Sonntag, 21. Oktober 2012

Konzeptionelle Verwirrungen im Sog der Spekulationsblase


Im Anschluss an eine schwere Finanzkrise verläuft die wirtschaftliche Entwicklung genau so wie von Reinhart und Rogoff beschrieben. Die Erholung erfolgt nur langsam.

Es gibt dennoch eine Menge Verwirrung, auch bei Ökonomen, was das Muster der langsamen Erholung der Wirtschaft von der Finanzkrise betrifft. Grundsätzlich scheint es eine Verwechslung zu geben, zwischen dem, was üblich ist und dem, was notwendig ist, wenn man darüber spricht, bemerkt Paul Krugman in seinem Blog.

Die Finanzkrise hat einen Überhang von Problemen im Privatsektor hinterlassen, hauptsächlich Überschuldung seitens einiger von Wirtschaftssubjekten, d.h. den privaten Haushalten in den USA, um es konkret auszudrücken. Weil diese Wirtschaftsakteure (economic agents) gezwungen oder veranlasst werden, Ausgaben zu kürzen, fällt der „natürliche“ Zinssatz (natural rate of interest rate) scharf: im Falle einer schweren Krise sogar unter Null, wie Krugman beschreibt.

Was das wiederum bedeutet, ist, dass konventionelle Geldpolitik, die i.d.R. die meisten der Last der wirtschaftlichen Stabilisierung trägt, nicht mehr wirksam wird.

Nun gibt es andere wirtschaftspolitische Optionen. Man könnte diskretionäre Fiskalpolitik, d.h. stimulus (Konjunkturpaket) an den Tag legen. Man könnte auch unkonventionelle Geldpolitik verwenden, um die Spreads (Risikoaufschläge) zu entspannen und/oder das Inflationsziel (inflation targeting) vorübergehend zu erhöhen, um die Nullgrenze (zero lower bound) Problematik zu überwinden. Historisch gesehen stemmen sich aber die Länder dagegen. Warum? Die Antwort: Politik. Geistige Verwirrung. Trägheit. Unangebrachte Ängste.

Grundsätzlich nimmt es viel mehr Klarheit und Einheit in Anspruch, legt Krugman dar, um diskretionäre Finanzpolitik zu verfolgen oder unkonventionelle Geldpolitik einzusetzen, als dass die Fed die Zinsen senkt. Und gibt nur wenige Länder, die über die Klarheit und Einheit verfügen. Und das ist der Grund, warum damals erst der Krieg dafür sorgte, dass die Great Depression beenden werden konnte. Aus wirtschaftlicher Sicht gibt es nichts Besonderes an Militärausgaben, argumentiert Krugman. Ausgaben sind Ausgaben.

Die begrifflichen Verwirrungen sehen wie folgt aus: Es gibt erstens einige Kommentatoren, die sich beschweren, dass Ökonomen wie z.B. Paul Krugman inkonsistent sind, weil sie sagen, dass Finanzkrisen i.d.R. längere konjunkturelle Einbrüche folgen, und doch sie wollen die Depression sofort beenden (End This Depression Now!), und sie behaupten, dass es rasch gehen kann. Es gibt keine Inkonsistenz hier. Denn es gibt einfache wirtschaftspolitische Massnahmen, die die Depression schnell zu Ende führen können. Das Problem ist, dass politische Entscheidungsträger diese Massnahmen nicht ergreifen, was Ökonomen wie Krugman dazu veranlasst, diese Bücher zu schreiben.

Es gibt zweitens eine Menge Verwirrung über den Unterschied zwischen dem Angebot und der Nachfrage. Immer und immer tönt das Argument, dass wir nicht erwarten dürfen, auf das Beschäftigungsniveau von 2007 zurückzukommen, weil es damals eine Spekulationsblase (bubble) gegeben hat. Aber was ist eine Blase? Es ist eine Situation, in welcher einige Leute zu viel ausgeben, hebt Krugman hervor. Und es ist nicht zu erwarten, dass diese Leute zu den vergangenen Ausgabe-Gewohnheiten zurückkehren.

Das sagt aber nichts darüber aus, ob andere Leute nun mehr ausgeben würden, sodass die Wirtschaft nicht unter unzureichenden Gesamtausgaben leiden muss. Hoch verschuldete Haushalte werden in den USA in Zukunft weniger ausgeben. Aber die öffentliche Hand kann mehr ausgeben, hält Krugman fest. Es gibt also keinen Grund, warum die gesamtwirtschaftliche Nachfrage trotz der jüngsten Exzesse einiger Wirtschaftsakteure niedrig verlaufen muss.

Die Nachwirkungen einer Finanzkrise bedeuten i.d.R. eine schlechte Zeit. Aber der Grund ist, dass wirtschaftspolitische Reaktion auf Krisen zumeist lausig ist. Diese Geschichte muss nicht wiederholt werden.

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