Sonntag, 16. August 2015

Wie Deutschland von Griechenlands Krise profitiert

Michael Burda nimmt in einem Artikel in Royal Academic Society zu den kritischen Ansichten einer nicht geringen Anzahl von Ökonomen aus den USA und Grossbritannien über den makroökonomischen Zustand der deutschen Wirtschaft Stellung.

Die anglo-amerikanische Welt hat sich schon lange vor der Finankrise gegen Deutschland verbündet, was sich seit dem Ausbruch der ausweglosen Situation Griechenlands noch mehr verstärkt hat, beklagt Burda. Namentlich erwähnt er dazu Paul Krugman, Martin Wolf, Wolfgang Münchau und Simon Wren-Lewis.

Der an der Berliner Humbolt University lehrende Wirtschaftsprofessor vertritt die Meinung, dass es nichts Besonderes oder Ungewöhnliches über die deutsche Wirtschaft gibt.

Es gehe nicht um ordnungspolitische Religion, sondern um eine Mischung aus nationalem Egoismus und einem gesunden Misstrauen, gewonnen durch die Erfahrung, die die Wirtschaftspolitik heute in Deutschland leite.

Man könnte sich aber vorstellen, dass Griechenlands Rettung, aber auch die Rettung der anderen Staaten an der EU-Peripherie ein deutliches Beispiel dafür liefert, dass die Idee der europäischen Solidarität das vermeintliche Eigenintesse überwindet, antwortet Simon Wren-Lewis in seinem Blog in einem lesenswerten Eintrag auf Burda.

In der Tat hat Deutschland in vielerlei Hinsicht von der Mitgliedschaft in der europäischen Zone profitiert. Henning Meyer deutet auf eine Studie durch die IWH hin, dass Deutschland dank seinem Status als “sicheren Hafen” von 2010 bis 2015 mehr als 100 Mrd. EUR an Schuldzinsen gespart hat.

Der grösste Nutzen, den Deutschland aus der Eurozone zieht, geschieht durch die Unterbietung der anderen Mitgliedstaaten seit rund 10 Jahren, unterstreicht der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor.

Jeder weiss Bescheid über die “übermässige Inflation” der Peripherie in diesen Jahren. Aber die Geschichte der Lohn-Moderation (insufficient wage inflation) in Deutschland wird gleichzeitig kaum erzählt, so Wren-Lewis weiter. Würde dies über Wechselkurse vonstatten gehen, würde man es “beggar my neighbour”-Politik nennen. Es ist aber ein wesentlicher Grund, warum Deutschland die einzige Volkswirtschaft in der Eurozone ist, die seit 2010 nicht gelitten hat, hebt Wren-Lewis hervor.

Und was ist mit dem Druck, den Deutschland auf die EZB ausübt? Zunächst der Versuch, das OMT-Programm vom September 2012 gezielt zu verhindern. Und dann der Widerstand gegen die QE-Politik. Das alles ist auf die extreme Angst vor Inflation und der Dominanz der Fiskalpolitik über die Geldpolitik in Deutschland zurückzuführen.

Da die EZB nicht mehr in der Lage ist, das Inflationsziel von 2% zu erfüllen, hat die deutsche Politik, die anderen Mitgliedstaaten in der Eurozone zu unterbieten, schlussendlich zu Deflation geführt, wobei die anderen Mitgliedstaaten die Kosten für die Verbesserung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit tragen, die Burda in seinem Artikel mit geschwellter Brust darlegt.

Vielleicht geschieht das alles aus Selbstinteresse, wie Burda schildert. Die deutschen Ökonomen sind aber damit nicht aus dem Schneider. Denn Deutschland hat eine zentrale Rolle gespielt, durch sein Beharren auf harsche Sparmassnahmen, zusammen mit dem Druck auf die EZB die zweite Rezession in der Eurozone entstehen zu lassen. Und die deutsche Regierung stand auch im Mittelpunkt, Griechenland inmitten einer schwer angeschlagenen Wirtschaft eine stumpfsinnige Austeritätspolitik aufzuzwingen.


Keine Kommentare: