Sonntag, 31. Juli 2016

Neoliberalismus, Ungleichheit, Arbeitslosigkeit und populistische Politik


Die letzten 35 Jahre zeigen, dass die neoliberale Konzeption (*) des Kapitalismus die Ungleichheit weltweit unerträglich gesteigert hat.

Zurückgeblieben ist eine Bevölkerung, die in der reichen Welt durchweg ohne signifikanten Anstieg des realen Einkommens mit einer erhöhten Unsicherheit konfrontiert ist, was zugleich einen Nährboden für die populistische Politik, die wir heute in den meisten Teilen der Welt vortreffen, bildet.

Das schreibt Branko Milanovic in einem lesenswerten Eintrag in seinem BlogDie „Zivilisierung“ des Kapitalismus kann nicht nur „von aussen“ (external) durchgeführt werden, indem man auf die Harmonie von privaten Interessen setzt.

Der Staat hat eine grössere Rolle zu spielen, die über die Gewährleistung des Schutzes der Eigentumsrechte, Steuerwesen und Umverteilung hinausgeht, argumentiert der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor.

Milanovic unterstreicht drei Bereiche, wo einiges unternommen werden kann, um einen Wandel herbeizuführen, damit sich das Blatt wendet.



Branko Milanovic: Global Inequality – A New Approach for the Age of Globalization, Harvard University Press, Apr 2016.

Freitag, 29. Juli 2016

Finanzierungssalden der Wirtschaft und öffentliche Investitionen

Benoît Cœuré, Direktoriumsmitglied der EZB hat gestern in einem Referat in den USA gesagt, dass die EZB noch über einen Spielraum verfügt, wenn nötig, die Zinsen weiter zu senken, bevor sich negative Auswirkungen auf die Wirtschaft und das Konsumverhalten bemerkbar machen.

Die monetäre Entwicklung in der Eurozone deute laut Cœuré nicht auf eine Cash-Substitution hin. Das heisst, dass die EZB noch weit weg von der „physischen Null-Untergrenze“ entfernt ist, wo das Risiko von Disintermediation auftauchen würde.

Seiner Einschätzung nach ist die Umsatzstruktur der Banken im Euro-Raum seit einer langen Zeit stabil. Das Netto-Einkommen der Banken sei zwischen 2014 und 2015 gestiegen, getrieben durch geringere Abschreibungen und höhere Nichtzins-Erträge.

Es gebe inzwischen jedoch Anzeichen dafür, dass die Banken beginnen, Kunden als Ersatz für Produkte, die an Zinsen gebunden (interest-based products) sind, „kostenpflichtige Produkte“ (fee-based products) anzubieten.



Übersicht über Staatsanleihen mit Negativ-Renditen, Graph: Benoît Cœuré, EZB in: „Assessing the implications of negative interest rates

Donnerstag, 28. Juli 2016

EZB’s QE und Performance der Staatsanleihen

Wer 2016 in längerfristige Staatsanleihen Deutschlands investiert hat, hat neunmal mehr verdient als mit kürzeren Staatspapieren.

Angaben von Bloomberg zufolge beträgt der Ertrag der deutschen Staatsanleihen mit Laufzeiten von 20 und mehr Jahren rund 21% seit Jahresbeginn.

Der Ertrag der deutschen Staatspapiere mit einer Laufzeit von 1 bis 10 Jahren beläuft sich hingegen auf rund 2,4% in diesem Jahr.

Das deutet darauf hin, dass German Bunds als sichere und liquide Wertpapiere weiterhin stark gesucht sind und die QE-Politik der EZB eine starke Nachfrage nach solchen Staatsanleihen geschaffen hat.



Verlauf der Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: Bloomberg

Mittwoch, 27. Juli 2016

Die Welt als Ganzes hat keine Schulden


Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) hat gestern eine Anleihe mit 8 Jahren Laufzeit verkauft. Die Rendite beträgt minus 0,11%, wie FastFT meldet.

ESM, der ein Teil des „EUR-Rettungsschirms“ gegründet wurde, hat 961 Mio. EUR eingenommen, zu negativen Zinsen, um die EUR-Staaten, die in Schwierigkeiten stecken, zu unterstützen. Das heisst, dass der Markt die Kreditaufnahme des Rettungsfonds mit einem Abzug belohnt.

Ironie des Schicksals?  

