Freitag, 18. Januar 2013

Haushaltsdefizit ist nicht das grösste Problem


Es ist in diesen Tagen schwer, das Fernsehgerät einzuschalten oder einen Leitartikel zu lesen, ohne zu beobachten, wie jemand mit grosser Ernsthaftigkeit erklärt, dass die übermässigen Staatsausgaben und das daraus resultierende Haushaltsdefizit unser grösstes Problem sind, bemerkt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („The Dwindling Deficit“) am Freitag in NYTimes.

Solche Erklärungen werden argumentativ kaum begründet, als ob alle es ohnehin kennen müssten. Dies ist jedoch ein Fall, wo jeder genau weiss, dass es nicht stimmt, hält Krugman fest.

Es ist wahr, dass wir derzeit ein grosses Haushaltsdefizit haben. Aber das Defizit ist vor allem das Ergebnis der schwer angeschlagenen Wirtschaft. Und es bedarf in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft eines Defizits, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln, erläutert der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor weiter. Das Defizit wird zurückfallen, wenn die Wirtschaft sich erholt, was ja bereits erfolgt.

Die Frage ist jedoch, ob die Erholung der Wirtschaft ausreicht, den fiskalpolitischen Ausblick zu stabilisieren? Die Antwort ist laut Krugman ein klares Ja: Der Haushalt-Ausblick für die nächsten 10 Jahre ist nicht alarmierend.

Projektionen, die sich weit in die Zukunft strecken, sind mit Vorsicht zu geniessen, weil eine alternde Bevölkerung und steigende Kosten im Gesundheitssektor die Staatsausgaben höher antreiben. Aber die Frage ist, die nie ernsthaft gestellt wird, warum wir uns heute schon darum kümmern sollen, wie wir die Haushaltssitutation in den 2030er Jahren angehen wollen?

Man betrachte z.B. den Fall Social Security. An diesem Punkt beziehen sich „Reformvorschläge“ auf allmähliche Kürzung der Leistungen. Der Plan ist also so ausgelegt, dass man heute vermeiden will, in Zukunft die Leistungen zu kürzen, indem man sich heute verpflichtet, in Zukunft die Leistungen zu kürzen. Nicht wahr?

Und die gleiche Logik gilt auch für Medicare (der staatliche Gesundheitsdienst für Rentner). Es gibt also ein vernünftiges Argument dafür, die Frage, wie mit den zukünftigen Problemen umzugehen ist, Politikern zu überlassen, begründet Krugman seine Auffassung.

Es gibt also auf die mittlere Sicht kein Problem, sich um die langfristigen Budget-Fragen jetzt schon Sorgen zu machen.

Die Defizit-Schimpfer beherrschen die Debatte, indem sie sich gegen jeden Versuch stellen, ihr Lieblingsthema nicht untergehen zu lassen. Sie mögen es in einer Atmosphäre der Finanzkrise zu leben, weil es ihnen die Möglichkeit gibt, sich am Kinn zu kraulen und seriös zu klingen. Und es bietet einen Vorwand, die Sozialprogramme zu kürzen, was offensichtlich ihr wahres Ziel ist. 

Aber weder das gegenwärtige Defizit noch die erwarteten künftigen Ausgaben verdienen es, in den oberen Bereich der politischen Tagesordnung gestellt zu werden. Es ist Zeit, sich um andere Sachen zu konzentrieren, wie z.B. die schwer angeschlagene Wirtschaft und das schreckliche Problem der Langzeitarbeitslosigkeit.

Keine Kommentare: