten, erklärt Krugman.

Der Appell an die intellektuell unsicheren Menschen ist auch wichtiger als es erscheinen mag, weil die Ökonomie so viel vom Leben berührt, dass jeder eine Meinung haben will. Doch die Art von Ökonomie in den Lehrbüchern ist technisch, sodass viele Menschen es schwer finden, zu folgen. Wie beruhigend ist es dann, zu hören, dass es irrelevant ist: 

Was man wirklich wissen müsse, sind ein paar einfache Ideen. Nicht wenige Angebotstheoretiker haben für sich daher eine wunderbare alternative Geistesgeschichte erfunden, wo John Maynard Keynes als Betrüger, Paul Samuelson und sogar Milton Friedman als Narren dargestellt werden. Und die wahre Linie des tiefen ökonomischen Denkens führt von Adam Smith durch obskure Jahrhundertwende von Austrians direkt zu ihnen, legt Krugman dar.

PS: Lucky duckies ist ein Begriff, der von WSJ seit November 2002 benutzt wird, um die Amerikaner, die keine Einkommensteuer zahlen, zu bezeichnen.

Keine Kommentare: