Freitag, 31. Oktober 2014

Domo Arigato Japan

Schweden hat 2010 und 2011 die Zinsen erhöht, bis auf 2%, trotz der hohen Arbeitslosigkeit und einer Inflation, die tiefer lag als die Ziel-Inflationsrate der Riskbank.

Die schwedische Notenbank hat damit die Wirtschaft in eine Deflation geraten lassen. Lars Svensson, ein Weltklasse-Ökonom in Sachen Geldpolitik hatte vor Deflationsgefahren gewarnt. Da er mit dem unangemessenen Kurs der Geldpolitik nicht einverstanden war, hat er vor einem Jahr die Riksbank verlassen.

Die jüngsten Ereignisse zeigen, wie recht er mit seiner Einschätzung hatte: Die schwedische Notenbank hat am Dienstag die Zinsen auf null gesenkt. Die Riksbank, die eine Inflationsrate von 2% anstrebt, erwartet nun nach eigenen Angaben keinen Anstieg der Inflation vor Mitte 2016.

Die Erfahrung der japanischen Notenbank (BoJ) mit der Liquiditätsfalle in den 1990er Jahren bietet zwar ein abschreckendes Beispiel. Aber nicht alle Lehren aus der japanischen Krise wurden gezogen,  v.a. nicht von der Riksbank und von der EZB.

Und in der Eurozone besteht Deutschland nach wie vor auf hard money-Politik und Haushaltskonsolidierung (fiscal austerity), sodass die hohe Arbeitslosigkeit (11,5%) anhält und Inflation weiter fällt.

Kein Wunder, dass die Deflationsgefahr in Europa heute mit grösser ist als in den USA.



Schweden senkt Zinsen auf null Prozent, Graph: WSJ

Donnerstag, 30. Oktober 2014

Eurozone braucht keine angebotsorientierte Konzeption

Die Arbeitslosigkeit in der Eurozone ist heute höher als in 2009-2010. Das reale BIP ist immer noch tiefer als das Niveau im Jahr 2008. Mittlerweile stellt sogar Deflation eine grössere Gefahr als die Inflation dar.

Es ist keine Frage, dass es um die europäische Wirtschaft nicht gut bestellt ist. Bemerkenswert ist aber, dass die gegenwärtige makroökonomische Wirtschaftspolitik der Eurozone zur Zeit im angelsächsischen Raum mehr Anlass zu Diskussion gibt als im Kontinentaleuropa selbst.

Alan Blinder schreibt in einem lesenswerten Artikel („Enough with European Austerity, bring on the stimulus“) in WSJ, dass er sich i.d.R. in die Wirtschaftspolitik anderer Länder nicht einmischt. Er möchte aber eine Ausnahme, was die Eurozone betrifft. Aus zwei Gründen: (1) weil die Wirtschaftspolitik sich auch auf die anderen Länder auswirkt und (2) die Fehler dabei nur zu offensichtlich sind.

Der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor unterstreicht, dass die deutsche Wirtschaft zwischen 2008 und 2013 insgesamt um 2,2% gewachsen ist, nicht jährlich um 2,2%. Die deutsche Wirtschaft mag heute gut aussehen, aber nur weil der Rest der Eurozone schlecht aussieht.

Deutschlands vergleichbare Performance ist von Reformen getragen, die vor dem Ausbruch der Krise realisiert wurden, nicht während der Eurokrise, hebt Blinder hervor. Seiner Ansicht nach bietet die deutsche Wirtschaftspolitik daher kein Vorbild für Europa. Doch verhindert die „deutsche Besessenheit von der Austerität“ das gesamte Wirtschaftswachstum in der Eurozone zurück, so Blinder.

Mittwoch, 29. Oktober 2014

Stresstest der Banken und Makroökonomie

Die Stresstest-Ergebnisse der EZB liegen nun vor. 130 Banken wurden überprüft. 25 sind durchgefallen. Da 12 davon die Kapitallücke schon im Vorfeld stopften, müssen sich nun 12 Geldhäuser Kapital beschaffen. Die Summe beläuft sich zusammengerechnet auf EUR 9,5 Milliarden, was im Angesicht der Grössenordnung der der Eurozone angeschlossenen Volkswirtschaften peanuts sind.

Zur Erinnerung: Während die EU auf dem Weg zur Bankenunion ist, will die EZB die Bankenaufsicht EBA im Euro-Raum übernehmen. Der Stresstest war für die EZB eine der Bedingungen, um diese Aufgabe zu erfüllen. Nun hat sie detaillierte Daten veröffentlicht und damit für Transparenz gesorgt.

Ob die EZB den Test selbst bestanden hat, mag dahin gestellt sein. Es steht aber fest, dass das tatsächliche Problem im Euro-Raum nach wie vor ungelöst bleibt: Nachfrageausfall. Banken geben sechs Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise keine Kredite, weil es an Nachfrage mangelt. Dahinter steckt die fatale Austeritätspolitik, die von Brüssel und Berlin vorangetrieben wird.

Wenn der private Sektor spart (deleveraging) und die öffentliche Hand die Ausgaben kürzen soll, ist niemand bereit, die Ersparnisse aufzunehmen und zu investieren. Woher soll das Wachstum kommen, wenn niemand bereit ist, sich zu verschulden?

Die Banken (financial intermediation) erfüllen im Transmissionsmechanismus der Geldpolitik eine wichtige Funktion. Wie zentral sind aber die Probleme der europäischen Banken in Bezug auf makroökonomische Widrigkeiten im Euro-Raum?



Faule Kredit der grossen Banken im Euro-Raum, Graph: Morgan Stanley

Dienstag, 28. Oktober 2014

Money Manager Kapitalismus und gesellschaftliche Konsequenzen

Die wachsende Dominanz des Finanzsektors in der allgemeinen Wirtschaft war eine der Fragen, die im Sog der Finanzkrise von 2008 nach und nach in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte gerückt ist.

Dass die einfachen Menschen sich Sorgen machen, ist verständlich. Denn es liegt auf der Hand, dass die ökonomische und politische Macht der neuen Finanzoligarchie sowohl für die wirtschaftliche Prosperität als auch für die Demokratie unvorteilhaft ist.

