Samstag, 22. März 2014

Deflationsgefahr im Euro-Raum und unkonventionelle Massnahmen

Die EZB unterläuft seit einem Jahr ihre Zielmarke von 2% für die Inflationsrate im Euro-Raum.

Es ist zwar ein offenes Geheimnis, dass die EZB eine asymmetrische Geldpolitik betreibt. Aber die EU-Behörden scheinen die Gefahr der disinflationären Kräfte trotzdem nicht ernst zu nehmen. Zumal der Schuldenabbau-Prozess (deleveraging) im privaten Sektor in Europa noch anhält und die fortbestehende Niedriginflation (lowflation) die reale Last der Schulden erhöht (debt-deflation).

Bemerkenswert ist, dass die EZB selbst in den kommenden Jahren nicht mit einem Anstieg der Inflation rechnet: 2014: 1,0%, 2015: 1,3% und 2016: 1,5%.

Die derzeitige Inflationsentwicklung verstärkt den Anlass zur Sorge vor einer möglichen Deflation im Euro-Raum, schreiben Ökonomen bei DIW Berlin in einer diese Woche vorgelegten Forschungsarbeit („Deflationsgefahr im Euro-Raum“).

Die am am harmonisierten Verbraucher-Preisindex (HVPI) gemessene Inflationsrate sinkt seit Jahren kontinuierlich. Im Januar lag sie bei nur mehr 0,8% und im Februar bei 0,7% und damit deutlich unterhalb des von der EZB festgelegte Zielwertes von 2% auf mittlere Sicht.

Auch die (um die schwankungsanfälligen bereinigte) Kerninflation (core inflation) ist mit knapp 1% sehr niedrig. Aktuell erleben Griechenland und Zypern als die einzigen Mitgliedsländer Deflation.



Inflationsraten (HICP) im Euro-Raum, Graph: DIW, Berlin in: Grenzen der konventionellen Geldpolitik, März 2014

Wie die Autoren darauf hinweisen, dürfte die Inflation gemäss Inflationsprognosen (Survey of Professional Forecaster) der EZB in den kommenden zwei Jahren mit dem Inflationsziel der EZB nicht vereinbar sein.



Aus Inflationsswaps abgeleitete Inflationserwartungen im Euro-Raum, Graph: Kerstin Bermoth Marcel Fratscher und Phlipp König, DIW, Berlin in: Grenzen der konventionellen Geldpolitik, März 2014

Noch niedriger liegen die aus Inflationsswaps abgeleiteten Inflationserwartungen der Märkte, wonach die durchschnittlichen Inflationserwartunge n für die nächsten drei Jahre bei lediglich 1,3%  liegen.


Inflationsraten in Deutschland, Graph: DIW, Berlin in: Grenzen der konventionellen Geldpolitik, März 2014


Die gegenwärtigen Daten legen nahe, dass die EZB ihr Mandat der Preisstabilität verfehlt. Im Angesicht der unterhalb des Inflationsziels liegenden Erwartungen existiert das Risiko einer anhaltend sehr niedrigen Inflation und möglicherweise sogar Deflation im Euro-Raum, schlussfolgerten die Verfasser der Arbeit bei DIW Berlin.

Und der Punkt ist, wie der IWF neulich unterstrichen hat, muss es nicht unbedingt eine ausgewachsene Deflation geben, um von der Gefahr für die Performance der Wirtschaft reden zu können. Anhaltend niedrige Inflation verschlimmert die bereits angeschlagene Volkswirtschaft in Europa.

Auch die grosse negative Produktionslücke (output gap) im Euro-Raum lässt keine inflationären Tendenzen in der näheren Zukunft erkennen. Die hohe Sparquote der privaten Haushalte und die Zurückhaltung der Unternehmen, Investitionen zu tätigen, wirken sich dämpfend auf die Preisentwicklung aus.


Produktionslücke (output gap) im Euro-Raum, Graph: DIW, Berlin in: Grenzen der konventionellen Geldpolitik, März 2014

Fazit: Deflation birgt die Gefahr einer sich selbst verstärkenden Spirale. Da die nominalen Zinsen nahe Null liegen (zero lower bound), ist der Spielraum der Geldpolitik begrenzt. Daher empfehlen die Autoren der Studie der EZB, auf unkonventionelle Massnahmen zurückzugreifen, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln.

Mit dem Instrument der Forward Guidance könnte die EZB glaubwürdig eine lang anhaltende Niedrigzinsphase signalisieren, um die Kreditnachfrage zu stimulieren.

Insbesondere Käufe von längerfristigen Staatsanleihen sind erfolgsversprechend. Darüber hinaus ist die Wirtschafts- und Finanzpolitik gefordert, Wachstum und Investitionstätigkeit nachhaltig zu fördern.


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