Donnerstag, 7. Januar 2016

Bauchgefühle, Vertrauen im Markt und Wirtschaftsmodelle

Die Fed hat im Dezember nach fast zehn Jahren Pause die Zinsen erhöht. Aber warum? Über diese Frage diskutieren drei renommierte Ökonomen in der Blogosphäre. Das heisst, dass die Debatte online stattfindet.

Alle Teilnehmer sind sich einig, dass die Zinserhöhung durch die Fed nicht das Gelbe vom Ei ist, um es kurz auszudrücken.

Larry Summers legt in einer prägnanten Analyse dar, warum die Fed anders denkt. Der an der Harvard University forschende Wirtschaftsprofessor präsentiert seine Erläuterung mit dem Hinweis darauf, dass die Fed zu sehr an bestehenden Modellen und Denkweisen hängt. Es sei seiner Ansicht nach unheimlich schwer, die Orthodoxie zu brechen.

Brad DeLong hingegen zweifelt daran, dass die Analyse der Fed mit bestehenden Modellen übereinstimmt.

Und Paul Krugman ist der Meinung, dass die herkömmlichen Modelle nahelegen, dass die Fed mit der Zinserhöhung falsch liegt, v.a. wegen der Überzeugung, dass die Geldpolitiker angeblich mehr wissen als das, was in den Lehrbüchern steht.

Summers antwortet darauf, dass DeLong und Krugman zwar davon ausgehen, dass die Fed wegen Ignorieren von Modellen falsch liege, aber er denke, dass die Fed wegen Ignorieren der Dinge, die die Lehrbücher nicht erfassen, falsch liege.

Summers vertritt also den Standpunkt, dass die Entscheidungsträger der amerikanischen Geldpolitik auf das „Vertrauen des Markts“ viel mehr Wert legen sollten. Das ist eine Vorstellung (market confidence), die von Krugman bislang stets als abwegig zurückgewiesen worden ist. Stichwort: confidence fairy.

Summers betont, dass die Aufrechterhaltung des Vertrauens ein wichtiger Bestandteil der Geldpolitik sei. Krugman mag in seinem Modell-Denken richtigliegen, so Summers weiter. Aber er bezweifle, dass „Paul in der Tat Recht hat“. DeLong antwortet darauf, dass Summers Dinge anspricht, die von Modellen nicht erfasst würden. Aber wir wissen sicher nicht, was diese Dinge sind, so DeLong.

Martin Sandbu liefert eine lesenswerte Zusammenfassung der ganzen Debatte in FT. Der Artikel ist jedoch nur für „Premium Subscribers“ zugänglich.

Die Idee, dass es gelegentlich auf das Vertrauen ankommt, und dass es von Modellen erfasst werden kann, ist nicht strittig, ergänzt Simon Wren-Lewis in seinem Blog. Zum Beispiel hängt die Existenz von Banken vom Vertrauen ab, dass die Einleger ihr Geld abheben können, wenn sie es wollen und es zu einem Bank-run kommt, wenn dieses Vertrauen verschwindet.

Wenn die Leute sich auf die Vorstellung von Vertrauen berufen, sollten andere Menschen (v.a. Wirtschaftswissenschaftler) automatisch misstrauisch werden, argumentiert der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor auf dieser Seite des Atlantiks.

Der Grund dafür ist, dass damit öfters die Vertretung der Eigeninteressen verbunden ist. Die Finanzmärkte werden von Wall Street- oder City-Ökonomen vertreten. Und wie wir immer wieder sehen, wird das Marktvertrauen stets zur Stützung einer ökonomischen und/oder politischen Position aufgerufen, so Wren-Lewis weiter. Rentenmarkt-Ökonomen sind beispielsweise zumeist gegen expansive Fiskalpolitik.

Wenn die Wirtschaftswissenschaft auf eine Schlussfolgerung hindeutet und die Leute sich dagegen aussprechen, mit dem Verweis auf das „Marktvertrauen“, dann sollten Sie sehr misstrauisch sein. Und Sie sollten fragen, welches Modell sich auf den Fall bezieht und wo die Evidenz ist, lautet das Fazit von Wren-Lewis.

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