Montag, 15. April 2013

Euro ohne Happy Ending


Tim Duy fragt in seinem Blog, wann wir alle endlich zugeben werden, dass der Euro gescheitert ist. Paul Krugman antwortet darauf in seinem Blog: Natürlich nie.

Zu viel Geschichte, zu viele Erklärungen, zu viel Ego wurden in die Einheitswährung investiert, sodass diejenigen, die involviert sind, wahrscheinlich jemals einräumen würden, dass sie einen Fehler gemacht haben, erklärt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises. Wenn das Projekt Euro als Katastrophe endet, dann ist es nicht so, dass der Euro Europa zum Scheitern gebracht hat, sondern Europa den Euro.

Krugman fasst die Ansicht, die er bislang vertreten hat, erneut zusammen, woran Europa leidet. Der Startpunkt sind die späten 1990er Jahre. Europa war ein Kontinent mit vielen Problemen, aber es sah nicht nach einer Krise aus. Und es gab auch nicht viele Anzeichen, dass es auf einem untragbaren Weg war. Dann kam der Euro.

Die erste Wirkung war ein Ausbruch von Europhoria. Plötzlich glaubten Investoren, dass alle europäischen Staatsanleihen gleich sicher seien. Die Renditen sind rund um die Peripherie von Europa gefallen, was einen enormen Zustrom des Kapitals nach Spanien und in die anderen Volkswirtschaften ausgelöst hat. Der Kapitalzufluss hat an vielen Orten eine riesige Immobilien-Blase gefüttert und im Allgemeinen einen Boom in den Ländern ausgelöst, wo das Kapital ankam.

Die Booms haben im Gegenzug unterschiedliche Inflationsraten erzeugt: Kosten und Preise sind an der Peripherie stärker gestiegen als im Kern der Eurozone. Die peripheren Volkswirtschaften wurden zunehmend wettbewerbsunfähig, was kein Problem darstellte, solange die durch den Kapitalzufluss ausgelöste Blasen anhielten. Aber es würde ein Problem entstehen, sobald der Zustrom des Kapitals versiegen würde.

Und der Kapitalzufluss kam zum Stillstand. Das Ergebnis war ein schwerer Einbruch der Konjunktur an der Peripherie, wo die interne Nachfrage zum grössten Teil verloren ging, aber dank dem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit auf der externen Seite schwach blieb.

Das ist das tiefe Problem der Einheitswährung, legt Krugman dar. Es gibt keine einfache Möglichkeit für die Korrektur, wenn man mit Kosten, die aus dem Rahmen fallen, konfrontiert ist. Die Volkswirtschaften an der Peripherie fanden sich einem längeren Zeitraum von hoher Arbeitslosigkeit gegenübergestellt, während eine langsam schleifende „interne Abwertung“ (internal devaluation) auf sie lastete.

Das Problem wurde jedoch erheblich verschärft, wegen der Kombination aus dem Rückgang der Einnahmen und der Aussicht auf eine lang anhaltende Konjunkturschwäche, die zu einem Anstieg der Haushaltsdefizite führte sowie aus den Bedenken hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit, auch wenn Länder wie Spanien am Vorabend der Krise einen Überschuss im Haushalt und geringe Staatsverschuldung hatten. Es kam am Anleihemarkt zu Panik. Und der Kern der Eurozone hat als Bedingung für die Finanz-Hilfe harsche Austeritätsmassnahmen gefordert.

Die Austerität hat wiederum den Abschwung an der Peripherie weiter vertieft. Und weil die Austeritätspolitik nicht durch eine expansive Politik im Kern der Eurozone ausgeglichen wurde, hat sich daraus in der Tat eine Rezession für die gesamte Wirtschaft Europas ergeben. Die Austerität ist m.a.W. an eigenen Konditionen gescheitert: Die Schuldenstandsquote (debt to GDP ratio) hat sich nicht verbessert, sondern deutlich verschlechtert.

Diese hässliche Szene hat damit eine sofortige Kernschmelze Europas fürchten lassen, mit politischen Unruhen, welche drohten,  zunächst einen „Staatsanleihen-Run“ und dann einen „Bank-Run“ auszulösen: ein Teufelskreis. Die EZB hat es aber irgendwie geschafft, die drohende Kernschmelze durch Interventionen zu unterbinden, unmittelbar oder mittelbar, um die Staatsanleihen zu stützen. Während aber die Finanzpanik abgewehrt wurde, hat sich die zugrunde liegende makroökonomische Situation weiter verschlechtert.

Was hätte Europa anders machen können? Zu Beginn der Krise haben Kritiker wie Paul Krugman eine Antwort mit drei Teilen geliefert. (1) Die EZB muss eingreifen, um die Finanzierungskosten zu stabilisieren. (2) Eine aggressive expansive Geld- und Fiskalpolitik im Kern der Eurozone, um den Prozess der internen Korrektur zu erleichtern. Und (3) Eine Aufweichung der Austerität an der Peripherie, nicht keine Austerität, sondern weniger, sodass die menschlichen Kosten weniger ausfallen. Der erste Teil ist mehr oder weniger erfüllt worden. Aber der Teil 2 und 3 bestimmt nicht.

Und die europäischen Behördern streiten heute die Grundlagen der Situation immer noch ab. Sie halten daran fest, das Problem als fiskalpolitische Verschwendung (haushaltspolitische Unverantwortlichkeit) zu definieren, was laut Krugman für Griechenland zutreffen mag, aber nicht für den Rest der Eurozone. Die europäischen Entscheidungsträger stellen die Austeritätspolitik und die interne Abwertung immer noch als Erfolg dar, mit jedem Vorwand zur Hand, dass z.B. in Irland die Produktivität gestiegen sei und die interne Abwertung funktioniere. Und der Rückgang der Rendite der Staatsanleihen durch die Intervention der EZB rechtfertige die Austeritätspolitik.

Das ist, wo wir jetzt sind, hält Krugman als Fazit fest. Und es ist schwer vorstellbar, ein Happy Ending zu sehen.

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