Sonntag, 25. August 2013

Das fraktionale Reservesystem versus Vollgeld

Brauchen wir ein neues Geldsystem?“, titelt die FAZ über einem langen Artikel zum aktuell heissen Thema, wie die Banken aus dem Nichts Geld schöpfen. Der Autor listet ein paar klassische Argumente der Anhänger der Österreichischen Schule (Austerians) auf: "Die Banken schaffen zu viel Geld, und das Vertrauen schwindet".

Aber es wird im Hinblick auf den Unterschied zwischen der Notenbankgeldmenge (monetary base) und der Geldmenge (money supply) nicht viel Klarheit geschaffen. Was feststeht, ist, dass die Austerians das fraktionale Reservesystem (fractional reserve banking) abschaffen wollen, um das Finanzsystem stabil und sicher zu machen. Um die Geldmengenkontrolle wiederzuerlangen, sollen Banken gezwungen werden, für alle Einlagen der Kunden eine Mindestreserve von 100% zu halten (Vollgeld). Nur die Notenbanken sollen Geld schöpfen dürfen.

Wer aber das fraktionale Reservesystem abschaffen will, müsste u.a. auch Repo und Money Market Funds abschaffen. Das scheint heute weder eine gute Idee noch machbar zu sein.

Die Austerians wollen, dass die Notenbank mehr Einfluss auf die Geldmenge hat. Die Anhänger des Vollgeld-Systems argumentieren daher, dass damit auch spekulative Blasen vermieden werden können. Wenn die Einlagen für die Bankkunden sicherer würden, gäbe es keinen Grund für Bank Runs.

Das Problem der Verwundbarkeit des fraktionalen Reservesystems ist jedoch bekannt, dass eine sich selbst erfüllende Prophezeiung Panik auslösen kann. Wenn die Menschen davon ausgehen, dass eine Bank fehlschlägt, würde sie alle gleichzeitig versuchen, ihre Ersparnisse von der Bank abzuheben, was einen Ansturm auf eine Bank verstärken würde.

Es gibt dafür aber eine Abhilfe: Einlagensicherung, „lender of last resort“-Funktion der Notenbanken und v.a. eine wirksame Bankenregulierung, um die explizite und implizite Garantien (moral hazard Problem) zu reduzieren. Es gilt daher, in Erinnerung zu rufen, dass die primäre Ursache von Spekulationsblasen die Deregulierung der Finanzmärkte ist.


US Notenumlauf, Graph: FRED, Fed St. Louis

Bemerkenswert ist, dass eine Vielzahl von Mainstream-Ökonomen derzeit an der Verzinsung der Überschussreserven der Banken auf Granit beissen. Allan Meltzer hat beispielsweise neulich in einem Artikel („When Inflation Doves Cry“) in Project Syndicate geschrieben, dass die Erholung der Wirtschaft sich verzögere, weil die Fed auf die Überschussreserven der Banken einen Zins zahle, wobei anzumerken ist, dass der Zinssatz (IOER) nur 0,25% beträgt.

Die US-Notenbank pumpe Billionen Dollar an Reserven in das System. Aber die Reserven, die durch die QE-Politik (quantitative easing: mengenmäsige Lockerung der Geldpolitik) geschaffen werden, werden von den Banken nicht dazu verwendet, die Geldmenge im Umlauf zu erhöhen. Die Banken lassen das Geld ungenutzt, erklärt Meltzer, weil die Überschussreserven eben zu 0,25% verzinst werden. Die Banken weisen neue Kreditnehmer und Start-up Unternehmen aus diesem Grund zurück, argumentiert der an der Carnegie Mellon University lehrende Wirtschaftsprofessor weiter.

Wie aber Paul Krugman in seinem Blog darauf hinweist, hat Japan in den 1990er Jahren, als die japanische Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckte, nicht etwas anderes erfahren, was die US-Wirtschaft in der Gegenwart erlebt, obwohl die Bank of Japan damals im Gegensatz zu US-Notenbank die Überschussreserven der Banken nicht verzinst hat.

Rutscht die Wirtschaft in eine Liquiditätsfalle ab, hat der Anstieg der Notenbankgeldmenge wenig Einfluss auf die Geldmenge. Im Übrigen hat Krugman bereits im Jahr 1998 in einem unbedingt lesenswerten Paper („It‘s Baaack: Japan’s Slump and the Return of the Liquidity Trap“) auf das liquidity-trap model hingewiesen und aufgezeigt, warum der Anstieg der Notenbankgeldmenge (monetary base) nicht zu einem Anstieg der Inflation führt.

Auf der Notenbankkonferenz in Jackson Hole hat nun Robert Hall gestern dieselbe Meinung („The Routes into and out of the Zero Lower Bound“) vertreten wie Allan Meltzer, dass die Verzinsung der Überschussreserven der Banken durch die Fed die wirtschaftliche Erholung dämpfe, wie Matthew C. Klein in einem Artikel in Bloomberg darauf hinweist.

Das überraschende Argument ist einfach falsch, wie Klein hervorhebt. Denn die Banken verleihen Reserven nicht als Kredit. Und die Schaffung von zusätzlichen Reserven bedeutet nicht, dass die Banken nun die Kreditvergabe an private Haushalte und Unternehmen erhöhen müssten oder würden. Klein verweist dafür auf ein halbes Jahrhundert  alte Paper von James Tobin. Der legendäre Yale-Ökonom hat damals die „nicht-Besonderheit der Banken“ unterstrichen, was Krugman heute gestützt auf die Analyse von Tobin & Brainard erklärt.

Die Erklärung von Tobin, dass die Mechanik der Kreditvergabe keine Rolle spiele, widerlegt auf einen Schlag einen grossen Teil des Unsinns, den man heutzutage hört, so Krugman.

Ja, die Geschäftsbanken können, im Gegensatz zu anderen Finanzintermediären, einen Kredit geben, einfach dadurch, dass sie dem Konto des Kreditnehmers das Geld gutschreiben. Aber es gibt keine Garantie dafür, dass das Geld dort bleibt.

Banken sind nur eine andere Art der Finanz-Vermittlungsinstanz. Und die Grössenordnung des Bankensektors (und damit die Menge von outside money, Aussengeld) wird durch die gleichen Art von Überlegungen bestimmt, die z.B. für die Grösse der Fondsbranche entscheidend sind, hebt Krugman hervor.

Was heisst das? Die grundlegende Vorstellung von Zinsen, die durch das Liquiditätspräferenz-Modell (liquidity preference) und das Modell des Kreditmarktes (loanable funds) bestimmt werden, ändert sich durch die Banken nicht. Was heisst das? Die Banken schaffen nicht aus dem Nichts Nachfrage, nicht mehr als jedes andere Wirtschaftssubjekt. Und die Rolle der Banken ist nur, zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer zu vermitteln.

Fazit: Interessant ist, zu beobachten, dass Austerians und Keynesianer sich heute im Bank-Wesen begegnen. Und am fraktionalen Reservesystem scheiden sich die Geister, weil viele Mainstreamökonome unterstellen, dass die Geldschöpfung eine Erhöhung der Nachfrage bedeutet. Die Kreditvergabe kann die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöhen. Aber es muss nicht sein. Wenn jemand nämlich beschliesst, seine Ausgaben zu kürzen und sein Geld auf eine Bank bringt, und die Bank seine Einlagen als Kredit an jemanden anderen verleiht, heisst das nicht unbedingt ein netto Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Im Übrigen: Der Bargeldumlauf ist in den letzten fünf Jahren im Sog der Finanzkrise stark gestiegen, obwohl die Fed keine Zinsen auf Banknoten zahlt.

1 Kommentar:

Wolfgang Waldner hat gesagt…

Dem muss ich widersprechen:

Wenn jemand nämlich beschliesst, seine Ausgaben zu kürzen und sein Geld auf eine Bank bringt, und die Bank seine Einlagen als Kredit an jemanden anderen verleiht, heisst das nicht unbedingt ein netto Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage.

Die Banken verleihen keine Ersparnisse, die bei einem Einzelnen durch die Kürzung seiner Ausgaben entstanden sind. Wäre das Geld nämlich ausgegeben worden, wäre es zwar für diesen Einzelnen weg, aber es fände sich eben auf anderen Konten. Die Banken erhalten also durch das Sparen nicht mehr und durch das Ausgeben nicht weniger Geld. Jeder Kredit schöpft neue Bankeinlagen. Auf meiner Website ist das unter VWL ausführlich begründet. Viele Grüße!