Donnerstag, 31. Mai 2012

Wie problematisch ist Spaniens Verschuldung?


Die schiefe Haushaltslage am Rande der Euro-Zone ist eine Folge der geplatzten Spekulationsblase am Immobilienmarkt. Da die Regierungen nach dem Ausbruch der Krise die notleidenden Banken retten mussten, sind die Haushaltsdefizite und die Schulden gestiegen.

Die fiskalischen Probleme an der Peripherie sind m.a.W. die Konsequenz der Depression, nicht deren Ursache. Es grenzt daher fast an einem religiösen Fanatismus, dass die EU trotzdem am rigorosen Sparkurs festhält.

Der Kapitalzustrom aus dem Kern der EU an die Peripherie hat zu einem Immobilienboom geführt, wobei gleichzeitig Lohnerhöhungen damit einhergegangen sind. Die Lohnstückkosten, die im Kern der EU, z.B. in Deutschland stagnierten, sind in Südeuropa in den vergangenen 10 Jahren stark gestiegen.

Nach dem Platzen der Spekulationsblase bleibt der private Sektor im Süden immer noch hoch verschuldet. Der Schuldenabbau-Prozess (deleveraging) setzt sich zwar fort. Aber die Bilanzrezession (balance-sheet recession) führt zu einem Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. In einer Bilanzrezession sind staatliche Ausgaben nötig, um die Wirtschaft anzukurbeln. Ansonsten droht eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale aus Rezession und Deflation. Die öffentliche Hand wird aber gezwungen, den Sparkurs fortzufahren.


Spaniens Gesamtverschuldung, Graph: Daniele Antonucci, Morgan Stanley

Die Verschuldung ist weitgehend auf den nicht-finanziellen Unternehmenssektor zurückzuführen.

Die Fiscal Austerity (Sparpolitik) verschlimmert daher die ohnehin arge Not in Spanien. Die privaten Haushalte, Unternehmen, Banken und die öffentliche Hand sparen alle gleichzeitig.


Spaniens Lohnstückkosten im Vergleich zum Rest der Eurozone, Graph: Daniele Antonucci, Morgan Stanley

Wenn einer spart, muss ein anderer Schulden machen. Eine Volkswirtschaft kann nicht als Ganzes Geld ansparen. Jemand muss das angesparte Geld immer aufnehmen, also sich verschulden, um zu investieren. Da der Privatsektor keine Verwendung für die Ersparnisse findet, kann der Staat seine Schulden damit finanzieren.

One person’s debt is another person’s asset. My spending is your income and your spending is my income.

Spaniens Bruttoverschuldung nach der Definition von Excessive Deficit Procedure (EDP) bleibt deutlich unter dem Durchschnitt der Eurozone, bemerkt Daniele Antonucci von Morgan Stanley in seiner heute vorgelegten Forschugnsarbeit. Die Definition schliesst die Schulden der zentralen, regionalen und lokalen Regierungen zusammen mit der Sozialversicherung ein, damit sich europaweit vergleichbare Daten ergeben, die an die EU-Kommission gesandt werden.

Die Staatsquote (Schulden im Verhältnis zum BIP) Spaniens betrug demnach im Jahr 2011 86,8%, erklärt Antonucci. Die Höhe der Verschuldung liegt in der Nähe von 90%-Schwelle, die für viele Länder angeblich eine negative Auswirkung auf das Wirtschaftswachstum entfaltet. Der Analyst rechnet deswegen mit einer Kontraktion der Wirtschaft auch im nächsten Jahr um 1%.


Spaniens Staatsanleihen nach Aufteilung der Investorenbestände, Graph: Daniele Antonucci, Morgan Stanley

Spaniens roll-over Bedarf beläuft sich nach Angaben von Mark Weisbrot auf 85 Mrd. Euro in diesem Jahr. Die Zinszahlungen auf Schulden betragen für 2012 2,4% des BIP. Es sind an und für sich moderate Daten.

Die Investoren und Spekulanten stossen aber spanische Staatspapiere ab, sodass die Kosten für die Kreditaufnahme ansteigen und das Risiko eines Zahlungsausfalls (default) zunimmt. Aber die EZB, die wie im November in den Markt eingreifen und Staatsanleihen aufkaufen könnte, weigert sich die Rolle des Kreditgebers der letzten Instanz (lender of last resort) zu spielen.

Warum? Weil die EZB die „Austerity Doctrin“ auf ihre Fahnen geschrieben hat. Der Standpunkt der EZB hat daher mit dem Haushalt nichts zu tun. Es geht nur darum, die Gelegenheit, die die Euro-Krise bietet, nicht auszulassen, dem Motto „Staat ist Problem, Markt ist Lösung“ zu folgen. Das heisst, dass der Staat demnach "zu gross" ist und deshalb verkleinert werden muss.



Euro-Zone: Verschuldung des privaten Sektors und der öffentlichen Hand, Graph: Daniele Antonucci, Morgan Stanley

Wie man der Abbildung entnehmen kann, liegt die Verschuldung überwiegend im privaten Sektor, nicht im Staat, abgesehen von Griechenland, welches einen besonderen Fall in der ganzen Debatte darstellt.

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