Das Thema wurde zurecht auch von Simon Johnson und James Kwak mit dem Stichwort „Financialization“ (Finanzialisierung) in ihrem vor rund vier Jahren gemeinsam verfassten lesenswerten Buch „13 Bankers“ angesprochen.

Das INET (Institute for New Economic Thinking) meint nun dazu, dass das Finanzsystem sich mittlerweile in die moderne Wirtschaft transformiert hat.

Die herrschenden Akteure auf den Finanzmärkten sind heute die kaum regulierten Schatten-Banken (shadow banks) wie z.B. Pensionsfonds, Hedgefonds, Staatsfonds (sovereign wealth funds) und Universitätsstiftungen. Kurzum werden sie als „managed money“ bezeichnet, die gestützt auf enorme Kapital-Pools auf der Suche nach den höchsten Renditen sind.

Was dabei auffällt, ist, dass im Gegenzug die von financial engineering getriebenen Innovationen das Wachstum der privaten Verschuldung im Verhältnis zum Einkommen immer weiter füttern, was wiederum die Abhängigkeit von der volatilen kurzfristigen Finanzierung und der massiven Verwendung des Fremdkapitaleinsatzes (leverage) erhöht.


Unternehmensgewinne; finanzielle und nicht-finanzielle Sektoren im Vergleich, Graph: James Kwak in HuffPost, June 2010

Montag, 27. Oktober 2014

Deutsche makroökonomische Sicht und Eurozone

Was in der Eurozone bisher in makroökonomischer Hinsicht geschehen ist, lässt sich mit drei Aspekten hervorheben:

Die Geldpolitik der EZB war seit dem Anfang der Great Recession zu zaghaft, was mit dem Einfluss der deutschen Mitglieder im EZB-Rat zu tun hat.

In Verbindung mit der Austerität hat dies zu einer zweiten Rezession in der Eurozone geführt, wobei es unumstritten ist, dass die Austerit auf der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage lastet. Die führenden Vertreter der Austeritätspolitik kommen aus Deutschland.

Ausser Deutschland ist ziemlich jeder damit einverstanden, dass die Eurozone Fiscal Stimulus in Form eines öffentlichen Konjunkturprogramms (Investitionen) und Quantitative Easing (Kauf von Staatsanleihen durch die EZB) benötigt, um die Rezession schnell zu beenden. Und das Haupthindernis ist die deutsche Bundesregierung.

Vor diesem Hintergrund befasst sich Simon Wren-Lewis in seinem Blog mit der Frage, warum Deutschland so erfolgreich ist, diese Massnahmen zu verzögern oder zu blockieren?

Die deutsche Wirtschaft macht weniger als ein Drittel der Eurozone aus, während das französische, italienische und spanische BIP zusammen gefasst fast die Hälfte der Wirtschaft der Eurozone repräsentiert. Wieso scheitern Frankreich, Italien und Spanien aber daran, sich Deutschland zu widersetzen?




Lohnstückkosten in der Eurozone, Graph: Prof. Heiner Flassbeck, 2011 in: „The Euro – a Story of Misunderstanding

Deflation-Wahrscheinlichkeit in der Eurozone

Während die langfristigen Inflationserwartungen in den USA und in Europa näher zusammenrücken, divergieren die von den Märkten implizierten Deflationsrisiken auf kurze Sicht voneinander.

Die Deflation-Wahrscheinlichkeit, gemessen an Inflation-Swaps, ist in Europa in den vergangenen Monaten erheblich gestiegen, während sie in den USA vernachlässigbar klein bleibt.




Deflation-Wahrscheinlichkeit in den USA und in der Euro-Zone, Graph: Morgan Stanley

Sonntag, 26. Oktober 2014

Wer profitiert von der unkonventionellen Geldpolitik?

Die empirische Evidenz ist offenkundig: Die Einkommensungleichheit in der amerikanischen Bevölkerung nimmt zu. Während das Einkommen der reichsten 1% der US-Bürger von 2009 bis 2012 um 31,4% gewachsen ist, beläuft sich das Einkommenswachstum der restlichen 99% im selben Zeitraum auf 0,4%.

Man kann sich in erster Linie des Eindrucks nicht erwehren, als ob die QE-Politik (quantitative easing, d.h. mengenmässige Lockerung der Geldpolitik) nur der reichsten 1% der amerikanischen Bevölkerung zu Gute käme. Die Begründung: Der Aktienmarkt profitiert von der extra-lockeren Geldpolitik. Und die Kapitalgewinne daraus fliessen zu den reichsten Menschen in den USA. Der Rest der Bevölkerung guckt in die Röhre.

Ein bekanntes Argument in der Erzählung der Geschichte „QE und Ungleichheit“ lautet, dass diejenigen Menschen, die auf die Zinserträge ihrer Ersparnisse angewiesen sind, geschädigt werden. Es gibt sicherlich Menschen, die davon betroffen werden, die sonst über keine weiteren Kapitalanlagen verfügen.

Wie gross ist aber die Geschichte? Damit befasst sich Paul Krugman in seinem Blog. Der im Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) forschende Nobelpreisträger zieht dazu die Daten von Survey of Consumer Finances bei, die Informationen über die Dividenden und Zinserträge der wohlhabenden Menschen liefert.

Die „Bottom 3%“ (die unteren drei Viertel der Vermögensverteilung) hat keine Kapitalerträge, wie aus der Tabelle hervorgeht. Die Menschen im 75-90 Bereich hat einige. Aber selbst im Jahr 2007, als die Zinsen relativ hoch lagen, belief sich der Wert auf nur 1,9% ihres gesamten Einkommens.

Samstag, 25. Oktober 2014

Hohe Unternehmensgewinne versus Träge Investitionen

Unternehmen geht es bestens. Trotz der anhaltenden Widrigkeiten der Finanzkrise von 2008 verbuchen sie hohe Profite, die auch von den steigenden Aktienpreisen an den globalen Börsenplätzen begleitet werden.

Was machen aber Unternehmen mit dem erwirtschafteten Gewinn? Sie kaufen am Markt eigene Aktien zurück. Warum investieren sie nicht? Die Logik würde nahelegen, dass es sich lohnen müsste, in die Geschäfte zu investieren, wo man stattliche Gewinne einfährt.

