Donnerstag, 31. Oktober 2013

Inflationsrate sinkt im Euro-Raum auf 0,7 Prozent

Die gegenwärtige wirtschaftliche Entwicklung im Euro-Raum zeigt, dass die absolute Höhe der Staatsverschuldung keinen Einfluss auf die Inflationsrate eines Landes hat. Wie das Statistische Amt (eurostat) der Europäischen Union (EU) heute mitteilt, ist die Inflationsrate im Oktober 2013 im Euro-Raum auf 0,7% gesunken. Das ist ein weiterer Rückgang gegenüber 1,1% im September.

Die herrschende Lehre hat von Anfang an die Finanzkrise wider besseren Wissens in eine Schuldenkrise umgedeutet, obwohl Spanien und Irland davor einen Haushaltsüberschuss hatten.

Die Peripherie geriet in die Bredouille, weil der Privatsektor sich auf Kredit (leverage) im Immobilien-Markt verspekuliert hat. Die Schuld wurde aber dem Staat in die Schuhe geschoben. Wer Schuld hat, ist schuldig: Im Merkels Weltbild gibt es auf der einen Seite Deutschland und auf der anderen Südeuropa.

„Wir sind ein starkes Exportland und stolz darauf“, antworten Politiker aus Deutschland heute auf einen kritischen Bericht des US-Schatzamtes in Bezug auf die hohen Überschüsse der deutschen Wirtschaft im Euro-Raum.

Das Defizit ist inzwischen gestiegen. Aber nur weil die Ausgaben gekürzt und die Löhne gesenkt wurden. Wer inmitten eines schweren Abschwungs die Gürtel enger schnallt, verschärft die Rezession. Ohne Wachstum können aber Staatsschulden nicht zurückgeführt werden. Die EU hat sich auf den Einzelfall Griechenland fixiert, und eine harsche Austeritätspolitik durchgesetzt.




Arbeitslosenquote des Euro-Raum bei 12,2%, Graph: eurostat, Oct 31, 2013

US-Schatzamt übt scharfe Kritik an Deutschlands hohen Überschüssen

Die Bank of Japan (BoJ) hat heute im Rahmen ihres halbjährlichen Konjunkturausblicks mitgeteilt, dass sie ihre Wachstumsziele für die Wirtschaft überarbeitet und die Ansicht vertritt, auf dem Kurs zu bleiben, die Inflationszielrate von 2% zu erreichen. Demnach dürfte die japanische Wirtschaft im Geschäftsjahr 2014 um 1,5% (bisher: 1.3%) wachsen. Die BIP-Prognose für 2015 bleibt bei 1,5% unverändert.

Während Japan sich dank einer lockeren Geld- und expansiven Fiskalpolitik anschickt, aus der Deflationsfalle zu kommen, scheint nun die Eurozone deflationäre Tendenzen aufzuweisen. 

Warum? Weil (1) die harschen Sparmassnahmen inmitten einer schweren Rezession die Nachfrage weiter belasten und (2) die Anpassung  in der Eurozone völlig einseitig stattfindet.  Die gebeutelten Länder an der EU-Peripherie verzeichnen zwar inzwischen wieder Exportwachstum. Die Binnennachfrage bleibt aber weiterhin schwach. Die Exporte gehen in den Rest der Welt. Innerhalb der Eurozone findet kein Ausgleich der Handelsströme statt. Das heisst, dass Deutschland  noch immer hohe Überschüsse verzeichnet. Wie soll die notleidende Peripherie wachsen, wenn die deutsche Wirtschaft keine Nachfrage für die Exporte aus z.B. Griechenland, Portugal und Spanien schafft?

Das US-Schatzamt übt in einem gestern dem US-Kongress übermittelten Bericht scharfe Kritik an Deutschlands hohen Überschüssen. Berlin lässt weder Lohnwachstum noch Haushaltsdefizit zu, um die Nachfrage zu stimulieren, wie FT aus London berichtet.

Globales Wirtschaftswachstum (real), Graph: US-Treasury in: Report to Congress on "International Economic and Exchange Rate Policies", Oct 30, 2013

Mittwoch, 30. Oktober 2013

Schulden-Apokalypse und linke Blogger

Die Hardliner sind besessen von der These, dass zu viel Staatsverschuldung schreckliche Sachen auslöst: Zinsen schiessen (wegen Crowding out) durch die Decke und die Inflation steigt kräftig an. Die Wirtschaft wird lahmgelegt. Der Marktkapitalismus kommt zum Erliegen.

Die Defizit-Falken, die ständig den Teufel an die Wand malen, werden von Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart akademisch unterstützt. Die Ökonomie-Professoren behaupten in einer im Jahr 2010 veröffentlichten Forschungsarbeit, dass die Volkswirtschaft  in einem Land, wo die Staatsverschuldung 90% des BIP übersteigt, deutlich langsamer wächst als in einem Land mit weniger Staatsschulden. Die Aussage „nimmt die Staatsverschuldung zu, bricht das Wachstum zusammen“ dient seither als intellektuelle Grundlage für die Austeritätspolitik, v.a. in Europa.

Die Protoganisten der harschen Sparmassnahmen haben damit einen kritischen Schwellenwert festgemacht. Wird die Marke von 90% überschritten, droht die Verschuldung hohe wirtschaftlichen Schäden anzurichten.

Stimmt es? Nein. Paul Krugman zeigt in seinem Blog anhand einer bemerkenswerten Abbildung mit neu verfügbaren Daten der britischen Notenbank (BoE: Bank of England) auf, dass die Schuldenstandsquote (debt-to-GDP) in England von 1700 an stetig gestiegen ist und 1825 mehr als das zweifache des BIP erreicht hat. Im Gegensatz zu den Warnungen von Rogoff und Reinhart fielen die britischen Zinsen zwischen 1800 und 1900 stetig. 

Die Zinsen schnellten im späten 20. Jahrhundert in die Höhe, zusammen mit denen der USA und dem Rest der Welt, obwohl die britische Staatsverschuldung von ihren Höchstständen im Zweiten Weltkrieg abgestürzt ist.




Staatsschulden versus Zinsen. Die 300-jährige Entwicklung in Grossbritannien, Graph: Prof. Paul Krugman

Montag, 28. Oktober 2013

Interview: Prof. Simon Wren-Lewis, Oxford University

Simon Wren-Lewis is an economics Professor at Oxford University and a fellow of Merton College.


The interest rates remain close to the zero lower bound for the fifth year. What went wrong?

Simple. Fiscal policy moved from expansion to contraction in 2010. See, for example, the studies cited in this post.


How long does take for European politicians to accept the reality that the surge in monetary base doesn’t cause inflation, while the mass unemployment remains?

I have no idea I’m afraid.


The inflation fell to 1.1% in the euro area in September. It’s now almost half of the ECB’s target of 2%. Is disinflation an opportunity for the ECB to do more (LTRO3, rate cuts etc.) to boost the demand?

When inflation falls well below target, central banks can do one of two things (or both). They can use what unconventional policies they can find to raise inflation. They can also say that because they are uncertain about how effective these policies will be, fiscal policy should be expansionary. The US Fed is doing both, although perhaps they could do more with unconventional policy. The ECB is doing very little on unconventional policy, and in addition is advocating continuing fiscal contraction. This is very wrong.

Thank you very much.


The “official” cost of austerity, Graph: Prof. Simon Wren-Lewis

Austeritätspolitik als Mythos und verkehrte Warnungen

Die nominalen Zinsen liegen mittlerweile zum fünften Jahrestag nahe an der Nullgrenze (zero lower bound). Es ist aber kein Grund zum Jubeln.

Doch gibt es viele Ökonomen, darunter auch namhafte, die sich weigern, zu verstehen, was es bedeutet. Erskine Bowles, Niall Ferguson, Alan Greenspan, Allan Meltzer warnen beispielsweise seit mehr als vier Jahren vor rasant steigenden Inflationsraten und Zinsen. Begründung: Anstieg der Notenbankgeldmenge (monetary base). Und das Haushaltsdefizit.

Meltzer wiederholt heute in einem Interview („Die Fed begeht einen groben Fehler“) mit der F&W seine Warnungen, die er seit Jahren vorträgt, mit Nachdruck. Die Inflation schiesst aber immer noch nicht durch die Decke. Und die Zinsen steigen auch nicht, trotz der von Meltzer angemahnten „hohen Staatsverschuldung“.

Fakt ist, dass sich alles ändert, wenn die Zinsen auf der Nullgrenze aufprallen. Das gilt über die herkömmliche Geldpolitik hinaus, wie Paul Krugman in seinem Blog anhand eines einfachen IS-LM-Modells vielfach aufgezeigt hat.

Wenn die Zinsen nahe null liegen, und die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt, führt der Anstieg der Notenbankgeldmenge nicht zu einer ausser Kontrolle geratenen Inflation.

Mongolei: Zentralbank finanziert das Banken-System

Die Credit Spreads erleben in der Mongolei seit drei Monaten eine Achterbahnfahrt.

In der Wirtschaft des Landes, das viereinhalb mal so gross ist wie Deutschland, und von nur 3,18 Mio. Menschen bewohnt wird, findet derzeit ein Credit Boom statt: Das jährliche Wachstum beläuft sich auf 48%. Und dahinter steckt die mongolische Zentralbank, die rund 21% des Bankensystems finanziert.

Desmond Lee und Gaurav Singhal von Morgan Stanley liefern heute die folgenden zwei Charts, mit der Warnung, dass die Devisenreserven des Landes abnehmen.


Die Abhängigkeit von der Finanzierung durch die Zentralbank, Graph: Morgan Stanley

Sonntag, 27. Oktober 2013

Robert Shiller und Eugene Fama am Sonntag in NYTimes

Es wird in diesen Tagen viel darüber gesprochen und diskutiert. Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften wurde manchmal an Ökonomen verliehen, die sich zutiefst widersprechen. Das Nobel-Komitee hat z.B. 1974 Gunnar Myrdal, einen sozialdemokratischen Ökonomen aus Schweden, der den Wohlfahrtsstaat befürwortet und Friedrich Hayek, einen Konservativen, der den Staat zurückdrängen will, mit dem Preis ausgezeichnet.

Dieses Mal, 2013 ging der Nobelpreis an Eugene Fama und Robert Shiller, die ähnlich unharmonisch gegeneinander stehen, für „empirische Analyse der Preise von Vermögenswerten“.

Robert Shiller nimmt nun in einem lesenswerten Artikel („Sharing Nobel Honors, and Agreeing to Disagree“) am Sonntag in NYTimes zu diesem offensichtlichen Missverhältnis Stellung.

Eigentlich sei er nicht ganz gegen die EMT (Efficient Markets Theory). Er nenne es „eine halbe Wahrheit“: Wenn die Theorie nichts mehr sagen würde, dass es unwahrscheinlich ist, dass der durchschnittliche Amateur-Investor mit den öffentlich verfügbaren Informationen durch den Handel in den Märkten schnell reich werden kann, dann würde sie voll ins Schwarze treffen. Aber die Theorie beinhaltet mehr, unterstreicht Shiller. Die regelmässigen Bewegungen in den Märkten reflektieren eine Weisheit, die das Verständnis der sogar besten Profis übersteigt. Und es ist für gewöhnliche Menschen geradezu hoffnungslos, die Preise zu hinterfragen. Die Marktpreise werden geschätzt, als ob sie Orakel wären.

Diese Ansicht dominiert das Denken von vielen professionellen Investoren. Und die Auswirkungen sind gefährlich. Es ist ein wesentlicher Grund für die Wirtschaftskrise, in der wir seit fünf Jahren stecken, hält Shiller fest. Die Märkte sind nicht vollkommen und benötigen in der Tat Regulierung.

Rezession und eine hilflose Jugend am Rande der Gesellschaft

Es ist eine gute Zeit, eine reiche Person in Amerika zu sein. Die Reichen scheffeln Geld, während die Wirtschaft sich erholt. Aber im Schatten ihres überragenden Reichtums findet eine weniger rosige Erholung statt, wo die Menschen leiden und mit Schmerzen aufwachsen , schreibt Charles M. Blow In einem lesenswerten Artikel („Billionaires‘ Row and Welfare Lines“) in NYTimes.

Dies ist die langsamste Erholung des Arbeitsmarktes seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Arbeitslosenquote sinkt, aber aus einem falschen Grund: eine wachsende Zahl von Menschen verzichten darauf, eine Stelle zu suchen.

Vor allem ist die Jugend besonders akut betroffen. Eine erstaunliche Zahl von 5,8 Millionen von jungen Menschen ist entrückt und abgekoppelt. Das heisst, dass sie weder beschäftigt noch in der Schule sind: hilflos am Rande der Gesellschaft.

Das Median-Haushaltseinkommen sinkt weiter.

Die entsetzliche Statistik zeigt, dass die Anzahl der obdachlosen Kinder in den öffentlichen Schulen seit Beginn der Rezession um 72% gestiegen ist. Fast ein Viertel der amerikanischen Kinder leben in Armut.



Arbeitslosigkeit und Erwerbsquote in den USA, Graph: Prof. Brad DeLong

Micro versus Macro

(Nur für Streber)

Mikroökonomie untersucht einzelwirtschaftliche Entscheidungen von Haushalten und Unternehmen. Makroökonomie befasst sich mit gesamtwirtschaftlichen Phänomenen auf aggregierter Ebene wie z.B. Inflation, Arbeitslosigkeit und Wirtschaftswachstum.

Seit Ausbruch der Finanzkrise von 2008 macht aber die Vorstellung die Runde, dass Makroökonomie irgendwie exzentrisch ist und nur Mikroökonomie echte Wissenschaft darstellt. Makroökonomie à la Keynes wird oft mit intensiver Abneigung betrachtet.

John Quiggin schreibt in seinem Blog, dass das grundlegende Problem dabei ist, dass die standard-neoklassische Mikroökonomie eine makroökonomische Theorie in dem Sinne ist, dass sie sich von einem allgemeinen Gleichgewichtsmodell (GE model) ableitet.

Das GE-Modell nimmt demnach Vollbeschäftigung (im technischen Sinne) als gegeben an und leitet daraus eine ganze Reihe von grundlegenden Ergebnissen her. Wenn die Wirtschaft nachhaltig hohe Arbeitslosigkeit aufweisen kann, muss aber mit der standard-neoklassichen Mikroökonomie etwas nicht stimmen, erklärt der an der University of Queensland, Australien lehrende Wirtschaftsprofessor.

Die Annahme der Vollbeschäftigung ist falsch. Was sie aber nicht allzu falsch macht, ist die Existenz von Stabilisierungsmassnahmen, Geld- und Fiskalpolitik, die dafür sorgen, dass die Wirtschaft sich von konjunkturellen Einbrüchen rasch wieder erholt. Makro ist, was Mikro funktionieren lässt, regänzt Paul Krugman in seinem Blog.

Keynes hat seine makroökonomischen Ideen so vertreten, dass sie die Welt für die neoklassische Mikroökonomie sicher machen. Wenn die Regierungen die Gesamtwirtschaft mit Fiskalpolitik stabilisieren könnten, gäbe es keine Notwendigkeit für umfassende wirtschaftliche Planung von der Art, wie sie von der Sowjetunion praktiziert wurden oder für ad-hoc Interventionen wie die Preisabsprachen-Elemente des New Deals unter Roosevelt, argumentiert Quiggin weiter.

Samstag, 26. Oktober 2013

Produktionslücke im Euro-Raum und Arbeitslosigkeit

Während die Arbeitslosigkeit im Euro-Raum weiterhin über 12% liegt, bleibt die Produktionslücke (output gap) gross. Negative Produktionslücke deutet auf Nachfrageausfall hin. Die Produktionslücke gibt nämlich die Differenz zwischen dem realen BIP und dem geschätzten Produktionspotenzial an. Das heisst die Abweichung des BIP von der Produktion (output), die bei Vollauslastung aller Kapazitäten möglich wäre.

Wie lässt sich die Produktionslücke schliessen? Nicht mit Austerität. Es steht ausser Zweifel, dass die Bestimmung des Produktionspotenzials für die Geldpolitik sehr wichtig ist.

Die EU-Kommission schätzt das Produktionspotenzial und das strukturelle Defizit (*) anhand das Produktionsfunktionsansatzes. Ein Experten-Ausschuss (Output Gap Working Group) hat nun einen Entwurf für eine neue Methode zur Berechnung der strukturellen Haushaltsdefizite in den EU-Ländern vorgelegt.



Produktionslücke (output gap), Graph: Morgan Stanley, Oct 24, 2013

Freitag, 25. Oktober 2013

Panikmache versus Fakten der Volkswirtschaftslehre

Die Panikmache hält in den USA an. Die Defizit-Schimpfer malen seit mittlerweile fast vier Jahren den Teufel an die Wand. Im Juni 2010 hat Alan Greenspan in einem Artikel („US Debt and the Greece Analogy“) in WSJ geschrieben, dass das Haushaltsdefizit zu steigenden Inflationsraten und Zinsen führen werde.

Erskine Bowles warnt bereits zweieinhalb Jahren davor, dass die ausländischen Investoren angesichts der hohen US-Verschuldung die US-Staatsanleihen auf einen Schlag auf den Markt werfen werden.

Warnungen über Warnung wie ein Schlag ins Wasser: die angeblich bevorstehende fiskalische Apokalypse findet aber nicht statt.

Wohlgemerkt: Die US-Regierung betreibt seit 2010 wieder eine Austeritätspolitik. Das heisst, dass die Ausgaben der öffentlichen Hand nicht unwesentlich gekürzt werden.

 

Ankauf von US-Treasury Bonds durch ausländische Investoren (wie z.B. Zentralbanken), Graph: Morgan Stanley

Die ausländischen Zentralbanken haben selbst während der Zeit des sog. Government Shutdown vermehrt  US-Staatsanleihen gekauft.

Greenspan erzählt in seinem Buch das Blaue vom Himmel

Alan Greenspan hat neulich sein neues Buch („The Map and the Territory“) vorgestellt.

Das Buch des ehemaligen Fed-Präsidenten ist in der amerikanischen Blogosphäre, gelinde gesagt, auf wenig Gegenliebe, gestossen. Es besteht aus einer diskursiven Tour der jüngsten Wirtschaftsgeschichte im Lichte der konservativen politischen Vorgaben. Es sei heute schwierig, Konjunkturprognosen zu machen, weil der Staat die Konkurrenz in den heimischen Märkten einschränke, behauptet Greenspan.

„Ich weiss nicht, welche Karte Alan Greenspan hat oder welches Gebiet er versucht, abzudecken, aber er scheint mir verloren“, schreibt Brad DeLong in seinem Blog dazu. Im Übrigen: Die Worte “Minsky”, “Kindleberger” und “Bagehot” kommen im Buch kein einziges Mal vor.

Es ist wirklich ein schreckliches Buch auf mehreren Ebenen, bemerkt Paul Krugman in seinem Blog, keine Verantwortungsübernahme für nichts, stattdessen die alte Leier: Fannie Mae und Freddie Mac hätten Wall Street irgendwie dazu gezwungen, faule Kredite zu vergeben.

Greenspan vertritt v.a. die Meinung, dass die staatlichen Sozialleistungen an Einzelpersonen, auch wenn sie durch Steuereinnahmen vollständig gedeckt werden, nationale Ersparnisse eins zu eins verringern.




Vergleich der Sozialausgaben als Anteil des BIP mit den nationalen Sparquoten (2010), Graph: Prof. Paul Krugman

Aussage: Höhere Sozialleistungen an Einzelpersonen führen nicht zu weniger Ersparnissen auf nationaler Ebene

Donnerstag, 24. Oktober 2013

Wirtschaftsnobelpreis und Spekulationsblasen

Die neue Fed-Präsidentin Janet Yellen hält es nicht für notwendig, mit der Geldpolitik Spekulationsblasen zu bekämpfen.

Da der Wirtschaftsnobelpreis 2013 an drei Ökonomen verliehen wurde, die sich mit der empirischen Modellierung der Preise von Vermögenswerten befassen, macht das Thema „bubble“ wieder die Runde.

Eugene Fama, der Verfechter der EMT (efficient market theory) sagt, dass er nicht wirklich verstehe, was bubbles sind oder wie bubbles existieren können, obwohl gerade 2008 die Immobilien- und Kredit-Märkte in die Luft gegangen sind und die globale Wirtschaft darunter leidet. Robert Shiller hingegen erklärt in zahlreichen Forschungspapieren, wie bubbles entstehen und was genau dahinter steckt.

Gavyn Davies fasst in einem lesenswerten Artikel („The Nobel Laureates on equity bubbles”) in FT die Standpunkte der zwei Kontrahenten kurz zusammen:

Fama erkennt an, dass es eine von Ökonomen weithin akzeptierte Definition von einer „Blase“ gibt, was bedeutet, dass die Preise von Vermögenswerten sich von einer durch Fundamentaldaten gerechtfertigten Ebene entfernen.

Für den Aktienmarkt ist der Preis beispielsweise durch die Fundamentaldaten gerechtfertigt, gestützt auf den erwarteten zukünftigen Fluss der Dividendenzahlungen abgezinst um den erforderlichen künftigen Ertrag des Vermögenswertes, wobei der erforderliche Ertrag dem risikolosen Zinssatz (risk free rate) + Risikoprämie für Aktien entspricht. Daraus folgt, dass ein Anstieg des erwarteten Stroms an Dividenden den Aktienkurs erhöht, während ein Anstieg des erforderlichen Ertrags den Aktienkurs senkt.

Mittwoch, 23. Oktober 2013

Kritik an Austeritätspolitik durch einen EU-Ökonomen

Die koordinierte Sparpolitik im Euro-Raum hat die wirtschaftliche Erholung erstickt und die Krise vertieft, steht in einer aktuellen Forschungsarbeit zu lesen, die das WSJ zitiert. Was bemerkenswert ist, dass die Studie von einem Ökonomen bei der Europäischen Kommission vorbereitet wurde.

Die Ausgabenkürzungen v.a. in Deutschland haben die Dinge durch Spillovers in den von der Krise schwer angeschlagenen EU-Ländern verschlimmert, lautet die eine Aussage der Analyse: limitierte Konjunkturprogramme in reicheren EU-Ländern hätten dem ganzen Währungsraum helfen können.

Die Forschungsarbeit repräsentiert nicht notwendigerweise die Meinung der EU-Kommission. Dennoch stellt sie einige unbequeme Schlussfolgerungen für die europäischen Behörden dar, wie das WSJ unterstreicht.

Dienstag, 22. Oktober 2013

Staatsanleihen: China-USA-Japan

Am Anfang steht die Frage, ob in einem Land, welches über eigene Währung verfügt und die Geldpolitik selbst gestalten kann, eine Krise à la Griechenland möglich ist.

Nun ein Schwenk zu China: Die Chinesen kaufen US-Staatsanleihen (UST). Die Chinesen kaufen japanische Staatsanleihen (JGB).

Ökonomen, die eher der rechten Seite des politischen Spektrums nahe stehen, argumentieren seit ein paar Jahren mit Nachdruck, dass die US-Wirtschaft vor einem Chaos stünde, wenn China die US-Staatspapiere auf einen Schlag verkaufen würde. Es sei daher wichtig, die Staatsverschuldung rasch abzubauen und das Haushaltsdefizit schnell zurückzufahren. Zudem sei es notwendig, die Sozialleistungen zu kürzen.

Erskine Bowles hat im März 2011 davor gewarnt, dass schlimme Sachen passieren werde, wenn die Chinesen die UST auf den Markt werfen würden, wie Paul Krugman in seinem Blog darlegt.

Aber auch in Japan werden Besorgnisse über chinesische Käufe von japanischen Staatsanleihen geäussert. Japan ist aber nicht besorgt, weil China damit aufhören würde, JGB zu kaufen, sondern, weil China damit beginnen würde, JGB zu kaufen.

Die japanische Regierung sucht daher Gespräche mit der chinesischen Führung, weil durch den Kauf der japanischen Staatspapiere durch die Chinesen der Yen sich aufwertet und damit die Erholung der Wirtschaft untergräbt.



Yen Wechselkurs (real), Graph: Prof. Paul Krugman

QE-Politik, Wirtschaftswachstum und Geldmultiplikator

Über die Vor- und Nachteile der mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik wird in der akademischen Welt nach wie vor lebhaft diskutiert.

Ist die QE-Politik aber tatsächlich ein Buch mit sieben Siegeln?

Eine Argumentation, die immer wieder vorgetragen wird, lautet, dass Quantitative Easing (QE) einen begrenzten Effekt auf das BIP-Wachstum hat. Es fragt sich aber im Vergleich mit welchem alternativen Szenario?

In einer aktuellen Studie schreibt Lacy Hunt, dass der Geldmultiplikator, wenn die Reserven (Giroguthaben der Geschäftsbanken bei der Fed), die durch das Anleihekaufprogramm (LSAP) geschaffen werden, in der ganzen Wirtschaft in der traditionellen Art und Weise ankämen, stabiler sein müsste. Der ehemalige Ökonom für die Fed Dallas deutet auf den Einbruch des Geldmuliplikators hin und vertritt die Ansicht, dass das Geld bei den Banken bleibe und für spekulative Transaktionen verwendet werde.

Stimmt es? Nein. Wie Antonio Fatas in seinem Blog hervorhebt, stellen die Reserven einen Vermögenswert in der Bilanz der Geschäftsbanken dar. Die betreffende Summe ist gestiegen, weil die Banken an die US-Notenbank andere Vermögenswerte verkauft haben, sodass der Betrag der „riskanten“ oder „weniger flüssigen“ Assets zurückgegangen ist.

Montag, 21. Oktober 2013

Was ist Inflation Risk Premium?

Wenn die nominalen Zinsen nahe Nullgrenze (zero lower bound) liegen, führt der Anstieg der Notenbankgeldmenge (monetary base) nicht zu einem Anstieg der Inflation. Da die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt, löst die Vorausgabung von öffentlichen Haushaltesmitteln (deficit spending) in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft (depression) nicht einen Anstieg der Zinsen aus.

Sparen fördert in einem solchen Marktumfeld Investieren nicht. Ganz im Gegenteil: Wenn private Haushalte, Unternehmen und die öffentliche Hand in Zeiten wirtschaftlicher Depression sparen, fallen die Investitionen. Und die bereits gebeutelte Konjunktur wird zusätzlich belastet. Im Angesichts des gesamtwirtschaftlichen Nachfrageausfalls ist daher nicht mit Inflation zu rechnen. Ohne hohe Nachfrage und ohne hohe Kosten gibt es keine Inflation.

Im Euro-Raum ist die jährliche Inflation im September auf 1,1% gefallen. Die Inflationszielrate (2%) der EZB wird damit seit sechs Monaten regelrecht unterboten. Dennoch kommt Inflation in Europa auch heute nicht weg von Schlagzeilen, wohl als Ausdruck der wirtschaftlichen Weltanschauung.

Wie lassen sich aber Inflation Tail Risks (das Risiko extremer Verluste) messen? Es gibt dazu hauptsächlich zwei Methoden: (1) Inflation Options Markets, und (2) TIPS Markets.



Inflation Risk Premium, Graph: Tiffany Wilding, Morgan Stanley

Sonntag, 20. Oktober 2013

China und US-Staatsanleihen

Es ist ein offenes Geheimnis, dass China auf einem riesigen Berg an US-Staatsanleihen sitzt. Die Chinesen haben weltweit die meisten US-Treasury Bonds: ca. 1‘000 Mrd. USD. China kauft nämlich mit seinen umfangreichen Devisenreserven US-Staatsanleihen. Es handelt sich dabei im Grunde genommen nicht um eine Investition, sondern mehr oder weniger eine politische Entscheidung. Die US-Staatsanleihen gelten weltweit als sicher, liquide und hochwertig.

Im Sog des aktuellen US-Haushaltsstreits macht wieder die Vorstellung die Runde, dass China das Vertrauen in Obama-Regierung verlieren und auf einen Schlag alle US-Staatspapiere abstossen könnte.

Ist das US-Schatzamt nun alarmiert, um negative Auswirkungen auf die US-Wirtschaft abzuwenden? Ein plötzlicher Verkauf der Anleihen würde die Zinsen der Erwartung nach durch die Decke schiessen lassen und auf der ohnehin angeschlagenen US-Wirtschaft lasten.

Ist es aber so? Nein. Die kurzfristigen Zinsen werden in den USA durch die Fed bestimmt. Etwas unklar ist die Vorstellung, wie die langfristigen Zinsen durch den Verkauf von US-Bonds tangiert werden sollen. Denn die langfristigen Zinsen bestehen aus drei Komponenten: (1) Inflationserwartungen, (2) Erwartungen in Bezug auf die kurzfristigen Realzinsen und (3) Laufzeitprämie.

Selbst wenn China’s Beschluss, seine Bestände an US-Treasury Bonds wesentlich abzubauen, auf den Kurs der Anleihen am langen Ende der Ertragskurve einen Dämpfer auslösen würde, könnte die Fed in die Bresche springen, mit mehr QE-Politik und dem Ankauf von Anleihen (*).

Samstag, 19. Oktober 2013

Okuns Gesetz: Produktionswachstum und Arbeitslosigkeit

Gibt man der Versuchung nach, könnte man als erste Annäherung davon ausgehen, dass ein Prozent Rückgang der Produktion (output) mit einem 1%-igen Rückgang der Beschäftigung und einem 1%-igen Anstieg der Arbeitslosigkeit verbunden ist.

Weit gefehlt! Arthur Okun hat nämlich aufgezeigt, bekannt als das Gesetz von Okun, dass eine um 1% höhere Arbeitslosigkeit mit einem um 3% geringeren BIP einhergeht. Das heisst, dass das BIP, wenn die Arbeitslosigkeit 2% über dem Vollbeschäftigungsniveau liegen würde, 6% unter dem Potenzial (d.h. das BIP bei Vollbeschäftigung) wäre.

Die wesentliche Logik, die dem Gesetz von Okun zugrunde liegt,  hat sich im Lauf der Jahrzehnte als robust erwiesen. Der sinkende Anteil des verarbeitenden Gewerbes und andere Veränderungen im Hinblick auf die Struktur der Wirtschaft haben jedoch die Grösse der zyklischen Auswirkungen allmählich gewandelt, schreibt George L. Perry in einem lesenswerten Artikel („Okun’s Law says we are growing well below our economic potential“).

In den letzten Jahrzehnten ist der Parameter des Okun'schen Gesetzes, welcher in den ersten Jahrzehnten der Nachkriegszeit 3 war, in jüngerer Zeit etwa 2 gewesen, betont Perry.

Wie gross ist die Produktionslücke (output gap), die Differenz zwischen dem tatsächlichen und dem potenziellen BIP,  in der heutigen Wirtschaft?



US Produktionslücke (output gap), Graph: Prof. Menzie Chinn

Freitag, 18. Oktober 2013

Erpressung der US-Regierung und Schaden für die Wirtschaft

Die amerikanische Regierung nimmt das Geschäft wieder auf. Es kommt nicht zum Zahlungsverzug (default). Wochenend und Sonnenschein?

Nun, nicht, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („The Damage Done“) am Freitag in NYTimes. Der Kongress hat lediglich einer vorübergehenden Lösung zugestimmt. Und Amerika könnte das alles in ein paar Monaten noch einmal durchmachen.

Darüber hinaus ist es wichtig, zu erkennen, dass der wirtschaftliche Schaden von der Obstruktion und der Erpressung noch nicht zum Vorschein gekommen ist, seit die GOP die Regierung abgeschaltet hat. Es ist nämlich ein fortlaufender Prozess, seit die Republikaner das Abgeordnetenhaus im Jahr 2010 übernahmen, legt Krugman dar.

Ein guter Ausgangspunkt für die Beurteilung der Schäden ist ein Bericht von Macroeconomic Advisers, wo geschätzt wird, dass die „von der Krise getriebene Fiskalpolitik“ seit 2010 die Wirtschaftswachstumsrate um rund 1% in den vergangenen drei Jahren gekürzt hat. Dies impliziert kumulative wirtschaftliche Verluste in Höhe von 700 Mrd. USD. Die Forscher schätzen zudem, dass die Arbeitslosigkeit um 1,4% höher liegt.

Doch der Bericht berücksichtigt die restliche schlechte Politik nicht, nämlich die mehr oder weniger direkten Folgen der republikanischen Übernahme im Jahr 2010. Es gibt zwei schlechte Sachen, die im Bericht unerwähnt bleiben, worauf Krugman mit Nachdruck hinweist: Anstieg der Sozialversicherungsabgaben (payroll tax) und scharfe Kürzung der Beihilfen für Arbeitslose. Beide Massnahmen haben die Kaufkraft der amerikanischen Arbeitnehmer verringert, was die Konsumnachfrage reduziert und schliesslich das Wachstum gedrückt hat.

Warum haben aber republikanische Forderungen so konsequent eine deprimierende Wirkung auf die Wirtschaft?



Soziale Leistungen für Arbeitslose in den USA, Graph: Prof. Paul Krugman in NYTimes

EZB blickt auf Disinflation im Euro-Raum

Die jährliche Inflation im Euro-Raum ist im September auf 1,1% gesunken. Ein Jahr zuvor hatte sie laut eurostat 2,7% betragen. Damit liegt die Inflation um rund 1% unterhalb der Zielmarke der EZB von 2,0%.

Im Angesichts der anhaltenden Austeritätspolitik dürfte die Inflation weiter fallen. Da alle Länder in Europa zur Zeit versuchen, die Wirtschaftsprobleme über internal devaluation (sprich: wage moderation) zu lösen, verstärken sich die deflationären Tendenzen (deflationary bias) weiter.

Im Übrigen wird die Inflationszielrate in der Eurozone bereits seit April durchweg unterboten.

Was unternimmt die EZB dagegen? Mario Draghi, EZB-Präsident gibt sich bisher gelassen. Die Disinflation reflektiert ohne Zweifel die angeschlagene Wirtschaft, während die Arbeitslosigkeit auf einem sehr hohen Niveau verharrt und die Produktionslücke (output gap) geöffnet bleibt. Eine anhaltende Disinflation würde i.d.R. weitere Lockerung der Geldpolitik erfordern,  wie z.B. in Form von LTRO 3 und/oder Zinssenkung.

In Griechenland beträgt die jährliche Inflation minus 1%, was die reale Last der Verschuldung dort ungemein erhöht.



Inflation im Euro-Raum, Graph: eurostat

Donnerstag, 17. Oktober 2013

Government Shutdown und Arbeitslosigkeit

In letzter Minute wurde eine Einigung erzielt. Der Zahlungsausfall (default) ist damit abgewendet. Die US-Regierung arbeitet wieder. Die Massenarbeitslosigkeit bleibt aber bestehen.

Wie grotesk! Während die USA die schwerste Arbeitslosigkeit seit der Great Depression in den 1930er Jahren erleben, blieb die Verwaltung zwei Wochen abgeschaltet.



US Erwerbsquote, Graph: FRED Fed St. Louis

Das Verhältnis der Beschäftigten zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter

Die Suche nach der monetären Stabilität in Europa

Die europäischen Entscheidungsträger ringen seit Jahrzehnten um die gegenseitige Stabilisierung der Währungen in Europa. Es geht v.a. darum, Probleme im Hinblick auf Inflation, Abwertung und Schwankungsanfälligkeit zu bekämpfen. Bisher wurden verschiedene Wechselkursmechanismen in Angriff genommen. Nachdem Scheitern des Bretton-Woods-Systems (feste Wechselkurse) wurde z.B. im April 1972 der Europäische Wechselkursverband („Währungsschlange“) gegründet. Denn die Bindung an den US-Dollar hatte sich als nachteilig erwiesen.

Um mit Deutschland in Sachen Effizienz Schritt halten zu können, waren die Europas Regierungen bereit, sich an der Geldpolitik der Bundesbank zu orientieren. Entweder man hat die eigene Währung abwerten oder eine enge Bindung an die DEM suchen müssen. So lautete der allgemeine Tenor damals.

Es war jedoch schwer, sich gegen Deutschland zu behaupten. Wie Mark Blyth in seinem lesenswerten Buch („Austerity“) hervorhebt, hat Deutschland weltweit die niedrigste Preiselastizität im Exportgeschäft. Wer also seine Währung an die DEM bindet, müsste in Sachen Qualität und Preis mit Deutschland konkurrieren können.

Es war aber nicht einfach, weil die DEM in der Nachkriegsperiode unterbewertet war und die deutschen Arbeitskosten und die Inflationsrate deutlich unter dem Durchschnittswert in Europa lagen. Die deutsche Wirtschaft hat damit die restliche Konkurrenz in Europa unterbieten können.

Im Verlauf der Zeit hat sich insbesondere Frankreich gegen Deutschlands Dominanz gewehrt. Die „Währungsschlange“ wurde daher 1979 durch das Europäische Währungssystem (EWS) abgelöst. Das EWS war das Hauptinstrument der währungspolitischen Zusammenarbeit zwischen der Ländern der EU von 1979 bis 1999.


Net Balance with the Eurosystem, Graph: Paul DeGrauwe and Yuemei Ji, in: „The fragility of two monetary regimes: The European Monetary System and the Eurozone“, Oct. 2013

Das Fehlen eines Abwertungsrisikos (devaluation risk) in der Eurozone hat den Effekt, dass die Spreads zwischen Staatsanleihen nur das Risiko (credit risk) der Zahlungsunfähigkeit (default) widerspiegeln. Die EZB war bereit, die Geldmärkte mit Liquidität zu versorgen. Wie es aber mit dem Anleihemarkt?

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Fünf Jahre an der Nullgrenze

Es ist mittlerweile das fünfte Jahr, seit die nominalen Zinsen gegen die Nullgrenze (zero lower bound) aufgeprallt sind. Das ist sicherlich kein erfreuliches Jubiläum. Denn es steht damit fest, dass die Wirtschaft in eine Liquiditätsfalle geraten ist.

Die Fed hat am 15, Dezember 2008 die Leitzinsen (fed funds rate) zwischen 0 und 0,25% gesetzt. Der effektive fed funds rate ist sogar heute ganz nahe null. Einige Ökonomen wie z.B. Paul Krugman, Brad DeLong, Martin Wolf, um ein paar Namen zu nennen, versuchen seither, darzulegen, dass der Einschlag der Wirtschaft an der Nullzinsgrenze bedeutet, dass sich von jetzt an alles ändert, nicht nur die Regeln für die herkömmliche Geldpolitik, sondern viel mehr.

(1) Der Anstieg der Notenbankgeldmenge (monetary base) führt nicht zu einem Anstieg der Inflation.

(2) Sparen fördert das Investieren nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Die Rede ist von Sparparadoxon (paradox of thrift). Wenn private Haushalte, Unternehmen und die öffentliche Hand in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft gleichzeitig sparen, fallen die Investitionen. Und die Konjunktur wird erheblich belastet.

Wenn die privaten Haushalte oder der Staat die Ausgaben kürzen, kann die Fed den Nachfrageausfall mit Zinssenkung nicht ausgleichen, weil die Zinsen bereits an der Nullgrenze liegen. Die Wirtschaft schrumpft und der Anreiz, zu investieren wird verringert. Schliesslich fallen die Investitionen. Spätestens hier kommt der Unterschied zwischen dem einzelwirtschaftlichen und dem gesamtwirtschaftlichen Denken eindeutig zum Vorschein.



Fed Funds Rate, Graph: Prof. Paul Krugman

Dienstag, 15. Oktober 2013

Wie Austerität Menschen verarmt

Aus einer heute vom Schweizer Bundesamt für Statistik (BFS) vorgelegten Veröffentlichung geht hervor, dass Griechenland, Portugal und Spanien von der Armutsgefährdung im Euro-Raum am stärksten betroffen sind.

Verantwortlich dafür ist die hemmungslos umgesetzte Austeritätspolitik der EU, die von Brüssel und Berlin auferlegt wird, ohne Rücksicht auf Verluste.
  



Armutsgefährdung und materielle Entbehrung im europäischen Vergleich, Graph: Schweizer Bundesamt für Statistik BFS, Oct 15, 2013

Erwerbsarmut in der Schweiz

Das Bundesamt für Statistik (BFS) berichtet heute in einer Publikation über die Armut der erwerbstätigen Bevölkerung.

In der Schweiz waren demnach 2011 knapp 130‘000 Personen von Erwerbsarmut betroffen und rund 240‘000 Erwerbstätige armutsgefährdet.
  



Durchschnittliche Armutsgrenzen in der Schweiz, Graph: Bundesamt für Statistik BFS, Oct 15, 2013



Warum gibt es immer noch einen Wirtschaftsnobelpreis?

Der Wirtschaftsnobelpreis ging 2013 an Eugen Fama (Chicago) und Robert Shiller (Yale). Die beiden amerikanischen Ökonomen stehen für entgegengesetzte Ideen.

Fama bekommt den Preis für die Formulierung der Hypothese der effizienten Märkte (EMH: Efficient Market Hypothesis), Shiller für seine führende Rolle bei Abriss der EMH.

Die Volkswirtschaftslehre ist insgesamt immer noch in einem vorwissenschaftlichen Stadium, schreibt John Quiggin in seinem Blog dazu, zumindest wie die Idee der Wissenschaft durch Physik und Chemie veranschaulicht wird.

Die Wirtschaftswissenschaftler haben einige wichtige Entdeckungen gemacht und die Kenntniss der Wirtschaft hilft uns, wichtige Probleme zu verstehen. Aber es gibt keine Einigung über grundlegende Fragen, hebt der an der University of Queenland, Australien lehrende Wirtschaftsprofessor hervor.

Das Ergebnis ist, dass die Preise sowohl für „Entdeckungen“ als auch für die Widerlegung dieser Entdeckungen verliehen werden.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, wie die schwedische Zentralbank (Riksbank) mit der Betonung des „wissenschaftlichen“ Status für Wirtschaft ihre Unabhängigkeit von der Regierung unterstreicht.

Montag, 14. Oktober 2013

Die dogmatische Ablehnung des Keynesianismus hat fatale Folgen

In einer Antwort auf Bryan Caplans Blog-Eintrag unterstreicht Simon Wren-Lewis in seinem Blog, dass die Nominallohnrigidität (nominal rigidity wages) ein Faktum ist.

Der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor meldet jedoch zwei Beschwerden über die Dominanz der Mikrofundierung (microfoundation) in der Makro-Ökonomie. Der Ansatz Mikrofundierung (*) soll aber weder als „grundlegend fehlerhaft“ impliziert noch aufgegeben werden. Er selbst lerne nämlich noch nützliche Dinge vom Aufbau der DSGE-Modelle.

Seine erste Beschwerde ist, dass zu viele Ökonomen eine „puristische Position“ in Sachen Mikrofundierung vertreten: „wenn etwas nicht mikrofundiert werden kann, gehört es in kein Modell“. Mit anderen Worten bestehen einige Vertreter des microfoundation-Ansatzes darauf, nur das in die Modelle einzubauen, was mikrofundiert werden kann, und nicht was sie in der Praxis beobachten. Dies führt laut Wren-Lewis zu einer Standard-Methode, die innovative makro-ökonomische Forschung ablehnt.

Seine zweite Kritik ist, dass die Mikrofundierung, die von Makroökonomen verwendet wird, veraltet ist. Die Verhaltensökonomie beispielsweise schafftenicht einmal einen Einblick, argumentiert Wren-Lewis. Ein gutes und sehr wichtiges Beispiel kommt aus der Zurückhaltung der Unternehmen, die Nominallöhne zu senken. Es gibt eine überwältigende empirische Evidenz für dieses Phänomen.

Die verhaltensökonomische Gründe werden übrigend von Truman Bewley in seinem Buch („Why Wages Don’s Fall“) behandelt. Sowohl die Geldillusion als auch die Bedeutung der Moral der Arbeitskräfte sind von Behaviroral Economics gut akzeptierte Ideen, hebt Wren-Lewis hervor.


Arbeitslosigkeit in Spanien, Graph: Prof. Sven Wren-Lewis

Sonntag, 13. Oktober 2013

Eine Herausforderung für anti-keynesianische Einstellung

Ein oft wiederholtes Argument der schrillen Anti-Keynesianer ist, dass Keynesianismus nicht nur falsch, sondern eine inkohärente Pseudo-Wissenschaft sei.

Für diejenigen, die Keynesianismus für ein düsteres Bild halten, bietet Bryan Caplan im Blog Library of Economics and Liberty eine Herausforderung bereit: Lesen Sie bitte Truman Bewley’s BuchWhy Wages Don’t Fall During a Recession“.

Nach der Lektüre Bewleys Buch werden Sie zustimmen, dass keiner der folgenden typisch keynesianischen Ansprüche als Pseudo-Wissenschaft gelten. Und Sie werden darüber hinaus akzeptieren, dass mindestens zwei dieser Behauptungen, wenn nicht wahr, doch zumindest glaubwürdig sind, hält Caplan fest.

(1) Nominallohnrigidität spielt eine grosse Rolle in der modernen US-Wirtschaft.

(2) Ein wesentlicher Teil dieser Nominallohnrigidität stammt von der grundlegenden menschlichen Psychologie, nicht aus staatlicher Regulierung.

(3) Nominallohnrigidität ist ausreichend haltbar, um ein langfristiges trade-off zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit bei niedrigen Inflationsraten zu erstellen.

Obstruktionspolitik der GOP lastet auf US-Wirtschaft

Der Streit um den Haushalt hält in den USA an. Präsident Obama will auf den Vorschlag der Republikaner, die Schuldenobergrenze (debt ceiling) vorübergehend (zwei Monate) zu erhöhen, zu Recht nicht eingehen. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Teile von Ministerien und Behörden bleiben in Washington geschlossen (government shutdown). Die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit (default) bleibt damit bestehen.