Während die Entscheidungsträger im Euro-Raum alle auffordern, die Gürtel enger zu schnallen, um trotz des schwer angeschlagenen Umfelds der europäischen Wirtschaft Haushaltskonsolidierung zu betreiben, ist der EUR-Rettungsfonds in der Lage, Anleihen auf 8 Jahre zu Negativ-Renditen zu begeben.

Die Tatsache, dass die Politiker immer noch darauf bestehen, dass die öffentliche Hand sparen muss, zeigt, wie schief die neo-klassisch geprägte Wirtschaftskonzeption (fiscal austerity) der EU-Behörden ist.



Die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit fällt nach zwei Wochen wieder auf einen rekordtiefen Wert, Graph: Bloomberg

Dienstag, 26. Juli 2016

Jagd nach Rendite oder Sicherheit?

Die Fed Fund Futures deuten an, dass die Chance für eine Zinserhöhung durch die Fed auf dem FOMC-Treffen diese Woche 10% beträgt, während sich die Wahrscheinlichkeit für einen Zinsanstieg per Dezember 2016 heute auf rund 46% beläuft.

Und die Futures signalisieren eine Chance von 85% für eine Zinssenkung durch die britische Zentralbank (BoE: Bank of England) im August.

Im Euro-Raum hingegen fällt auf, dass sich die Differenz zwischen den errechneten (inflation swaps) und erhobenen (markt-basierten Umfragen, SPF) inzwischen etwas ausgeweitet hat, vielleicht aus technischen Gründen. Aber wir wissen nicht genau, warum. Auch EZB-Präsident Mario Draghi hat neulich darauf aufmerksam gemacht, ohne es weiter zu kommentieren.

Thomas Jordan, SNB-Präsident hat am Sonntag gesagt, dass die SNB über genügend Spielraum verfüge, gegebenenfalls am Markt zu intervenieren. Einer Umfrage von Bloomberg zufolge könnte die SNB den gegenwärtigen Negativzins von minus 0,75% auf Sichtguthaben der Banken bis auf minus 1,25% senken.


Wie tief fallen die Renditen noch? Graph: Bloomberg

Montag, 25. Juli 2016

Wachstumsschwäche und Ausfallgefahr am Anleihemarkt

Die global anhaltende Wachstumsschwäche und die Niedriginflation sind miteinander verknüpfte Faktoren, die zum Rückgang der als risikofrei geltenden Renditen der sicheren Staatsanleihen beitragen.

Die Implikationen lassen sich unschwer beobachten. Der Kapitalzufluss in die US-Anleihemärkte beschleunigen sich, wenn die Zinsen niedrig bleiben oder sogar fallen und die Volatilität abnimmt.

Das geringe Wirtschaftswachstum und eine niedrige Inflation bilden aber in einem Marktumfeld, wo der Schuldenabbau-Prozess (deleveraging) noch nicht abgeschlossen ist, eine gefährliche Mischung.

Es gibt einer Analyse von Morgan Stanley nach eine enge inverse Beziehung zwischen den CCC/BB Spreads-Unterschieden und Inflationserwartungen.

M.a.W. korrelieren Inflationserwartungen i.d.R. mit einer schwachen Performance der als riskant eingestuften Anleihen. Und ein Faktum ist, dass hohe Zahlungsausfälle fast immer in einer solchen Umgebung des Marktes vorkommen, wenn das Wachstum schwach ist und die Inflation niedrig verläuft.



Deflationäre Umgebung ist problematisch für Anleihen mit geringerer Kreditwürdigkeit als Staatsanleihen mit bester Bonität, Graph: Morgan Stanley

Sonntag, 24. Juli 2016

Keine Inflation - keine Zinserhöhung

Die Inflationsaussichten bleiben angesichts der trägen Handelsaktivitäten und der anhaltenden Überkapazitäten weiterhin gedämpft.

Der von der US-Notenbank besonders aufmerksam beobachtete Wert core PCE Inflation dürfte sich nach Einschätzung von Morgan Stanley Ökonomen weiterhin zwischen 1,6% und 1,7% bewegen.

Das bedeutet, dass die Fed das Inflationsziel (2%) auch im kommenden Jahr unterbieten würde, womit die Preisstabilität das 9. Jahr infolge (nach unten) verfehlt wäre.