Die durchschnittliche operative Marge der vom S&P-500 Index erfassten Unternehmen ist im ersten Quartal 2014 auf einen Rekord geklettert. Und der Trend setzt sich fort. Unternehmen schwimmen im Geld. Der Bargeldbestand steigt, obwohl Cash keine Rendite abwirft. Aber Unternehmen investieren nicht.  Warum nicht?

Argumente wie Ungewissheit über „bevorstehende regulatorische Hemmnisse“ sind ideologisch geprägt und empirisch nicht nachweisbar. Falsche Anreize für das Top-Management leuchten eher ein.

Das Verhältnis zwischen den hohen Unternehmensgewinnen und trägen Investitionen von Unternehmen sieht wie folgt aus:



Gewinne (hohe) und Investitionen (träge) von Unternehmen im Verhältnis zueinander, Graph: Prof. Paul Krugman

Freitag, 24. Oktober 2014

Interview: Prof. David Vines, Oxford University

David Vines is a Professor of Economics and Fellow of Balliol College, Oxford University  


What is the state of macroeconomics six years after the financial crisis?

Macroeconomics is now a confused discipline. In the run-up to the global financial crisis, economists believed in the ability of financial markets to regulate themselves. As a result they saw the task of macroeconomic policy as very limited – simply to stabilizing inflation through the use of interest-rate policy.

The task of fiscal policy was thought to be merely that of to ensuring the solvency of public finances, if necessary through policies of austerity. Financial stability would – it was thought - be ensured by the private sector, since it was in the interests of all financial institutions to properly manage their risks and to not get into financial difficulties.

But we now know that these beliefs were deeply misleading. Financial institutions took excessive risks, and provoked the public sector into having to bail them out, creating a huge increase in public debt.

As a result, austerity is now being imposed in many countries, precisely because of the increase in public debt caused by banking failure. And a tightening of financial regulation is forcing banks to curtail lending, just when an expansion such lending is needed to support the global recovery.

What is needed in these circumstances is a policy to promote growth. That will require austerity policies to be greatly modified, at least temporarily. It will also require a radically reformed financial system, one which will increase lending in a way which promotes growth, whilst not taking too many risks. But there are grounds for hope. Many macroeconomists are coming to see how these changes can be brought about which will move economies in this required direction.

German Bund Term Premium deutet auf QE durch die EZB hin

Wie die Analysten von Morgan Stanley in einer heute vorgelegten Analyse zeigen, ist die Laufzeitprämie (term premium) für die deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit auf minus 66 Basispunkte (d.h. 0,66%) gefallen. Das bedeutet ein Rückgang um 60 Basispunkte seit Jahresbeginn.

Es liegt nahe, anzunehmen, dass damit die wachsenden Erwartungen zum Ausdruck kommen, dass die EZB QE-Politik in Angriff nehmen werde. Warum? Weil die anderen Komponenten der Laufzeitprämie, nämlich der Zinssatz und die Volatilität für die Inflation zuletzt unverändert blieben.

Nach Einschätzung der Analysten dürfte ein QE-Programm der EZB in Höhe von 1‘000 Mrd. EUR zu einem Rückgang der German Bund-Renditen um 50 bis 70 Basispunkte führen.

Die Märkte gehen ferner davon aus, dass es für die EZB unumgänglich wird, QE-Politik an den Tag zu legen.




German Bund Laufzeitprämie (term premium), Graph: Morgan Stanley

Löhne und Beschäftigung in Depressionen

Macht es Sinn, Löhne zu kürzen, wenn es in der Wirtschaft gerade an Jobs mangelt?

Eine wichtige Frage. Denn wir stellen uns i.d.R. vor, dass die Menschen von einer Ware mehr kaufen, wenn der Preis der Ware sinkt. Angesichts der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung und der anhaltenden Massenarbeitslosigkeit in Europa gibt es Stimmen, wonach die Arbeitslosigkeit sinken würde, falls die Löhne sinken würden.

Die Beziehung zwischen Löhnen und Beschäftigung ist aber nicht so einfach wie viele Menschen denken mögen. Denn der Arbeitsmarkt funktioniert nicht wie der Kartoffelmarkt. Angebot und Nachfrage sind nicht voneinander unabhängig.

Es kann schon vorkommen, dass Arbeitskräfte in einer bestimmten Industrie Lohnkürzungen hinnehmen, um ihre Arbeitsplätze nicht zu verlieren. Denn durch die Lohnkürzung wird die Arbeit, die sie liefern und die Waren, die sie herstellen, im Vergleich zur Konkurrenz billiger.

Wenn aber das allgemeine Niveau der Löhne in der gesamten Wirtschaft fällt, ergeben sich keine relative Vorteile im Wettbewerb. Wenn es überhaupt einen positiven Effekt auf die Beschäftigung gibt, dann via Zinsen. Denn niedrige Löhne bedeuten, niedrige Inflation. Die Zentralbank kann dann die Zinsen senken, um die Wirtschaft wieder zu stimulieren, was die Investitionen ankurbeln und die Beschäftigung erhöhen würde.

In einer Depression hingegen können die Zinsen nicht gesenkt werden, weil sie bereits nahe null liegen (zero lower bound). Sinkende Löhne können daher nicht zu mehr Beschäftigung führen.


Rendite der Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit in USD, EUR und CHF, Graph: ZKB

Donnerstag, 23. Oktober 2014

Eurozone und PLOG

Die gegenwärtige wirtschaftliche Situation in der Eurozone (seit 2008) lässt sich kurz auch als PLOG beschreiben: prolonged large output gap, d.h. eine lang anhaltend grosse Produktionslücke.

In einer Depression steuert die Wirtschaft unter der Kapazität. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ist mangelhaft. Das heisst, dass die Nachfrage weniger als das Angebot ist. Kapazitäten sind also unterausgelastet. Das ist eine Situation, wo die konventionelle Wirtschaftspolitik versagt, Vollbeschäftigung wiederherzustellen. 

Es ist also die Nachfrage, nicht die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft (productive capacity), die auf Output lastet.

Die Analyse der Depression in den 1930er Jahren legt  unmittelbar nahe, dass hierbei ein Konjunkturprogramm  (fiscal stimulus) notwendig ist. Steckt die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle, greift die konventionelle Geldpolitik zu kurz. Die Zinsen können nämlich nicht unter null gesenkt werden (zero lower bound).