Mittlerweile spekulieren einige Experten über die Möglichkeit einer Spaltung innerhalb der GOP oder eine Art Putsch, wo die Parteiältesten, die von der Geschäftswelt unterstützt werden, die Kontrolle von den Verrückten in der Partei übernehmen würden.

Doch Paul Krugman hält es für ein Wunschdenken. Der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor deutet darauf hin, dass die Republikaner schlecht für die Geschäftswelt sind. Seit die Republikanische Partei das Repräsentantenhaus  eroberte, fallen die Staatsausgaben (bereinigt um die Inflation und die Bevölkerung) schnell.

Das ist genau das Falsche, in einer noch angeschlagenen Wirtschaft mit Zinsen nahe null zu tun. Nach einer Überschlagskalkulation wäre das BIP heute um mindestens 2% höher. Und die Unternehmensgewinne lägen um mindestens 6% höher, wenn es die harschen Sparmassnahmen (austerity) nicht gäbe, hebt Krugman hervor.



US Staatsausgaben, Graph: Prof. Paul Krugman
Die republikanische Obstruktionspolitik kostet Corporate America eine Menge Geld

Samstag, 12. Oktober 2013

Japan’s Drei-Pfeiler-Strategie gegen die Deflation

Shinzo Abe wurde im vergangenen November mit grosser Mehrheit zum neuen Premierminister Japans gewählt. Seither versucht er mit Hilfe der japanischen Notenbank (BoJ) mit der “Abenomics” genannten Wirtschaftspolitik die anhaltende Deflation im Land zu bekämpfen.

Die Drei-Pfeiler-Strategie umfasst (1) eine aggressive Ausweitung der Geldmenge durch die Zentralbank, (2) Investitionen der öffentlichen Hand in Infrastruktur und (3) Strukturreformen.

Barry Eichengreen nennt es in einem aktuellen Artikel „Abe’s ausgezeichnetes Abenteuer“ und zitiert dazu Henry Wadsworth Longfellow’s Gedicht „I shot an arrow in the air, it fell to earth, I knew not where“.

Longfellow war ein amerikanischer Dichter des früheren 19. Jahrhunderts. Sein Gedicht hat sich bestimmt nicht auf den japanischen Premierminister bezogen. Aber es hätte sein können. Was Abe nämlich seinen Drei-Pfeiler ökonomischen Regeneration-Plan bezeichnet, ist ein Schuss in die Dunkelheit in einem Land, welches im Allgemeinen keine Risikobereitschaft an den Tag legt, schildert Eichengreen.

Der erste Pfeiler betrifft aggressive Lockerung der Geldpolitik, die dafür umgesetzt wird, den Drachen Deflation zu erlegen.

Der zweite Pfeiler beinhaltet Konjunkturmassnahmen (fiscal stimulus) mit einer einmaligen Dosis mit dem Ziel, dem Wirtschaftswachstum nach mehr als zwei Jahrzehnten Starthilfe zu geben.

Der dritte Pfeiler ist eine Mischung aus Strukturreformen, entwickelt mit dem Zweck, die produktive Effizienz zu steigern, Investitionen anzukurbeln und rasches Wachstum nachhaltig zu erbringen.

Freitag, 11. Oktober 2013

Government Shutdown und verheerende wirtschaftliche Auswirkungen

Die Republikaner haben beschlossen, die Schuldenobergrenze ohne Auflagen zu erhöhen. Die Details sind aber noch nicht klar.

Vielleicht ist es das Ende der jeweiligen Erpressungstaktik. Vielleicht auch nicht, weil wir im besten Fall auf eine sehr kurzfristige Verlängerung blicken, bemerktt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Dealing With Default") am Freitag in NYTimes dazu.

Die Bedrohung, dass die Wirtschaft auf die Obergrenze stösst, bleibt bestehen.

Was sind aber die Auswahlmöglichkeiten, wenn die Schuldenobergrenze (debt ceiling) erreicht wird? Wie würde ein Zahlungsverzug (default) aussehen? 

(1) Die US-Regierung würde ihren ZahlungsvVerpflichtungen nicht nachkommen können. Man mag denken, dass die Auszahlung von Sozialversicherungsleistungen (Social Securtiy Checks) nicht dasselbe ist wie die Bedienung von Anleihen für Kuponauszahlungen. Aber die Sozialleistungen haben die gleiche Rechtsstellung als unantastbar wie die Bedienung von Investoren für Staatsanleihen. 

(2) Eine Priorisierung von Zinszahlungen würde den schrecklichen Präzedenzfall nach der Finanzkrise von 2008 verfestigen, als die Wall Street gerettet wurde, die Arbeitnehmer und Hausbesitzer nichts oder nur wenig bekamen. Damit würde laut Krugman noch einmal signalisiert, dass die Finanzbranche eine besondere Behandlung geniesst, weil sie bedrohen kann, die Regierung abzuschalten (goverment shutdown), falls für sie keine Rettungsaktion unternommen wird.



US Cash Flow Deficit, Graph: Prof. Paul Krugman

Debt-Deflation Gefahr in Europa

Die schwedische Zentralbank hat in den vergangenen Jahren das eigene Inflationsziel stets unterlaufen. Die von der Riksbank geleitete Geldpolitik hat damit nicht nur zu einer wesentlich niedrigen Inflation geführt, sondern auch eine unnötig hohe Arbeitslosigkeit ausgelöst. 

Die Riksbank hat neulich die restriktive Geldpolitik verteidigt: "Niedrigere Zinsen würden sonst zu einem Anstieg des Verschuldungsgrades (household-debt-ratio) führen". Die Riskbank scheint es also als gegeben anzunehmen, dass eine hohe Zinspolitik eine niedrige Schuldenquote (debt ratio) zur Folge hätte.

Lars E.O.Svensson ist damit nicht einverstanden. Der an der Stockholm University lehrende Wirtschaftsprofessor erklärt es in einem lesenswerten Artikel („The Riksbank is wrong about debt“) in voxeu so, dass höhere Zinsen in der Tat zu einer höheren Schuldenquote führen, nicht zu einer niedrigeren.

Der höhere Zins durch die Zentralbank verringert nämlich die nominalen Hauspreise und die neuen Hypotheken. Da aber die neuen Hypotheken nur einen kleinen Anteil an den gesamten Hypotheken ausmachen, fallen die Schulden sehr langsam. Doch das nominale BIP und das verfügbare Einkommen sinken viel schneller, sodass die Schuldenquote am Ende steigt.

Vor diesem Hintergrund warnt Svensson angesichts einer „leaning against the wind“-Politik ("Konzept des Gegensteuerns"*) vor einer Debt-Deflation à la Fisher.



Inflationsziel und Verlauf der tatsächlichen Inflation in Kanada und Schweden im Vergleich, Graph: Prof. Lars E.O. Svensson in: voxeu