Mittwoch, 29. März 2017

Ein Staat ist nicht ein Unternehmen

US-Präsident Donald Trump hat am Montag in einem Memorandum die Gründung von „White House Office of American Innovation“ (OAI) angekündigt.

Das OAI wird von Jared Kushner, dem hochrangigen Berater und dem Schwiegersohn von Trump geführt. Das Ziel sei, die Staatsbürokratie mit Einsichten aus dem Geschäftsleben besser zu gestalten.

Der Staat soll wie ein grosses amerikanisches Unternehmen geleitet werden, hat Kushner zusammenfassend erklärt.

Stephen Colbert hat sich gestern in The Late Show („Chief White House Nepotism Beneficiary“) des Themas sofort angenommen und köstlich präsentiert, warum die Analogie vorgetäuscht und irrefführend ist. 

Kushner liegt falsch, lautet auch das Fazit eines Kommentars in FT aus London: Die Regierung soll nicht wie ein tolles Unternehmen geführt werden, sondern wie eine grossartige Demokratie laufen, was viel schwieriger ist zu handhaben.

Denn eine nationale Wirtschaftspolitik muss (auch in kleinen Ländern) die Art von Rückkopplungen mitberücksichtigen, worauf es im Geschäftsleben nur selten ankommt. 

Selbst die grössten Konzerne verkaufen nämlich lediglich einen kleinen Anteil dessen, was sie herstellen, an die eigenen Mitarbeiter, während sogar sehr kleine Länder die meisten Güter und Dienstleistungen an sich selbst verkaufen.


Der fiskalpolitische Spielraum und Produktionslücke in G3 Volkswirtschaften, Graph: Morgan Stanley

Paul Krugman hat dazu einen lesenswerten Artikel („A Country is not a Company“) geschrieben, der in der Jan-Febr 1996 Ausgabe von Harvard Business Review veröffentlicht worden ist. 

Wenn ein erfolgreicher Unternehmer sich eine not-leidende Volkswirtschaft ansieht und auf seine Erfahrungen im Geschäftsleben zurückgreift, legt er in erster Linie nahe, die Kosten zu senken, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. 

Eine Geschäftsperson denkt, dass die Löhne gesenkt werden müssen, um Arbeitsplätze zu schaffen. Die Kosten sollen reduziert werden, lautet das Motto. Das heisst im Allgemeinen, dass die Gürtel enger geschnallt werden müssen.


Staatsverschuldung und Rendite-Niveau von Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: Morgan Stanley

Das Konzept ist in Deutschland unter der Rubrik „schwäbische Hausfrau“ bekannt, wie Heiner Flassbeck in einem Video (Warum der Staat keine schwäbische Hausfrau ist) ausführlich darstellt.

In Wirklichkeit verschärfen aber die Lohnkürzungen die Situation in einer angeschlagenen Wirtschaft: die schwache Nachfrage, wo deficit spending eine Abhilfe schaffen würde.

Präsident Barack Obama hat einst gesagt, dass man als Chef einer Private Equity Firma oder eines Hedge-Fonds die Aufgabe hat, Geld einzubringen, nicht um Arbeitsplätze zu schaffen, nicht einmal ein erfolgreiches Geschäft zu führen. Es geht darum, sicherzustellen, dass die Erträge für die Investoren maximiert werden.

Das ist angemessen. Das ist ein Teil von „American Way“. Aber es bedeutet nicht unbedingt, dass man qualifiziert ist, über die gesamte Wirtschaft nachzudenken, so Obama weiter. Als Präsident eines Landes hat man die Aufgabe, über die Arbeitnehmer und die Gemeinschaften nachzudenken, wo Arbeitsplätze geschaffen werden können.

Die Analogie „Staat versus Individuum“ ist daher trügerisch. Der Staat kann nicht nach dem Ansatz der „schwäbischen Hausfrau“ funktionieren.

Der entscheidende Punkt ist die Interdependenz: Ihre Ausgaben sind meine Einnahmen und meine Ausgaben sind Ihre Einnahmen. Wenn wir alle versuchen, unsere Ausgaben gleichzeitig zu reduzieren, ergibt sich daraus eine Depression

Deshalb muss jemand herkommen und die Ersparnisse aufnehmen, um zu investieren. Das sind in einer Marktwirtschaft i.d.R. private Unternehmen. 

Wenn aber auch Unternehmen u.U. zu Netto-Sparern werden, dann muss der öffentliche Sektor das Heft in die Hand nehmen und via Deficit Spending die gesamtwirtschaftliche Nachfrage animieren. Sonst herrscht Stagnation und Millionen von Menschen bleiben auf der Strecke.






1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Der entscheidende Punkt ist nicht die Interdependenz, oder zumindest greift das zu kurz. Der entscheidende Punkt ist, dass es sich bei einer Volkswirtschaft um ein (weitgehend) geschlossenes System handelt, bei Unternehmen dagegen um offene Systeme.

Um diesen Unterschied zu verstehen sollte man sich mit Physikern unterhalten. Geschlossene Systeme verhalten sich völlig anders als offene Systeme und häufig kontraintuitiv. Deshalb kommt man mit dem intuitiven Denken einer schwäbischen Hausfrau bei volkswirtschaftlichen Fragestellungen nicht weiter.