Die Niedriginflation hält aber in der Eurozone an. Da die EZB ihre Ziel-Inflationsrate verfehlt, sind die Inflationserwartungen nicht mehr verankert. Die Preisstabilität ist also nicht gewährleistet.



Netto-Investitionen der öffentlichen Hand in Europa im Verhältnis zum BIP, Graph: Simon Tilford, CER in: The eurozone’s German problem“, Oct 20, 2014

Dienstag, 21. Oktober 2014

Eurozone drohen Jahrzehnte einer schwachen Wirtschaft

Die Future-Märkte  rechnen mit keiner Zinserhöhung durch die EZB bis Ende 2017. Und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass die EZB eine QE-Politik à la Fed oder Bank of Japan in Angriff nimmt.

A propos Japan: Die europäische Wirtschaft ist derzeit durch träges Wachstum, schwache Inlandsnachfrage, stagnierende Löhne und anhaltende Niedriginflation gekennzeichnet.

Die sich selbst verstärkende Spirale aus fallenden Preisen und wirtschaftlicher Trägheit, die Japan über 15 Jahre erlitten hat, droht nun auch die Eurozone zu befallen, wie der Blick auf die Zinsmärkte u.a. nahelegt.

Am langen Ende der Ertragskurve (yield curve) stimmen die europäischen Zinssätze mitlerweile mit den japanischen Zinssätzen überein (convergence).



Japanisierung Europas ist bereits da, Graph: Morgan Stanley

Montag, 20. Oktober 2014

Depression und unfreiwillige Arbeitslosigkeit

Mit dem offensichtlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit im Jahr 1930 hat John Maynard Keynes seine Wirtschaftstheorie weiter ausgebaut. Damit hat er zur Entstehung eines neuen Bereichs, was heute als Makroekonomie bekannt ist, wesentlich beigetragen.

Mit dem Sparparadoxon  (paradox of thrift) hat Keynes darauf hingedeutet, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sinkt, wenn in schlechten Zeiten alle gleichzeitig sparen. Sein neuer Ansatz (macroeconomics) hat dem Wort „Arbeitslosigkeit“ ausserdem eine neue Bedeutung beigemessen.

In den zum grössten Teil landwirtschaftlich geprägten Volkswirtschaften des 19. Jahrhunderts waren die Menschen in einem jährlichen Zyklus, der sich durch wirtschaftliche Konditionen nicht änderte, beschäftigt. Arbeitslose Menschen konnten entweder keine Arbeit finden oder sie wollten einfach nicht arbeiten. Sie wurden im nachhinein als „freiwillig arbeitslos“ bezeichnet.

Keynes hingegen hat die Konditionen beschrieben, in denen Arbeitnehmer arbeiten wollen, aber keine Stelle finden. Sie sind unfreiwillig arbeitslos. Diese Art von Arbeitslosigkeit hat sich v.a. Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt.

Das Sparparadoxon kann dazu führen, wie Keynes gezeigt hat, dass die Arbeitsplätze für diejenigen Menschen, die eine Arbeit suchen, knapp werden.



Arbeitslosigkeit in den USA, der EU und in Japan im Vergleich, Graph: Morgan Stanley

Sonntag, 19. Oktober 2014

Warum sollen wir uns um Ungleichheit kümmern?

„Ungleichheit“ ist in aller Munde. Die Frage wurde zunächst durch die „Occupy-Bewegung“ wiederbelebt und hat dann durch das Buch von Thomas Piketty politisch an Brisanz gewonnen. Mit der Debatte über Mindestlohn steht sie nun endgültig im Mittelpunkt der Tagesordnung der Öffentlichkeit.

Bevor wir eine Antwort darauf suchen, warum wir uns um Ungleichheit kümmern sollen, ist es wichtig, darauf hinzudeuten, dass der Begriff „Ungleichheit“ in vielen Zusammenhängen verwendet wird.

Damit es klar wird, was gemeint ist, wenn man über Ungleichheit redet, sind drei Aspekte zu vergegenwärtigen, wie Dietz Vollrath in seinem Blog nahelegt:

(1) Die 1% versus 99%. Das heisst der Unterschied im durchschnittlichen Jahreseinkommen der obersten 1% aller Haushalte im Vergleich zum durchschnittlichen Jahreseinkommen der unteren 99%.

(2) Die Stagnation der Reallöhne (median real wages) und diejenigen unter dem Median.

(3) Das College Premium oder die Lücke im Verdienst zwischen denjenigen, die einen College-Abschluss haben und denjenigen, die keinen College-Abschluss haben.

Warum sollen wir uns aber um die Stagnation der Reallöhne (median wages) kümmern?

Keynes

Buchbesprechung:

Peter Temin and David Vines: Keynes – Useful Economics for the World Economy, MIT Press, Massachusetts and London, 2014


Griechenland hatte einst Deutschland Schulden erlassen. Es geschah im Rahmen des Londoner Schuldenabkommens im Februar 1953

65 Staaten (darunter Griechenland) haben damals zur Entschuldung der Deutschen zugestimmt (rund die Hälfte der Auslandschulden in Höhe von 30 Mrd. DEM). Deutschlands Auslandsschulden bestanden aus Vorkriegsschulden und Nachkriegsschulden.

Im Jahr 1919 hatte einer der hochrangigen Vertreter Grossbritanniens die Verhandlungen um den Versailles Vertrag nach dem Ersten Weltkrieg wütend verlassen. Sein Name war John Maynard Keynes. Sein Argument lautete, dass es zu harsch sei, dem Verlierer des Krieges zu viel Schulden aufzubürden.

Von Deutschland hohe Reparationszahlungen (an die Siegermächte) zu verlangen, sei kontraproduktiv, sagte Keynes. Das globale Wirtschaftswachstum würde abgeschwächt, wenn die Deutschen statt Güter im Ausland zu kaufen, Reparationszahlungen leisten müssten. Damals profitierte die britische Wirtschaft von einem export-getriebenen Wachstum.

