Freitag, 30. Dezember 2011

Staatsverschuldung und Schuldenlast

Paul Krugman hat neulich in seinem Blog zum Wesen der Schulden-Problematik und Schuldenlast eine interessante und zugleich komplexe Stellung genommen.

Inspriert war Krugman durch einen Artikel von Dean Baker im Blog von Center for Economic and Policy Research (cepr).

„Wir als ein Land können keine riesige Schuldenlast auf unsere Kinder auferlegen. Es ist unmöglich, zumindest wenn wir uns auf die Staatsschulden beziehen. Der Grund ist einfach: an einem Punkt werden wir alle tot sein. Das bedeutet, dass die Eigentümerschaft unserer Schulden an unsere Kinder weitergegeben wird.


Wenn wir einige riesige tausend Billionen Dollar Schulden haben, die unseren Kindern geschuldet werden, wie können wir Schulden auf unsere Kinder auferlegen? Es ist eine Frage der Verteilung. Bill Gates Kinder dürften alle Schulden besitzen, aber es ist innerhalb der Generationen, nicht zwischen den Generationen.
Als eine Gruppe wird das Wohlbefinden unserer Kinder durch die Produktivität der Wirtschaft, den Status der physischen und sozialen Infrastruktur und der Umwelt bestimmt“.

Was in der Abbildung zu sehen ist, dass es einen grossen Anstieg der Verschuldung gab, mit einem viel kleineren Umzug des Netto-Schuldner-Statuts der USA als Ganzes. Für den grössten Teil der zusätzlichen Verschuldung gilt es, dass es sich dabei um Geld handelt, welches die Amerikaner sich selbst verschulden. Gemessen an Veränderungen seit 1980 ist die grosse Masse des Anstiegs der Verschuldung nicht durch die Kreditaufnahme im Ausland finanziert.


US Schulden (Niveau), Graph:Prof. Paul Krugman

Die Leute denken, wenn es um die Rolle der Verschuldung in der Wirtschaft geht, als ob es das gleiche für eine Einzelperson bedeuten würde: es gibt eine Menge Geld, die Sie an jemanden anderen zahlen müssen. Aber das ist alles falsch, erläutert Krugman. „Die Schulden, die wir schaffen, sind im Grunde genommen Geld, das wir uns selbst schulden und die Last, die es auferlegt, schliesst nicht einen realen Transfer von Ressourcen ein“.

Das heisst nicht, dass eine hohe Verschuldung nicht zu Problemen führen kann. Es trifft ganz bestimmt zu. Aber es sind Probleme der Verteilung und Anreize, nicht die Last der Schulden, was man sonst im allgemeinen darunter versteht.

Es ist vor diesem Hintergrund „unsinnig, davon zu reden, dass wir unseren Kindern eine Belastung überlassen. Was wir hinter uns lassen, sind Versprechen, dass einige unserer Kinder das Geld an andere Kinder zahlen müssen, was ein ganz anderes Paar Schuhe ist“, erklärt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor.


US Schulden Verlauf seit 1980, Graph: Prof. PaulKrugman

Das Thema „Verschuldung“ ist so brisant, dass Krugman in seinem Blog ein zweites Mal dazu Stellung nimmt, um Missverständnisse auszuräumen.

Angenommen ein Land wird aus irgendeinem Grund vorübergehend von einem Kerl regiert, der von der Macht besessen ist und verfügt, dass jederman eine grosse Zuteilung von neu ausgegebenen Staatsanleihen erhält, wobei die Staatspapiere sich bis auf 500% des BIP addieren.

Der Staat steckt nun tief in Schulden. Aber das Land ist direkt nicht insgesamt ärmer geworden. Die Öffentlichkeit in ihrer Rolle als Steuerzahlerin trägt nun Schulden in Höhe von 500% des BIP. Aber die Öffentlichkeit in ihrer Rolle als Investor besitzt nun Vermögenswerte in Höhe von 500% des BIP. Es ist ein Ausgleich.

Wo ist also das Problem? Nun, um die Zinsen für diese Anleihen zu bedienen, muss der Staat seine Einnahmen erhöhen. Auch das ist ein Ausgleich, hebt Krugman hervor. Die zusätzlichen Einnahmen decken sich mit dem zusätzlichen Einkommen der Leute, die die Staatsanleihen bekommen. Aber die Steuersätze müssen erhöht werden, und weil es keine pauschale Steuern (Kopfsteuer) in der Welt gibt, bedeutet es, dass die Grenzsteuersätze steigen müssen.

Und man muss nicht politisch rechts stehen, um dies zu verstehen. Sehr hohe Grenzsteuersätze wirken als ein Hindernis für produktive Tätigkeit, sodass das reale BIP deutlich sinken dürfte, betont Krugman mit Nachdruck.

Das ist genau das, was der Träger des Wirtschaftsnobelpreises meint, wenn er davon redet, dass die Last der Schulden mit Anreizen zu tun hat, nicht damit, die Ressourcen an andere Menschen zu transferieren.

Private Schulden schaffen eine andere Art von Problem. Auch hier gilt: „es macht uns nicht ärmer, aber es erhöht unsere makroökonomische Verwundbarkeit“, legt Krugman dar.

Fazit: Der Punkt ist, dass die Analogie mit einer Familie (in Deutschland: die sparsame schwäbische Hausfrau), die zu viele Schulden hat, falsch ist. Leider beherrscht diese dumme Analogie den nationalen Diskurs.

Aufgrund der energischen und verblüffenden Reaktionen der Leserschaft auf das Thema Schuldenlast bezieht Krugman in seinem Blog dazu ein drittes Mal Stellung.

Anstatt ein hypothetisches Beispiel zu geben, spricht Krugman diesmal einen realen Fall an: US-Verschuldung nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Staat ging aus dem Krieg mit Schulden von mehr als 100% des BIP. Weil es zu der Zeit kaum einen internationalen Kapitalverkehr gab, gehörte die Verschuldung im Wesentlichen den Inländern, mit einem beträchtlichen Anteil bestehend aus Savings Bonds, die von Privatpersonen gekauft wurden.

Die Frage ist, ob Amerika durch die Schulden unmittelbar ärmer geworden ist? Genauer gesagt, ob Amerika als Ganzes gezwungen worden ist, weniger auszugeben als es der Fall wäre, wenn es keine Schulden gehabt hätte?

Die Antwort lautet „nein“. Ja, die amerikanischen Steuerzahler haben für die Zinsen der Schulden aufkommen müssen. Aber wer hat die Zinsen bekommen? Die amerikanischen Steuerzahler. Natürlich nicht genau diegleichen Leute, obwohl die Savings Bonds ziemlich breit gestreut waren. Aber Amerika war nicht wie ein Käufer von Eigenheim, der knausern musste, um genug Geld zu finden, um die Hypotheken-Schulden zu bedienen. Amerika war sowohl der Kreditgeber als auch der Kreditgeber und es hat sich das Geld im Wesentlichen selbst entrichtet.

Heute leben wir natürlich in einer viel komplizierten Welt, in der die amerikanischen Finanzmärkte mit anderen Ländern  eng verflochten sind, und in der ein wesentlicher Teil der amerikanischen Schuldtitel in der Tat im Besitz von Ausländern sind.

Aber was viele Leute anscheinend nicht wissen, ist, dass, während Ausländer eine Menge Forderungen an Amerika haben, Amerika auch eine Menge Forderungen an Ausländer hat. Krugman liefert dazu die folgende Abbildung:


USA: die nationale Bilanz vis-a-vis Rest der Welt, Graph: Prof. Paul Krugman

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