Alle möglichen Messgrössen von Inflationsausgleich und Erwartungen verharren auf historisch niedrigen Niveaus. Und wie aus der Sitzungsnotizen der Fed vom Juni hervorgeht, werden die amerikanischen Geldpolitiker zunehmend bekümmert, dass der Weg hin zum Zielwert von 2% auf mittlere Sicht bricht.

Die Teilnehmer des geldpolitischen Ausschusses der Fed äussern Besorgnisse über wichtige Abwärtsrisiken einschliesslich des persistenten disinflationären Drucks aufgrund der schwachen Wachstumsaussichten im Ausland.



Die Fed dürfte im Jahr 2017 das eigene Inflationsziel (ca. 2%) das 9. Jahr in Folge unterbieten, Graph: Morgan Stanley

Samstag, 23. Juli 2016

The Age of EM

Buchbesprechung:

Robin Hanson: The Age of EM. Work, Love, and Life when Robots Rule the Earth. Oxford University Press, New York, London, 2016.


Eine Gehirnemulation (brain emulation, kurz: ems) ist einfach ausgedrückt die Nachbildung eines funktionierenden menschlichen Gehirns im Computer.

Wenn wir ein menschliches Gehirn scannen (Hirnabbild) können, können wir es (die exakte Kopie) auf einen super-schnellen Computer übertragen und damit ein Modell mit den gleichen Verbindungen zwischen den Nervenzellen bauen. Und dann haben wir ein Roboter-Gehirn, das als menschlich erkennbar ist.

Gehirnemulation hört sich wie eine Science Fiction Story an. Aber das vorliegende Buch von Robin Hanson gehört eher in die Kategorie „Futurism“. Im Übrigen werden Emulationen manchmal auch „uploads“ genannt.

Die wichtigste Methode des Autors, neben dem gesunden Menschenverstand und Trendprojektionen, sind Standard-Konsensus-Theorien in relevanten Bereichen der Physik, Technik und Sozial- und Geisteswissenschaften, einschliesslich der Praxis im geschäftlichen und gesellschaftlichen Leben, wie der Wirtschaftsprofessor an der George Manson University selbst beschreibt.

Gehirnemulationen benötigen drei unterstützende Technologien: Gehirn-Scanner, Gehirnzellen-Modelle und Signalverarbeitungshardware (d.h. Computers).

Gehirn-Scans werden laut Hanson möglicherweise durchführbar, wenn alle drei dieser Technologien günstig genug sind und zuverlässig eingesetzt werden können. Es scheint dem heutigen Kenntnisstand nach glaubwürdig, dass ausreichende Fortschritte in etwa einem Jahrhundert oder so erzielt werden könnten.

Freitag, 22. Juli 2016

Gig Economy und Auswirkungen auf die arbeitsteilige Wirtschaft

Die Sharing Economy wächst rasant. In den Sektoren, wo sie bereits Fuss zu fassen scheint, entfalten sich bereits Auswirkungen, berichtet Morgan Stanley in einer kürzlich vorgelegten Analyse.

Die Verfasser des Berichtes erwarten gemischte Auswirkungen auf die Industrie: Die Autos dürften langfristig negativ davon betroffen werden, obwohl es sich kurzfristig auch Chancen für manche Unternehmen wie z.B. Toyota, Tesla und BMW bieten. BMW hat z.B. ein in-house car sharing Services.

Auch Reisebüros (z.B. Expedia, Priceline) und Paketzustellen (z.B. UPS, Fedex) dürften negativ tangiert werden. Die Entwicklung in der Hotelbranche müsste noch näher überprüft werden, so die Analysten.



Sharing Economy, Graph: Morgan Stanley

Donnerstag, 21. Juli 2016

Fed-Rhetorik und Marktzinsen

David Beckworth macht in seinem Blog darauf aufmerksam, dass die Fed seit Mitte 2014 davon redet, die Leitzinsen zu erhöhen.

Seither hat die US-Notenbank die Zinsen nur einmal, nämlich im Dezember 2015 um 25 Basispunkte angehoben. Mehr war einfach nicht möglich. Warum? Weil Fed’s Pläne oft durch unerwartete wirtschaftliche Entwicklungen vereitelt werden.

So entsteht ein Wiederholungszyklus, beschreibt der an der Western Kentucky University lehrende Wirtschaftsprofessor. Die Fed stellt in Aussicht, die Zinsen zu erhöhen. Aber bad news kommen dazwischen. Die Fed tritt einen Schritt zurück. Dann kommen gute Nachrichten aus der Wirtschaft. Und so weiter.

Ein grosser Teil der schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft, durch die die Fed sich veranlasst sieht, die Bereitschaft, die Zinsen zu erhöhen, zurückzuschrauben, stellt aber keine Reihe von zufälligen Ereignissen dar. Es handelt sich dabei vielmehr um ein Nebenprodukt der Zinserhöhung-Rhetorik der US-Notenbank, argumentiert Beckworth.



Der Rückgang der Rendite der Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit seit 2008, Graph: David Beckworth

Mittwoch, 20. Juli 2016

Warum die Fed die Zinsen nicht erhöhen kann

Die Rendite der Staatsanleihen in den USA sind höher als die Rendite der Staatsanleihen in Europa. Warum? Weil es der amerikanischen Wirtschaft relativ besser geht. Es ist jedoch augenfällig, dass die Renditen seit geraumer Zeit auch in den USA zurückgehen, während die Fed öffentlich Überlegungen anstellt, die Zinsen demnächst anzuheben.

Eine bemerkenswerte Abbildung liefert Mike McKee von BloombergTV: 

Während der Economic Suprise Index steigt und damit positive Signale sendet, was die Entwicklung der Wirtschaft betrifft, fallen die Inflationserwartungen. Das ist ziemlich seltsam. 

Die Inflationserwartungen müssten nämlich steigen. Denn eine Zentralbank erhöht die Leitzinsen, um eine Überhitzungsgefahr in der Wirtschaft zu unterbinden, um mit der Verteuerung der Kreditaufnahme eine Inflation zu dämpfen.

Vor diesem Hintergrund schreibt Tim Duy in einem Kommentar im Bloomberg, dass die Fed die Zinsen nicht erhöhen kann und sollte.

Die Verflachung der Ertragskurve (yield curve) ist ein Warnsignal. Die Fed kann den Fokus nicht nur auf die Zinsen am kurzen Ende der Laufzeit legen. Auch die Balance Sheet Policy muss dabei mit berücksichtigt werden, argumentiert der an der Oregon University lehrende Wirtschaftsprofessor. 



Die Wirtschaft scheint sich zu erholen, aber die Inflationserwartungen fallen, Graph: BloombergTV

Dienstag, 19. Juli 2016

Strukturreformen und Fiskalpolitik

Es steht ohne Zweifel fest, dass es seit einer langen Zeit ein Missverhältnis zwischen den geplanten Ersparnissen und geplanten Investitionen gibt. Während die Ersparnisse steigen, kommen Investitionen kaum vom Fleck. Die Wirtschaft weigert sich irgendwie, auf die anhaltend lockere Geldpolitik zu reagieren.

Hat Larry Summers recht? Haben wir tatsächlich mit einer secular stagnation zu tun? Die unmittelbare Antwort darauf ist expansive Fiskalpolitik, d.h. der Versuch, mit erhöhten Ausgaben und Steuersenkungen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu stützen sowie die Beschäftigung zu fördern.

Vor diesem Hintergrund zitiert Grep Ip im WSJ eine Forschungsarbeit aus Peterson Institute for International Economics (PIIE) und äussert etwas Skepsis an den bisher ergriffenen Massnahmen gegen die Gefahr von secular stagnation.

Paolo Mauro, der Verfasser der Analyse schreibt nämlich, dass die Länder das langfristige Potenzialwachstum oft so überschätzen, dass dadurch hohe Defizite und Schulden entstehen.

Der Punkt ist, dass ein niedrigeres Wachstum in Zukunft ein Grund darstelle, das Wachstum der realen Staatsausgaben in Zukunft zurückzufahren. Mauro sagt aber nicht, dass ein Rückgang des erwarteten künftigen Wachstums ein Grund sei, die Höhe der Staatsausgaben heute zu senken oder auf die Erhöhung der Ausgaben zu verzichten, was sonst eine gute wirtschaftspolitische Massnahme heute wäre, wie Brad DeLong in seinem Blog festhält.


Das globale Potenzialwachstum, Graph: Morgan Stanley

Montag, 18. Juli 2016

Trübe Aussichten für die Wirtschaft im Sommer


Obwohl die Zentralbanken die extra-lockere Geldpolitik fortsetzen, stagnieren die meisten der Volkswirtschaften weltweit. Ben Bernanke, der ehemalige Fed-Präsident fliegt nach Japan, um die Option „Helicopter Money“ (HM) für die japanische Wirtschaft zu besprechen. Nach dem Brexit-Votum kommt das Thema HM sogar in Grossbritannien auf die Tagesordnung.

Geldfinanzierte Fiskalprogramme (MFFPs), die umgangssprachlich als „Geldabwurf aus dem Helicopter“ (helicopter drop) bekannt sind, sind in den USA in absehbarer Zeit wahrscheinlich nicht nötig, erklärt Bernanke.

Denn MFFPs stellen eine Reihe von praktischen Herausforderungen in Sachen Umsetzung und Integration in den geldpolitischen Rahmen dar, einschliesslich einer angemessenen Governance und Koordination zwischen der Legislative und der Zentralbank, legt der nun am Economic Studies Program von Brookings Institution beteiligte und als Blogger tätige Wirtschaftsprofessor dar.


Die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen von entwickelten Volkswirtschaften sind inzwischen so niedrig wie in den 1930er Jahren, Graph: Morgan Stanley

Samstag, 16. Juli 2016

Warum laufen Aktien- und Anleihemärkte Hand in Hand?


An den globalen Finanzmärkten passiert seit einer gewissen Zeit etwas Ungewöhnliches. Während die Rendite der Staatsanleihen fallen, steigen die Aktienpreise. Der S&P 500 Index ist beispielsweise allein in den vergangenen fünf Monaten um 17% geklettert.

Und die Ertragskurve in den fortentwickelten Volkswirtschaften verflacht sich weiter. Es gelingt sogar Unternehmen, Anleihen mit Negativ-Rendite auszugeben. Siehe die Deutsche Bundesbahn.

Die Koexistenz von Niedrig-, ja sogar Negativ-Renditen auf Staatsanleihen und Rekordhoch von Aktienkursen wirft Fragen auf. Denn es ist schwer anzunehmen, dass es sich bei dem neuen Phänomen um eine Flucht in Sicherheit im klassischen Sinne handelt, wie es sich nach und nach herausstellt.

Was sagen aber die Aktienmärkte heute aus?

Zunächst einmal gilt es festzuhalten, dass es ein Mythos ist, zu glauben, dass die Aktienpreise als Massstab für die gesamte Wirtschaft gelten. Die Aktienpreise reflektieren Gewinne, nicht gesamtwirtschaftliches Einkommen. Und der Zusammenhang zwischen den Aktienkursen und der realen Investitionen ist ziemlich dürftig, wie Paul Krugman in seiner Kolumne am Freitag in NYTimes beschreibt.



Die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit ist vergangene Woche etwas angestiegen, Graph: FastFT

Donnerstag, 14. Juli 2016

Nullkuponanleihe und Anpassung der Austeritätskosten


Deutschland hat am Mittwoch zum ersten Mal eine 10-jährige Staatsanleihe mit einem Kupon von 0,0% angeboten.

Auf der Versteigerung hat sich eine Rendite von minus 0,05% ergeben. Geboten wurden 4,7 Mrd. EUR. Und die Finanzagentur hat 4 Mrd. EUR zugeteilt.

Im Vorfeld der Auktion wurden deutsche Bundesanleihen mit 10 Jahren Laufzeit bereits mit einer Rendite von minus 0,04% gehandelt.

Es lohnt sich, angesichts der anhaltenden hohen Arbeitslosigkeit, einer zu geringen Inflation und des hohen Leistungsbilanzüberschusses im Euro-Raum in Erinnerung zu rufen, dass die deutsche Regierung eine „schwarze Null“-Politik auf die Fahnen geschrieben hat.

Deutschlands Überschuss ist im vergangenen Jahr auf 249,1 Mrd. EUR geklettert, was 8,5% des BIP entspricht.

Obwohl der IWF und die EU-Kommission es der deutschen Regierung ans Herz legen, den Überschuss allmählich abzubauen, betrachtet Berlin den Zuwachs in der Leistungsbilanz als ökonomischen Erfolg.



Die erste deutsche Bundesanleihe (10 Jahre) mit einer Negativ-Rendite auf einer Versteigerung, Graph: FastFT

Mittwoch, 13. Juli 2016

Europas zwischenstaatliche Fiskalpolitik und kein Stimulus


Es gibt zwei Länder im Euro-Raum, die über genügend fiskalischen Spielraum verfügen, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln. Das sind Deutschland und die Niederlande. Sowohl Berlin als auch Amsterdam streben aber einen ausgeglichenen Haushalt an, für 2016, aber auch für 2017.

Das heisst, dass Deutschland und Niederlande nicht einmal bereit sind, über einen Einsatz von Fiskalpolitik im schwer angeschlagenen Umfeld der europäischen Wirtschaft nachzudenken.

Auf der anderen Seite warnen die Euro-Finanzminister seit geraumer Zeit Spanien und Portugal, das Defizit im Haushalt zu senken. Die beiden Länder werden sogar öffentlich getadelt, effektive Massnahmen zu ergreifen, das jeweils eigene Budgetdefizit in den Griff zu bekommen, weil sonst Sanktionen verhängt würden.

Auch Frankreich und Italien werden von der EU-Kommission unverkrampft gedrängt, Haushaltskonsolidierung zu betreiben.

Vor diesem Hintergrund kann sich Brad Setser beim besten Willen nicht vorstellen, woher das Wachstum im Euro-Raum im nächsten Jahr kommen soll, wie er es in seinem Blog zum Ausdruck bringt.

Die Länder, die sich ein grösseres Haushaltsdefizit leisten könnten, ohne die EU-Regeln zu verletzen, sagen demonstrativ, dass sie es nicht tun wollen. Die anderen Länder, die bereits ein Defizit buchen, und damit irgendwie gegen die EU-Regeln verstossen, sehen sich einem hohen Druck durch die EU-Behörden ausgesetzt.



Braucht Europe tatsächlich mehr Haushaltskonsolidierung jetzt?, Graph: Brad Setser

Dienstag, 12. Juli 2016

Das britische Pfund nach dem Brexit-Votum

Das britische Pfund hat im Juni gegenüber dem USD um 8,77% an Wert verloren. Seit Jahresbeginn hat die britische Landeswährung infolge der Brexit-Volksbefragung insgesamt um mehr als 12% abgewertet. Damit markiert GBP ein 31-Jahres-Tief.

Bemerkenswert ist, dass die inflationsindexierten Staatsanleihen Grossbritanniens mit einer Performance von rund 20% die vergleichbaren Anleihen aus den USA (TIPS) und Deutschland (Linker) in den Schatten stellen, in Erwartung von geld- und fiskalpolitischen Stimulierungsmassnahmen.

Während Sterling Pound sich als das unmittelbare Opfer der „Leave“-Entscheidung entpuppt, erfreuen sich Staatsanleihen grosser Nachfrage.

Da die starke Abwertung erwartungsgemäss die Preise der importierten Güter erhöhen dürfte, sind die Inflationserwartungen über die nächsten 5 Jahre (gemessen an Index Swaps) inzwischen auf 3,07% geklettert. Auch die 10-jährigen Break-even Sätze (Differenz zwischen nominal und real-Renditen) verbuchen derzeit den höchsten Wert seit Januar.



Die inflationsgeschützte Staatsanleihen Grossbritanniens, Ertrag im Vergleich zu US TIPS und German Linkers, Graph: Bloomberg

Montag, 11. Juli 2016

Billiges Geld und sture Politik

Die Ertragskurve (yield curve) verflacht sich seit geraumer Zeit. Das heisst, dass auch die Zinsen am langen Ende der Kurve fallen, während die kurzfristigen Zinsen nahe Null liegen.

Man kann mit Fug und Recht sagen, dass die Investoren derzeit Regierungen Geld anvertrauen, für nichts. Was bedeutet das aber?

Manche Kommentatoren behaupten, dass die Fed und die EZB die Zinsen „künstlich“ niedrig halten und damit Spekulanten fördern und die Wirtschaft zerstören.

Es ist wichtig, zu verstehen, dass solche Einschätzungen überhaupt keinen Sinn machen.

Vor diesem Hintergrund schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Cheap Money Talks“) am Montag in NYTimes, dass das, was wir heute beobachten, nicht (mehr) eine Flucht in die Sicherheit (flight to safety) ist. Die Zeiten ändern sich.

Investoren sind einst in Scharen in US-Treasury Bonds und German Bunds geflüchtet. Das ist aber heute nicht mehr der Fall. Denn es gibt dazu wenig Evidenz, dass die Entwicklung ein von Angst gesteuerter Prozess ist, argumentiert Krugman.



Der Gleichgewichtszins, Graph: FuW in NMTM

Sonntag, 10. Juli 2016

Zinsen sind nicht künstlich niedrig

Die Anhänger einer restriktiven Geldpolitik, die gestützt auf die neoklassische Wirtschaftspolitik eine Zinserhöhung fordern, argumentieren nicht selten so, dass die Zinsen „künstlich“ niedrig gehalten werden.

Die Zinsen sind aber weder in den USA noch in Europa künstlich niedrig. Warum? Vitor Constancio erklärt es in einem aktuellen Referat in Madrid.

Um zu verstehen, warum die Zinsen so niedrig sind, ist es sinnvoll, das Konzept eines realen Gleichgewichtszinssatzes (neutral rate) heranzuziehen, sagt der Vize-Präsident der EZB.

Die Bedeutung dieses Konzeptes ist, dass es eine Art Anker für die Geldpolitik bietet, was impliziert, dass die Geldpolitik dem realen Gleichgewichtssatz folgen muss, um die Preisstabilität zu gewährleisten.



Der reale Gleichgewichtszinssatz (Schätzung) für den Euro-Raum, Graph: Vitor Constancio, ECB Vice-President in: „European Banking Industry: What’s Next?“, July 7, 2016, Madrid

Freitag, 8. Juli 2016

Kommt nach Brexit nun „fiscal QE“?


Nach Einschätzung der meisten Ökonomen belastet der Brexit das Wachstum der europäischen Wirtschaft.

Paul Krugman hingegen teilt die Meinung nicht, dass das britische EU-Referendum („Leave“) auf die kurze Sicht einen wesentlichen Schock auf der Nachfrage-Seite der Wirtschaft auslösen würde.

Nach der Ansicht des im Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) forschenden Wirtschaftsprofessor sagen Standard-Wirtschaftsmodelle nichts darüber, dass eine schlechte wirtschaftspolitische Massnahme auf der Angebotsseite notwendigerweise auch für die Nachfrageseite kurzfristig etwas Schlechtes nach sich ziehen würde.

Aber der IMF sagt heute, dass der Brexit die Wirtschaftskraft der Eurozone spürbar treffen würde.

Es wird sich bald zeigen, wer Recht hat. Bemerkenswert ist aber, dass der signifikante Rückgang der Renditen der als sich geltenden Staatspapiere nicht mit einem Rückgang der Aktienpreise einhergeht. Das heisst, dass die Bond-Märkte nicht von einer Portfolio-Umschichtung von riskanten Vermögenswerten in sichere Finanzanlagen profitieren.

Das kann sicherlich so angedeutet werden, dass die Verflachung der Renditekurve mit dem Sparwahn als Beiprodukt der Austeritätspolitik zu tun hat.
  


Viel zu viele Länder sind in Infrastruktur unterinvestiert, und zwar seit Jahrzehnten, was auf dem Wirtschaftswachstum lastet, Graph: McKinsey Global InstituteBridging Global Infrastructure Gaps“, June 2016

Donnerstag, 7. Juli 2016

Animal Spirits und schwache Weltwirtschaft

Das ist eine einprägsame Zusammenstellung der Renditen der Staatsanleihen der grössten Volkswirtschaften der Welt.

Was sofort ins Auge sticht, ist, dass die Renditen aller ausstehenden Schweizer Staatspapiere derzeit einen negativen Wert ausweisen.

Insgesamt werden 35% der ausstehenden Staatsanleihen in den ausgewählten Ländern mit einer Negativ-Rendite gehandelt, mit der Schweiz und Japan, die die Spitze führen.

Bemerkenswert ist aber im Allgemeinen die Verflachung der Renditekurve (yield curve), d.h. die Differenz zwischen den Renditen am kurzen und langen Ende der Ertragskurve.

Der entsprechende Spread (10y & 2y UST) für US-Treasury Bonds beträgt heute 0,8%, und markiert damit den Stand von zuletzt November 2007. Das gilt i.d.R. als Indikator für eine bevorstehende Rezession.



Eine übersichtliche Tabelle der Negativ-Renditen der Staatsanleihen, Graph: FastFT

Mittwoch, 6. Juli 2016

Anleihenmärkte sagen das Wahre

Die neue wirtschaftspolitische Unsicherheit, die durch das britische EU-Referendum entstanden ist, drückt die Renditen weiter nach unten. Die „flight to safety“ hat dafür gesorgt, dass die Renditen der US-Treasury Bonds mit 10 und 30 Jahren Laufzeit mittlerweile neue Tiefstwerte ausweisen.