Keynes hat seine Gedanken dazu in einem später veröffentlichten Buch „The Economic Consequences of the Peace“ (1919) zusammengetragen. Die Theorie über die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und Beschäftigung hat er aber aus seiner Analyse des internationalen Handels hergeleitet und im Buch „The General Theory of Employment, Interest and Money“ im Jahr 1936 publiziert: Staatsausgaben können Arbeitslosigkeit reduzieren und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ankurbeln.

Peter Temin and David Vines zeigen in diesem lesenswerten Buch auf, wie Keynes sich mit dem Rahmenwerk einer geschlossen Wirtschaft beschäftigt, aber sein Augenmerk immer global gerichtet hat. Die Schlussfolgerung der Autoren für die Gegenwart steht von Anfang an fest, dass Keynes‘ Idee von deficit spending (d.h. Ausgabe von staatlichen Haushaltsmitteln zur Belebung der Konjunktur, wenn die Wirtschaft schwer angeschlagen ist) Europa heute sehr gut tun würde.

Samstag, 18. Oktober 2014

Japanisierung der Eurozone auf Kurs

Angesichts der konkreten Anzeichen war es von Anfang an keine Übertreibung, die Euro-Zone von heute mit Japan in den 1990er Jahren zu vergleichen.

Was nun droht, ist eine lang anhaltende wirtschaftliche Stagnation. Genau genommen eine säkulare Stagnation mit Deflation als Vorbote.

Im Übrigen muss Deflation nicht unbedingt  per Definitionem vorliegen. Eine lang anhaltende Niedriginflation (*) richtet bereits heute so viel Schaden wie eine gänzliche Deflation, was auch von IWF neulich unterstrichen worden ist.

Hier ist eine bemerkenswerte Abbildung, die Analysten von Morgan Stanley liefern. Die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 30 Jahren Laufzeit ist im Handel am Donnerstag zum ersten Mal unter die Rendite der vergleichbaren japanischen Staatsanleihen (JGB) gerutscht.




Staatsanleihen mit 30 Jahren Laufzeit: German Bunds vs JGB, Graph: Morgan Stanley

Was die Märkte uns wirklich sagen

Paul Krugman befasst sich in seiner lesenswerten Kolumne („What Markets Will“) am Freitag in NYTimes mit Marktfundamentalisten, die uns ständig erzählen, dass der Staat seine Bemühungen unterlassen soll, um Schmerzen und Leid, die durch die Wirtschaftskrise ausgelöst werden, zu lindern.

Die Märkte scheinen aber nie damit einverstanden, dass die menschliche Opfer dafür notwendig seien, erklärt der von der Princeton University zu der City University of New York (CUNY) gewechselte Wirtschaftsprofessor.

Im Übrigen, wie reagieren die politischen Kreuzfahrer darauf, dass ihre düsteren Vorhersagen (z.B. in Bezug auf die Inflation und das Haushaltsdefizit) bislang immer daneben gingen? Vor allem mit Verleugnung, gelegentlich sogar mit Verzweiflung, legt Krugman weiter dar.

Alan Greenspan zum Beispiel hat einst erklärt, dass es bedauerlich sei, dass die Zinsen und die Inflation nicht durch die Decke geschossen sind. Seine Begründung: sonst werde damit ein falsches Gefühl von Selbstzufriedenheit erzeugt. Das war vor mehr als vier Jahren. Vielleicht war das Gefühl der Selbstzufriedenheit laut Krugman aber gar nicht so falsch. Oder?

In der Tat ist die wirkliche Botschaft des Marktes, wenn man genau hinschaut, so, dass wir ein höheres Haushaltsdefizit auflaufen lassen und mehr Geld drucken sollen. Und diese Botschaft wurde in den letzten Tagen sogar stärker. Wovon Krugman redet, ist, dass die Zinsen als blinkende Warnung nicht auf haushaltspolitische Krise oder galoppierende Inflation, sondern auf Depression und Deflation hindeuten.



Notenbankgeldmenge (Geldbasis) in den USA, Graph: Prof. Paul Krugman

Wo ist die Inflation?

FDIC schliesst eine kleine Bank in Maryland

Die FDIC (Einlagensicherungsbehörde) hat am Freitag eine kleine Bank in Rising Sun, Maryland (MD) geschlossen.

Damit sind in diesem Jahr 15 Banken verstaatlicht worden, nachdem im Vorjahr insgesamt 24 Banken gescheitert waren. 

Die Zahl der Bankschliessungen markiert 2013 einen deutlichen Rückgang aus den beiden Vorjahren. Dennoch ist die Zahl ungewöhnlich hoch, da in einer wachsenden Wirtschaft jährlich i.d.R. nur vier oder fünf Banken im Durchschnitt geschlossen werden.

Die gestern verstaatlichte Bank verfügt über ein Anlagevermögen (assets) von insgesamt 188,2 Mio. $ und Einlagen (deposits) von 183,1 Mio. $. Die Kosten der geschlossenen Bank betragen für die öffentliche Hand schätzungsweise 24,3 Mio. $

Bankpleiten:

2014: 15
2013: 24
2012: 51
2011: 92
2010: 157
2009: 140
2008: 25
2007: 3

Freitag, 17. Oktober 2014

Warum die Eurozone hinter QE und Forward Guidance bleibt

Die Inflation in der Eurozone ist im September auf den niedrigsten Stand seit Oktober 2009 gefallen, wie das europäische Statistikamt (eurostat) gestern gemeldet hat.

Was verursacht den Rückgang der Preise?

Die nächstliegende Antwort ist: Inflation-Paranoia und Besessenheit von Haushaltskonsolidierung, unabhängig davon, wie gut oder schlecht die Konjunktur gerade läuft.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, in Erinnerung zu rufen, dass die EZB seit einigen Jahren die eigene Zielinflationsrate verfehlt. Vor allem Deutschland, die grösste Volkswirtschaft der Eurozone unterbietet  den Rest der Eurozone um fast 100 Basispunkte. Wie? Durch die „Lohnmoderation“. Weshalb? Um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

Was sind die Folgen?

Disinflationäre Entwicklung: Die Inflation bleibt unter den Erwartungen und die Niedriginflation erhöht die reale Last der Schulden, was die Erholung der Wirtschaft inbesondere an der Peripherie der Eurozone erschwert.
  

Inflationserwartungen in der Eurozone (gemessen an Inflation Swaps), Graph: ZKB in DMO
5-Jahres Inflationserwartungen 1,77%

Donnerstag, 16. Oktober 2014

Euro-Raum mit Leid und Schmerz

Die jährliche Inflation im Euro-Raum ist auf 0,3% gesunken, wie eurostat heute mitgeteilt hat. Dies ist die niedrigste jährliche Inflationsrate seit Oktober 2009. Im September 2013 hatte sie noch 1,1% betragen.

Die Frage, warum die Inflation fällt, ist berechtigt. Schliesslich liegt die Bankenkrise sechs Jahre zurück.

Und warum verharrt die Arbeitslosigkeit auf sehr hohem Niveau? Die naheliegende Antwort ist Austerität (fiscal austerity).

Landet die Wirtschaft auf der Nullzinsgrenze (zero lower bound), ist expansive Fiskalpolitik notwendig. Denn wenn die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt bzw. Depression vorherrscht, bedarf es zur Wiederbelebung der Konjunktur der Ausgabe von öffentlichen Haushaltsmitteln. Denn die (herkömmliche) Geldpolitik verliert bei Zinsen nahe null an Wirksamkeit. Die Notenbank kann die Zinsen nicht unter null senken.

Die europäischen Staats- und Regierungschefs wollen aber weder QE-Politik (sprich unkonventionelle Geldpolitik) noch fiskalpolitischen Stimulus. Was wollen sie aber? Sie wollen die Schuldnerländer im Euro-Raum bestrafen, nach dem Motto: Wer Schulden hat, ist Schuld.


Inflation im Euro-Raum, Graph: eurostat

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Makroökonomie und Finanzkrise

Die Erfahrung der vergangenen sechs Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise legt nahe, dass diejenigen Ökonomen, die versuchten, das Geschehen anhand eines einfachen IS-LM-Modells zu erklären, völlig richtig liegen.

Die Anhänger der herrschenden Lehre („Austrians“) hingegen sagten mit dem Hinweis auf den immensen Anstieg der Notenbankgeldmenge (monetary base) eine galoppierende Inflation voraus, ohne mit der Wimper zu zucken.

Das Ergebnis war Disinflation, mit latenter Deflationsgefahr.

Die Verfechter der neoklassischen Theorie beharrten weiter darauf, dass die Kreditaufnahme der öffentlichen Hand (deficit spending) zu einem raschen Anstieg der Zinsen führen würde.

Die nominalen Zinssätze liegen heute nahe null (zero lower bound). Und das Haushaltsdefizit fällt in den USA.



Bilanz der Zentralbanken im Verhältnis zum BIP in den USA, der EU und in Japan, Graph: Morgan Stanley

Dienstag, 14. Oktober 2014

Geldmarkt-Buchforderungen der Schweizerischen Nationalbank

Die von der SNB offerierte Liquidität in CHF ist nach wie vor stark nachgefragt. Die SNB hat heute auf der Auktion von Geldmarktpapieren mit drei Monaten Laufzeit Gebote in Höhe von 2,8 Mrd. CHF gemeldet. Zugeteilt wurden 808 Mio CHF zu einer Rendite von minus 0,099%.

Das war die 44. Auktion in Folge mit dem Abschluss einer Rendite unter null. Die SNB hat seit Jahresbeginn insgesamt 52 Versteigerungen durchgeführt. Auf allen Auktionen von kurzfristigen Staatspapieren hat sich bisher immer eine negative Rendite ergeben. Es waren total 44 Auktionen für eine Laufzeit von 3 Monaten, 6 Auktionen für die Laufzeit von 6 Monaten und 2 Auktionen für die Laufzeit von 12 Monaten.

Nicht nur die Schweiz, sondern auch Deutschland und die Niederlande zahlen auf Geldmarkt-Auktionen die niedrigsten Zinsen in Europa. Konkret sind die Renditen am kurzen Ende der Ertragskurve in den genannten Ländern seit geraumer Zeit negativ.



Zinsstrukturkurve für Schweizer Franken Geldmarktpapiere, Graph: SIX Swiss Exchange

Die Lehren der QE-Politik für die EZB

Ben Bernanke war der weltweit erste Notenbank-Präsident, der zu unkonventionellen Instrumenten der Geldpolitik gegriffen hat, um die Great Recession von 2008-2009 zu bekämpfen: (1) Quantitative Easing (QE, d.h. mengenmässige Lockerung der Geldpolitik) und (2) Forward Guidance.

Bei der QE-Politik handelt es sich um einen gross-angelegten Kauf von langfristigen Wertpapieren. Mit Forward Guidance wird die Verpflichtung der Notenbank bezeichnet, die kurzfristigen Zinssätze über einen bestimmten Zeitraum niedrig zu halten.

Das primäre Ziel der unkonventionellen Geldpolitik ist, durch die Senkung der langfristigen Zinsen die Wirtschaft anzukurbeln. Das beste Instrument bei Nominalzinsen nahe null (zero lower bound) wäre natürlich expansive Fiskalpolitik, was jedoch aus bornierten Gründen von der Politik nicht in Erwägung gezogen wurde.

Inwiefern verspricht aber QE-Politik Erfolg? Das Problem mit QE ist, dass sie in der Praxis funktioniert, aber nicht in der Theorie. Das sagte Bernanke kurz vor dem Ende seiner Amtszeit bei der US-Notenbank auf die Frage der Journalisten.

Es gibt heute zahlreiche akademische Studien, die auf die Auswirkungen der Rendite der Anleihen auf die Wirtschaft hindeuten. Die erste Runde der QE-Politik hat geholfen, eine schwere Depression zu vermeiden.




Bilanzsumme der US-Notenbank, Graph: FT

Die Bilanzsumme der Fed ist im Rahmen der QE-Politik von rund 1‘000 Mrd. USD auf 4‘500 Mrd. USD angestiegen

Montag, 13. Oktober 2014

Deutschlands Wirtschaftsmodell ist kein Vorbild für die Eurozone

Deutschland hat nicht wirklich eine starke Binnenwirtschaft, schreibt Wolfgang Münchau in seiner Kolumne („Germany’s weak point is ist reliance on exports“) in FT. Die Vollbeschäftigung ist mehr oder weniger auf einen riesigen Handelsbilanzüberschuss zurückzuführen.

Dennoch erlebt die deutsche Wirtschaft, auch wenn Realzinsen negativ sind, keinen prasselnden Boom, bemerkt Paul Krugman dazu zustimmend und liefert die folgende Abbildung.

Ohne den Überschuss im Aussenhandel würde die deutsche Wirtschaft heute ganz eindeutig in einer langanhaltenden Stagnation (secular stagnation) stecken, unterstreicht Münchau weiter.



Deutschlands Handelsbilanzüberschuss im Verhältnis zum BIP, Graph: Prof. Paul Krugman

Sonntag, 12. Oktober 2014

Lohnkürzungen in Depression

John Podesta, Berater des Präsidenten Obama in WaPo schreibt, dass Erhöhung des Mindestlohnes sofort 28 Millionen US-Arbeitnehmern zu Gute kommen würde, ohne das Haushaltsdefizit um einen Cent zu steigern, da die Arbeitnehmer mit Niedriglohn das Geld, das sie verdienen, eher ausgeben und Unternehmen sowie lokale Wirtschaft davon profitieren würden.

Reza Moghadam, ehemaliger IWF-Direktor für europäische Angelegenheiten behauptet in einem wunderlichen Artikel („How to break Europe’s economic taboos without shattering its union”) in FT, dass Löhne und Arbeitskosten einfach zu hoch seien, auch nach den Massstäben der reichen Länder, geschweige denn der Konkurrenz in den Schwellenländern.

Wäre die externe Wettbewerbsfähigkeit die Hauptsorge im Euro-Raum, wäre Euro-Abwertung die Antwort, doch nicht Lohnkürzungen.

Es gilt als fast sicher, dass Lohnkürzungen der Löhne in einer Liquiditätsfalle die Rezession vertiefen. Wie kann man das nicht einsehen, unterstreicht Paul Krugman in seinem Blog.

US-Staatsanleihen: liquide, sicher und hochwertig

Die US-Staatsanleihen gelten weltweit als liquide, sicher und hochwertig. Die Überschussnachfrage nach US-Treasury Bonds hält, unabhängig davon, ob die Gefahr von Inflation oder Deflation her droht.

Wie die Flows-of-funds Daten der US-Notenbank nahelegen, wurde in der ersten Hälfte des Jahres 2014 fast 90% der netto ausgegebenen US-Staatsanleihen von Investoren in Übersee gekauft.

Einer Analyse der Ökonomen von Morgan Stanley nach ist der Wert der US-Staatsanleihen in den Augen der global orientierten Investoren ab Herbst 2011 durch den Sommer 2013 stetig gestiegen.

In der folgenden Abbildung ist zu sehen, dass private Investoren in Japan 67% der insgesamt rund auf 733 Mrd. USD geschätzten ausstehenden US-Treasury Bonds halten.

Ferner ist es davon auszugehen, dass die FX-Reserve Manager ihre Investitionen in die US-Staatspapiere nach der Gewichtung der Anleihen im Barclays Aggregate Index, Citi World Government Bond Index oder einer gemischten Variante orientieren.



US-Staatsanleihen-Bestände des Privatsektors nach Ländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Grossbritannien und Kanada), Graph: Morgan Stanley

Austeritätspolitik ist gescheitert - Und damit auch die EU?

Die EZB hat im Jahr 2011 die Zinsen zweimal angehoben, weil sie davon ausging, dass der vorübergehende Anstieg der Energiepreise sich längerfristig fortsetzen und die Inflation daher durch die Decke schiessen würde. Die Einschätzung hatte fatale Folgen: Die Rezession wurde verstärkt und die Arbeitslosigkeit stieg weiter.

Die Euro-Krise drohte 2012, zu eskalieren. Das Problem waren die sehr hohen Kreditkosten in der EU-Peripherie. Heute wissen wir besser, dass es viel mehr um Liquiditätsschwierigkeiten ging als um die Zahlungsfähigkeit der betreffenden Länder wie z.B. Spanien und Italien. Bedenken waren dahingehend, dass Südeuropa in naher Zukunft default verkünden würde, weil ihnen buchstäblich das Ging ausging.

Die Angst hat eine sich selbst erfüllende Prophezeiung ausgelöst. Dann kam Mario Draghi und sagte, „alles Erforderliche zu tun“ (whatever it takes), um die Gemeinschaftswährung zu retten. Nachdem die Aussicht auf eine Geldknappheit vom Tisch war, liess die Panik schnell nach. Und heute können Spanien und Italien am Kapitalmarkt zu historisch tiefsten Zinsen auf 10 Jahre Geld aufnehmen.

Samstag, 11. Oktober 2014

Reales und nominales BIP der grossen Volkswirtschaften im Vergleich

Hier ist eine gute Zusammenstellung über die wirtschaftliche Leistung der grössten Volkswirtschaften der Welt, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) sowohl real und als auch nominal.

Das reale BIP der EU (17'335 Mrd. USD) ist mittlerweile auf Augenhöhe mit dem der USA, wobei die beiden Volkswirtschaften dreimal so gross sind wie die von China und Japan.


BIP im Vergleich: USA, EU, China und Japan, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 10. Oktober 2014

Taylor-Regel und Fed Funds Rate

Trotz der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung und der hohen Arbeitslosigkeit gibt es auch in den USA Stimmen, die eine Zinserhöhung fordern.

Tatsächlich deutet die sog. Taylor-Regel derzeit auf einen höheren Leitzins hin.

Das wäre jedoch für die Märkte ein Schock, zumal die Fed Funds Future Sätze zur Zeit immer noch unter dem Satz der Fed SEP Voraussagen notieren, während die Wirtschaft hinter ihrem Potenzialwachstum bleibt.


US Fed Funds Rate und Taylor-Regel, Graph: Morgan Stanley

Defizit-Liebhaber

Warum feiert Amerika eigentlich den Rückgang des Haushaltsdefizits nicht?

Das ist das Thema, mit dem sich Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Secret Deficit Lovers“) am Freitag in NYTimes beschäftigt.

