Freitag, 30. September 2016

Verfehlte Sparpolitik und Einkommenspolarisierung

Larry Summers verweist in einem lesenswerten Artikel in WaPo auf eine aktuelle IWF-Studie über die Einkommenspolarisierung in den USA.

Die Autoren der Forschungsarbeit verwenden standard-ökonometrische Techniken, um die Auswirkungen des Einkommensrückgangs der Mittelschicht auf die gesamten Konsumausgaben zu schätzen. 

Die Analyse kommt zum Schluss, dass die Einkommenspolarisierung die privaten Ausgaben um mehr als 3% (rund 400 Mrd. USD pro Jahr) verringert.

Wenn das vorliegende Ergebnis einer genauen Prüfung standhält, hat es wichtige wirtschaftspolitische Konsequenzen. Denn die genannte Summe ist in der Tat enorm. Wenn die Verbraucher 3% mehr ausgeben würden, gäbe es Spielraum für die Vollbeschäftigung und die Zinsen, sich wieder dem neutralen Zinssatz (Gleichgewichtszinssatz) anzunähern, argumentiert Summers.

Was wäre zum Beispiel eine wirtschaftspolitische Implikation? 

Der an der Harvard University tätige Wirtschaftsprofessor sagt, dass es eine Reihe von Möglichkeiten gibt, die Arbeitnehmerrechte zu stützen, von Tarifverhandlungsvereinbarungen über Investitionen in die Infrastruktur bis zu einem progressiv gestalteten Steuersystem.



Der gesamte Konsumrückgang von 1998 bis 2013 in der US-Wirtschaft, Graph: IMF via Larry Summers in WaPo


Wie sieht die Situation in Europa aus?

Heiner Flassbeck ist eine einsame Stimme unter den Ökonomen in Deutschland, die seit Jahren wiederholt darauf hinweist, dass nicht die Staatsschulden die Ursache der europäischen Krise sind, sondern die Ungleichgewichte im Aussenhandel, die dadurch entstehen, dass alle Länder (aufgefordert von Brüssel und Berlin) gleichzeitig versuchen, die Probleme mit internal devaluation (d.h. Lohnkürzungen und Sozialabbau) zu lösen.

Die Lohnmoderation verschlechtert zweifelsohne die Einkommensaussichten, sodass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sinkt. Wenn gleichzeitig auch die Unternehmen und die öffentliche Hand sparen, dann entsteht ein Teufelskreis. Die Arbeitslosigkeit steigt.

Wenn obendrauf der Spitzensteuersatz gesenkt wird und die Löhne der Bezieher niedriger Einkommen stagnieren, verstärkt die Einkommenspolarisierung die oben beschriebene Abwärtsspirale weiter.

Die Ausweitung atypischer Beschäftigungsverhältnisse mit unterdurchschnittlicher Entlohnung (genannt Arbeitsmarktreform) führt dann zur Schrumpfung der Mittelschicht.

Woher soll dann das Wirtschaftswachstum kommen, wenn die deutsche Bundesregierung im schwer angeschlagenen Umfeld der europäischen Wirtschaft krampfhaft eine „schwarze Null“ im Haushalt durchsetzen will, während die Ersparnisse die Investitionen um 310 Mrd. EUR (Leistungsbilanzüberschuss: ca.  9% des BIP) übersteigen? 

Wer soll die Ersparnisse aufnehmen und investieren? In erster Linie sicherlich die privaten Unternehmen. Wenn sie sich aber weigern, dies zu tun, aus welchem Grund auch immer, dann bleibt nur ein einziger Akteur zurück: Der Staat.





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