Und eine weitere Zinserhöhung durch die Fed rückt folglich in weite Ferne, wie in der folgenden Abbildung zu sehen ist.

Auch die Laufzeitprämie (term premium) für US-Staatsanleihen ist weiter gefallen: Der aktuelle Wert von minus 0,66% markiert ein Allzeit-Tief, wie Bloomberg berichtet.


Implizierte Wahrscheinlichkeit von US-Zinserhöhungen durch die Fed auf einem neuen Tiefpunkt, Graph: Morgan Stanley

Dienstag, 5. Juli 2016

Nachfrage nach sicheren Kapitalanlagen

Fazit, das Wirtschaftsblog der Frankfurter Allgemeine Zeitung befasst sich mit dem Thema Negativ-Renditen.

Die Nachfrage nach sicheren Anlagen v.a. durch internationale Kapitalanleger ist ein wesentlicher Grund, warum die Renditen von Bundesanleihen in den vergangenen Jahren so stark gefallen und heute negativ sind, wird im Beitrag erklärt. 

Das wesentliche Argument lautet demnach, dass der starken Nachfrage ein zu kleines Angebot entgegensteht.

Der Autor deutet zur Erläuterung auf das „Entstehen einer breiten Schicht von Sparern in Schwellenländern, darunter nicht zuletzt China“ hin, als einen wichtigen Grund für das Missverhältnis von Angebot und Nachfrage. „Viele dieser Anleger suchen Sicherheit und stürzen sich auf sichere Kapitalanlagen in Industrieländern“, so die Begründung.

Warum aber in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah.

Ein Blick auf die Finanzierungssalden der Wirtschaftssektoren in Deutschland zeigt, dass private Haushalte, Unternehmen und der Staat einen positiven Wert aufweisen, das heisst, dass alle gleichzeitig sparen. Nur das Ausland hat einen negativen Saldo, d.h. es verschuldet sich, um z.B. deutsche Güter und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.

Mit anderen Worten wird nicht nur in den sog. Schwellenländern die Gürtel enger geschnallt, sondern auch hierzulande.

Warum ist das Angebot an Staatsanleihen aber so gering? Weil das Bundesfinanzministerium eine „Schwarze Null“-Politik verfolgt, und zwar in einem schwer angeschlagenen Umfeld der europäischen Wirtschaft. Welchen Sinn macht es aber? Dass es im Euro-Raum an Nachfrage mangelt, betont Peter Praet, EZB-Chefvolkswirt seit mehreren Monaten in einer Reihe von öffentlichen Referaten unermüdlich.




Finanzierungssalden der Wirtschaftssektoren Deutschlands, Graph: Martin Wolf in: FTGermany is the eurozone’s biggest problem“.

Montag, 4. Juli 2016

Was machen eigentlich die inflationsindexierten Anleihen inzwischen?

Während die Renditen der US-Staatsanleihen im Sog des britischen EU-Referendums weiter gefallen sind, weisen die Inflationserwartungen (gemessen an 5y5y break-even Zinssätzen) den niedrigsten Wert seit 1999 aus: 1,31%.

Es wundert sich vor diesem Hintergrund, was die inflationsgeschützten Staatsanleihen (sog. TIPS) inzwischen tun?

Die TIPS erbringen seit Jahresbeginn einen Ertrag von 6,6% und übertreffen damit die Rendite der nominalen Staatsanleihen im selben Zeitraum: 5,7%.

Die Entwicklung legt nahe, zu verstehen, warum Janet Yellen, die Fed-Präsidentin derzeit Mühe hat, die nächste Zinserhöhung seit Dezember 2015 anzukündigen. Stattdessen betont sie immer wieder, sich für die Zukunft alle Möglichkeiten offenzuhalten.

Bleibt das Wirtschaftswachstum für eine längere Zeit besonders niedrig, bleibt auch der neutrale Zins, wo die Wirtschaft in Vollbeschäftigung ist und die Preisstabilität als gewährleistet gilt, niedrig.



US TIPS mit einer Performance von 6,6% in der ersten Jahreshälfte von 2016, Graph: Bloomberg