Was, wenn die Regierung einen ausgeglichenen Haushalt hätte und niemand davon wüsste? Nun ist der amerikanische Bundeshaushalt nicht tatsächlich ausgeglichen. Aber das Congressional Budget Office (CBO) berichtet für das Fiskaljahr 2014, dass der Rückgang des Defizits sich in den letzten Jahren fortsetzt.

Wo sind also die Konfettiparaden, fragt der am Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor. Wo bleiben die Berichten in den Titelseiten der Zeitungen? Vor allem nach all dem Gerede über die Übel von Defiziten und der besorgniserregenden fiskalpolitischen Gefahr für Amerika, das seit Jahren in Washington vorherrscht?

Sollten wir nicht eine grosse Sache daraus machen, dass die angebliche Krise vorbei ist, so Krugman weiter. Nein. Wenn Sie es verstehen, warum, dann verstehen Sie auch, worum es bei Fiskal-Hysterie gegangen ist.

Erstens feiern gewöhnliche Amerikaner den Rückgang des Haushaltsdefizits nicht, weil sie einfach nichts darüber wissen. Das ist nicht blosse Mutmassung. Warum ist die Öffentlichkeit nicht besser informiert? Wahrscheinlich wegen der Art und Weise, wie in den Medien darüber berichtet wird: schlechte Nachrichten werden hochgespielt und gute Nachrichten werden heruntergespielt, falls darüber überhaupt etwas berichtet wird.

Fiskal-Hysterie und triple-dip Rezession im Euro-Raum

„Gemäss der herkömmlichen Wirtschaftslehre erzielt bei Leitzinsen nahe null die Fiskalpolitik die beste Hebelwirkung“.

Das sagte Jean-Pierre Danthine, SNB in einem Referat („Machen Zentralbanken zu viel?“) gestern in Bern.

Toll! Richtig so.

Das ist im Grunde genommen basic macroeconomic Wahrheit. Nichts Neues. Und daran ist nichts zu rütteln.

Die meisten Regierungen sahen jedoch davon ab, Fiskal-Politik einzusetzen. Warum? Aus dogmatischen Gründen. Die Befürworter der Austeritätspolitik sagen immer wieder, dass es für die Behörden schwierig sei, Schulden abzubauen, während die Wirtschaft boomt.

Es wäre zwar schön, zuzuwarten, bis die Zinsen steigen, um das Defizit zu senken. Da es aber wie gesagt aus politischen Gründen nicht geht, wollen wir die Schulden heute kürzen, so lautet die Antwort.

Das ist aber ein Mythos.

Wenn man in einer Liquiditätsfalle Haushaltskonsolidierung anstrebt, entstehen enorme soziale Kosten. Nach einer Schätzung von Eurostat waren im August 2014 in der EU28 insgesamt 24,6 Millionen Männer und Frauen arbeitslos.

Der Euro-Raum steht heute sechs Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise an der Stelle zu triple-dip Rezession.  

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Sparwut und Folgen: Deutschland wartet auf Aufschwung

Zunächst waren es die Auftragseingänge in der Industrie, die abgesackt sind. Dann der Einbruch der Industrieproduktion (-4% im August). Heute kommt die Meldung über den deutlichen Rückgang der deutschen Ausfuhren.

Und bevor es vergessen geht: Am Dienstag hat auch noch der IWF den Wirtschaftsausblick für Deutschland gesenkt (2014: 1,4% und 2015: 1,5%). Während der private Konsum seit Jahren kaum vom Fleck kommt und die Investitionen eine Mangelware sind, zeigt sich, dass die Kosten einer Haushaltskonsolidierung (eine Umschreibung für harsche Kürzung der Staatsausgaben) in einer Liquiditätsfalle hoch sind und prompt erfolgen.

Frankreich mag wie der kranke Mann Europas aussehen, aber Deutschlands Sorgen gehen tiefer, verwurzelt im merkantilistischen Dogma, das Sparen verherrlichend und vor dem Hintergrund der korrosiven Psychologie des Alterns, schreibt Ambrose Evans-Pritchard in einem lesenswerten Artikel in The Telegraph.

Eine erneute tiefe Rezession scheint nun in Europa möglich, wie Heiner Flassbeck in seinem Blog kommentiert. Es ist Zeit, von Austeritätsphantasie Abschied zu nehmen.


Deutschlands Aussenhandel, Graph: destatis

Mittwoch, 8. Oktober 2014

Ist keynesianische Wirtschaftspolitik links?

Da die Geldpolitik aus verschiedenen Gründen nicht perfekt ist, kommt es auf die Theorie von Keynes an, schreibt Simon Wren-Lewis in in seinem Blog.

Das heisst m.a.W., dass die Bedeutung der keynesianischen Theorie von der Geldpolitik abhängt. Es hat mit Marktversagen nichts zu tun. Keynes Wirtschaftspolitik ist nicht links. Die keynesianische Theorie zeigt, wie die Makroökonomie funktioniert, weshalb alle geldpolitischen Entscheidungsträger darauf zurückgreifen.

Warum gibt es aber auf der rechten Seite des politischen Spektrums einen Wunsch, die Bedeutung der keynesianischen Theorie zu verneinen?

Vielleicht, weil Keynes Wirtschaftspolitik genau darlegt, warum die Geldpolitik notwendig ist, sicherzustellen, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage weder übermässig noch mangelhaft ist.

Geldpolitik ist staatliche Intervention, unterstreicht der an der Oxford University in London lehrende Wirtschaftsprofessor. Die geldpolitischen Autoritäten legen nicht die Geldmenge (money supply) fest, sondern sie fixieren die kurzfristigen Zinssätze.

Das heisst, dass die Behörden dafür zuständig sind, dass der Korrektur-Mechanismus funktioniert. Durch die Festsetzung eines Marktpreises wird dafür gesorgt, dass die Makroökonomie funktioniert. Sollte diese spezielle Verfahrensweise fehlschlagen, wie z.B. wenn die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt, ist staatliche Intervention (in Form von Fiskalpolitik) erforderlich.

Während sich solche Aussagen für viele Mainstream-Ökonomen selbstverständlich anhören, lösen sie für Menschen mit neoliberaler oder ordoliberaler Überzeugung Unbehagen aus, wie Prof. Wren-Lewis weiter schildert.