Samstag, 5. Oktober 2013

Austerität fordert, Schmerzen auf sich zu nehmen

Die Anhänger der Austeritätspolitik bejubeln das Wirtschaftswachstum um 0,4% im Euro-Raum im zweiten Quartal 2013 als Riesenerfolg. Es wird damit eine Stimmung vermittelt, als ob die harschen Sparmassnahmen sich unterdessen ausgezahlt hätten.

Ist dies aber wirklich der Fall? Nein, keineswegs, schreiben Paul De Grauwe und Yuemie Ji in einer kürzlich vorgelegten lesenswerten Analyse („The legacy of austerity in the euro zone“). Weil (1) die leichte Belebung der Konjunktur auf das OMT-Programm der EZB zurückzuführen ist und (2) die 

Austeritätspolitik eine unhaltbare Verschuldung hinterlässt, was aus Sicht der politischen Entscheidungsträger eine harte Herausforderung darstellt.

Die Autoren halten fest, dass die harschen Massnahmen zu einem starken Anstieg der öffentlichen Schulden geführt haben, zu einem grossen Teil aufgrund der schwachen Wirksamkeit der Austeritätspolitik. Die Sparmassnahmen leiden nämlich unter dem bekannten Problem „Trugschluss der Verallgemeinerung“ (fallacy of composition). Was für einzelne Teile stimmt, trifft nicht auf das Ganze zu.

Sparprogramme, die in Einzelfällen funktionieren, scheitern, wenn alle Länder gleichzeitig Sparmassnahmen treffen. Wegen des „Trugschluss der Verallgemeinerung“-Problems ist die Auteritätspolitik ineffektiv und kostspielig für die Peripherie. Ineffektiv,weil es viel Austerität bedarf, um das Haushaltsdefizit nur ein wenig zu senken. Kostspielig, weil die Austerität zum Output-Rückgang führt.

Dies hätte aber durch eine „aufgeklärte und symmetrische Haushaltspolitik“ vermieden werden können, wobei der unvermeidbare Sparkurs der Schuldnerländer durch expansive Fiskalpolitik (fiscal stimulus) in den Gläubigerländern hätte ausgeglichen werden müssen, sind De Grauwe und Ji überzeugt.


Wirtschaftswachstum versus Austerität,  Graph: Paul De Grauwe und Yuemei Ji in: „The Legacy of Austerity in the Eurozone“, Oct 2013


Eine solche symmetrische Haushaltspolitik hätte die ganze Last der Anpassung nicht auf die Schuldnerländer gelegt. Die Auslastung hätte aufgeteilt werden sollen. Schliesslich sind es die Gläubigerländer, die die Verantwortung für die Euro-Krise tragen.

Die Rezession im Südeuropa war eine Bilanz-Rezession (balance-sheet-recession), wo der Privatsektor verzweifelt versucht hat, Schulden abzubauen (deleveraging). Da die EU darauf beharrt hat, dass auch die öffentliche Hand die Verschuldung zurückführen muss, kam es zu eine debt-deflation-Dynamik, die tiefe Rezessionen an der Peripherie der Eurozone ausgelöst hat, zum Teil sogar Erinnerungen an die Depression in den 1930er Jahren weckend.

Der deflationäre Prozess zeigt alles in Allem eine stark negative Beziehung auf: je strenger die Austeritätspolitik ist, desto tiefer fällt das BIP.

Nach Schätzung der Autoren bedeutet ein Anstieg der Austerität um 1% im Durchschnitt ein Rückgang der Produktion um 1,4%. Ein Anstieg der Austerität um 1% führt lediglich zu einer Verbesserung des Haushalts um 0,5%. Das trade-off ist m.a.W. sehr unvorteilhaft. Die Regierungen müssten, um einen Ausgleich um 1% im Haushalt zu erreichen, einen Rückgang des BIP um 2,8% in Kauf nehmen. 

Die Schuldnerländer werden damit mit einer untragbaren Schuldenlast für mehrere Jahre, wenn nicht Jahrzehnte konfrontiert.


Die Anzahl der Jahre, die notwendig sind, damit die Länder an der Peripherie der EU ihre Schulden halbieren können, Graph: Paul De Grauwe und Yuemei Ji in: „The Legacy of Austerity in the Eurozone“, Oct 2013


Fazit: Spart ganz Europa gleichzeitig, kann z.B. Grossbritannien nicht wachsen. Spart die ganze Welt, kann es kein globales Wachstum geben. Die Ausgaben des einen sind die Einnahmen des anderen. Der Aufschwung, nicht der Abschwung ist der richtige Zeitpunkt für Sparmassnahmen.

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