Dienstag, 27. Dezember 2011

Staatsverschuldung und das 90%-Kriterium

Es gibt eine oft zitierte Aussage aus dem Buch („This Time is Different“) von Reinhart und Rogoff (siehe hier), dass schreckliche Dinge geschehen, was das Wirtschaftswachstum betrifft, wenn die Staatsquote (Verschuldung im Verhältnis zum BIP) 90% übersteigt.

Es ist eine Behauptung, die ziemlich gründlich entlarvt worden ist, bemerkt Paul Krugman in seinem Blog. Doch es zirkuliert unter Very Serious People (VSP) weiter, als wäre es eine bekannte Tatsache.

Der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor überprüft die Verschuldungsdaten und denkt, dass es nützlich sein könnte, das Augenmerk den wichtigsten fortgeschrittenen Volkswirtschaften seit dem Zweiten Weltkrieg zu richten. Daraus ergibt sich die folgende Abbildung, mit der besonderen Kennzeichnung des 90%-Kriteriums als eine durchgehende Linie.



Staatsquote der G7-Länder seit 1946, Graph: Prof. Paul Krugman

Was auffällt, ist, dass die >90% Club aus englischsprachigen Nationen in der Zeit unmittebar nach dem Zweiten Weltkrieg besteht, wobei Grossbritannien für eine längere Zeitperiode in der Nachkriegszeit, Italien seit den 1980er Jahren, Japan seit Mitte der 1990er Jahre und ein paar Jahre in Kanada die 90%-Marke überschreiten.

Was wissen wir aber über die Folgen? Die englischsprachigen Volkswirtschaften sind in den Jahren unmittelbar nach dem Krieg geschrumpft, nicht wegen Verschuldung, sondern weil „Rosie die Nieterin“ (Rosie the Riveter, als Symbol der Wirtschaftsmacht der Frauen) sich zurückgezogen hat, um wieder eine Hausfrau zu sein, erklärt Krugman.

Italien und Japan haben eine starke Verlangsamung des Wirtschaftswachstums erfahren, bevor die Schulden der beiden Länder so hoch zulegten. Es war das langsame Wachstum, die die hohen Schulden verursacht hat, nicht umgekehrt, hält Krugman fest. Das Ganze hat also mit der Demobilisierung nach dem Krieg zu tun.



US Staatsverschuldung, Wirtschaftswachstum und Inflation (1790-2009), Graph: Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff in: „Growth in a Time of Debt“, Jan. 2010.

Es sieht wirklich wie eine Scheinkorrelation aus, allerdings ohne Einfluss auf die Leute, die auf diesen Zusammenhang zurückgreifen, weil sie dadurch ihre Vorurteile bestätigt sehen.

Fazit: Krugman ist der Ansicht, dass die Forschungsarbeit („Growth in a Time of Debt“) von Reinhart und Rogoff vollkommen diskreditiert ist.

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