Mittwoch, 15. Juni 2016

Schwaches Wachstum und Hysterese-Effekt

Nun ist auch die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit unter null Prozent gefallen. In der Schweiz und in Japan gehören Negativ-Renditen auf Staatspapiere bereits seit längerer Zeit zum Alltag.

Die gegenwärtige Neigung der Rendite-Kurve (yield curve) deutet darauf hin, dass es der unkonventionellen Geldpolitik (QE-policy) mit dem Ankauf von Anleihen schwer gelingt, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und die Inflation auf den Zielwert („knapp unter 2%“) zurück zu bringen.

Die Indizien legen nahe, dass es aus Sicht einer makroökonomischen Gesamtstrategie einer Kooperation von Geld- und Finanzpolitik bedarf, v.a. wenn die Wirtschaft schwer angeschlagen ist und die Nominal-Zinsen nahe null liegen.

Während aber Politiker in Deutschland auf den Rückgang der Arbeitslosenquote im Euro-Raum hinweisen, warnt Mario Draghi vor der Gefahr des sog. Hysterese-Effekts.

EZB-Präsident hat in seinem Referat am 9. Juni in Brüssel gesagt, dass die Arbeitnehmer, die zu lange arbeitslos bleiben, während ihres gesamten Lebens darunter leiden können, in Form von reduzierter Arbeitsfähigkeit, geringerer Produktivität und des gekürzten Einkommens.

Und das gelte insbesondere für jüngere Arbeitnehmer, die während aller wichtigsten, prägenden Jahre ihrer Karriere arbeitslos sind.

Die Gefahr wird umso grösser, je länger die Wirtschaft unter dem Potential wächst, d.h. dass die Produktionslücke geöffnet bleibt.



Inflation und Lohnstückkosten, Graph: Heiner Flassbeck in: Makroskop



Draghi sagt, dass die strukturelle Arbeitslosigkeit im Euro-Raum rund 9% ist, während sie in den USA „nur“ 5% beträgt. Das sei eine Folge der strukturellen Merkmale des Arbeitsmarktes im Euro-Raum, wodurch Arbeitslosigkeit verschärft werde.

Das lege nahe, dass der Euro-Raum ein grosses, latentes Potential hat, welches „mit angemessenen Arbeitsmarkt- und Aktivierungsmassnahmen“ entfesselt werden könne, und zwar mehr als in anderen Industrieländern, so Draghi weiter.

Wenn man die negativen Nachfrageeffekte der seit Jahren vorherrschenden Lohnmoderation im Euro-Raum nicht ignorieren will, müsste man vor diesem Hintergrund Lohnerhöhungen auf den Plan rufen, um das Wachstum zu stützen und dafür zu sorgen, dass die EZB das eigene Inflationsziel wiedererlangen kann. Und der Ansatz für Lohnerhöhungen ist Produktivitätswachstum plus Zielinflationsrate der EZB, was sich v.a. in einer Währungsunion wie EMU bietet.

„Arbeit schafft nicht nur das Einkommen der Massen, sondern ist auch der entscheidende Kostenfaktor. Deswegen ist nichts wichtiger als Arbeit“, schreibt Heiner Flassbeck in seinem Blog und erklärt in einem lesenswerten Eintrag die Bedeutung von Arbeit und Lohn für die makroökonomische Analyse.







Keine Kommentare: