Montag, 31. Juli 2017

Das metrische Wir

Buchbesprechung

Steffen Mau: Das metrische Wir – Über die Quantifizierung des Sozialen, edition suhrkamp, SV, Berlin, 2017.


Warum sind wir in Social Media anwesend? 

Die Präsenz in Social Media scheint heute für viele Menschen zu einem Lebensinhalt zu werden.

Wir wollen nicht nur Aufmerksamkeit und Interesse wecken, sondern auch unser Wissen und Erfahrungen unterstreichen. Wir wollen überraschen und aussergewöhnlich wirken.

Social Media Engagement ist eben das neue Marketing.

Wir haben aber inzwischen mit einem neuen Statusregime zu tun. Die soziale Hierarchie bezieht sich immer mehr auf numerische Ungleichheiten, und nicht mehr auf materielle Ungleichheiten (Stichwort: Soziometrie).

Wie der Trend der Quantifizierung des Sozialen sich dabei herausbildet, erläutert Steffen Mau in seinem neuen lesenswerten Buch raffiniert.

Die Fahrt, die das „Schwungrad der Verdatung“ aufnimmt, gestützt durch die kommerzielle Nachfrage und den technologischen Fortschritt, ist schier überwältigend.

Es ist der neue Bewertungskult, der im Internet, sei es beim Online-Einkauf oder bei der Partnersuche via Likes, Sternchen, Noten, Scores usw. die quantifizierenden Formen sozialer Rangbildung prägt.

Die Vermessung und Bezifferung des Sozialen sind aber keine neutralen Repräsentationen der Wirklichkeit. Denn Zahlen sind auch Träger bestimmter politischer Konzepte, normativer Skripte und wirtschaftlicher Interessen, wie Mau schildert.

Sonntag, 30. Juli 2017

The Production of Money


Buchbesprechung

Ann Pettifor: The Production of Money – How to Break the Power of Bankers, Verso Books, London & New York, 2017.


Was ist Geld? Wo kommt es her? Und wer kontrolliert es? 

Solche Fragen mögen sich auf Anhieb trivial anhören. Aber es ist angesichts der anhaltenden Konsequenzen der globalen Finanzkrise (GFC) von 2008-2009 von grosser Bedeutung, sich nüchtern damit auseinanderzusetzen.

Denn die Diagnose ist entscheidend, die Ungleichgewichte abzubauen und die Beschäftigung zu fördern. 

Die in Europa gegenwärtig vorherrschende Austeritätspolitik beruht auf dem realwirtschaftlichen Modell, wo es kein Geld gibt und der Sparer im Mittelpunkt (z.B. DSGE-Modellierung) steht. Das heisst, dass das Sparen die Voraussetzung für das Investieren ist.

Deswegen ist es nicht erstaunlich, dass Ökonomen wie z.B. Larry Summers und Ben Bernanke versuchen, die Niedrigzinsen mit dem Hinweis auf die „Sparschwemme“ zu erklären.

Ann Pettifor hingegen argumentiert in ihrem neuen lesenswerten Buch gestützt auf das geldwirtschaftliche Modell, dass das Sparen keinen direkten Effekt auf den Finanzmarkt entfaltet. 

Das heisst, dass Ersparnisse für das Investieren nicht nötig sind, da die Banken aus dem Nichts Geld (out of thin air) schöpfen können.

Samstag, 29. Juli 2017

Ungleichgewichte im Handel – Sparer versus Investoren

Fortgeschrittene Volkswirtschaften machen den Löwenanteil der globalen externen Ungleichgewichte aus, berichtet der IMF in einer am Freitag vorgelegten Forschungsarbeit („2017 External Sector Report“).

Seit Mitte der 1980er Jahre beläuft sich der Beitrag der fortgeschrittenen Volkswirtschaften zum globalen Ungleichgewicht auf rund zwei Drittel, etwas weniger als ihr Anteil an der Weltwirtschaft.

Der anhaltende Überschuss der Länder wie z.B. Japan, Deutschland, Korea, der Niederlanden und der Schweiz ist 2016 auf rund 40% gestiegen, etwa das Doppelte ihres Beitrags zum globalen BIP.

Im Zuge der globalen Finanzkrise (GFC: Global Finance Crisis) von 2008-2009 sind die privaten Haushalte und Unternehmen scharf dazu übergegangen, mehr zu sparen. 

Der signifikante Übergang des privaten Sektors zum Netto-Sparer wurde zunächst durch mehr öffentliche Ausgaben kompensiert. 

Aber von 2010 an hat die in den fortentwickelten Ländern favorisierte Austeritätspolitik (fiscal austerity) die private Kreditaufnahme sozusagen in den Schatten gestellt, berichtet der IWF weiter.


Übermässige Ungleichgewichte im weltweiten Handel (2013-2016), Graph: IMF in: 2017 External Sector Report, July 28, 2017.

Mittwoch, 26. Juli 2017

IWF erblickt Lücke in Wettbewerbsfähigkeit im Euroraum

Die Lücke in Wettbewerbsfähigkeit im Euroraum ist ein offenes Geheimnis. Nun deutet der Internationale Währungsfonds (IWF) darauf hin.

Im Länderbericht (EA 2017 Art IV Consultation), der am Dienstag vorgelegt wurde, betont der IWF, dass die Lücke sich v.a. nach der EUR-Einführung ausgeweitet hat.

Die Begründung: Die Löhne sind in manchen Ländern schneller gewachsen als die Produktivität. 

Damit sind auch ein Anstieg des Handelsbilanzdefizits und die Verschuldung in den betroffenen Ländern einhergegangen.

Das bedeutet im Grunde genommen, dass manche Länder im Euroraum über ihre Verhältnisse gelebt haben, z.B. Griechenland, Portugal und Spanien.

Was das aber zugleich impliziert, dass manche Länder unter ihren Verhältnissen gelebt haben, z.B. Deutschland, wo die Löhne deutlich geringer gewachsen sind als die Produktivität.

Warum ist das wichtig? Es ist insofern wichtig als wir mit einer Währungsunion zu tun haben. 

Denn in einer Währungsunion wird die Geldpolitik in die Hand einer Zentralbank (EZB) gelegt, welche die geldpolitischen Entscheidungen für alle trifft.

Die Mitgliedsländer einigen sich im Gegenzug, eine gemeinsam festgelegte Inflationsrate anzustreben, die für alle gilt. Das ist im Euroraum rund 2 Prozent.



Der unterschiedliche Verlauf der Arbeitskosten im Euroraum, Graph: IMF in EA 2017 Art IV Consultation, July 25, 2017.

Dienstag, 25. Juli 2017

Niedrigzinsumfeld, Einsparungen und Investitionen


Im November 2010 wurde in den USA im WSJ ein „open letter“ an Ben Bernanke bzw. die Fed veröffentlicht. 

Eine Reihe von renommierten US-Ökonomen, darunter Kevin A. Hassett, Präsident Trump’s Kandidat für den Rat der Wirtschaftsberater hat den offenen Brief unterzeichnet.

Die Warnung war deutlich: Die Fed’s unkonventionelle Geldpolitik (QE policy) riskiere eine starke USD-Abwertung und Inflation.

Sieben Jahre später gibt es kein Anzeichen dafür, dass sie irgendwie richtigliegen, obwohl einige der Mitinitianten heute noch ähnliche Warnungen aussprechen, ohne mit der Wimper zu zucken.

Auch die monetary hawks in Deutschland, wie Jürgen Stark, Axel Weber, Otmar Issing usw. hatten der EZB angesichts des Wertpapier-Kaufprogramms ins Gewissen geredet, einen rasanten Anstieg der Inflation in Europa auszulösen.

Ganz im Gegenteil: Was wir heute beobachten ist, dass es die anhaltende Niedrig-Inflation ist, die der EZB am meisten Kopfzerbrechen bereitet. 


Die Zinsersparnisse des deutschen Staates, Graph: Bundesbank in: Monatsheft July 2017

Montag, 24. Juli 2017

Was hat es mit „reverse QE“ auf sich?

Die Fed hat die Zinsen seit Dezember 2015 insgesamt vier Mal erhöht.

Die US-Notenbank befindet sich damit eindeutig in einem geldpolitischen Straffungszyklus, während die US-Wirtschaft ein Leistungsbilanzdefizit von rund 3% des BIP aufweist.

Auch die EZB schickt sich nach eigenen Andeutungen allmählich an, die Geldpolitik demnächst etwas zu straffen, während die Eurozone einen Leistungsbilanzüberschuss von rund 3% des BIP verbucht.

Und China verzeichnet auch einen Leistungsbilanzüberschuss von 3% des BIP, während es den Wechselkurs seiner Landeswährung am USD, der Währung des Landes mit einem Leistungsbilanzdefizit orientiert (peg).

Wenn man Japan und die neu industrialisierten Volkswirtschaften aussen vorlässt, wird es aus praktischen Gründen etwas leichter, sich über die Auswirkungen der Zinserhöhungsphase der führenden Zentralbanken auf die globale Wirtschaft Gedanken zu machen.

Lael Brainard beispielsweise postuliert in einem aktuellen Referat („Cross-Border Spillovers of Balance Sheet Normalization“), dass die Straffung der Geldpolitik durch die Erhöhung der Zinsen einen grösseren Einfluss auf den Wechselkurs hat als die Straffung durch die Bilanz-Verkürzung, d.h. die Rückführung des Anleihekauf-Programms (QE policy).


EUR versus USD, Graph: FT, July 23, 2017

Freitag, 21. Juli 2017

Geldpolitik am Ende – Europa braucht Stimulus


Mario Draghi hat neulich die Gefahr von Deflation für erloschen erklärt. 

Es gibt aber im Euroraum angesichts des schwachen Lohnwachstums wenig Anhaltspunkte für einen grossen Preisdruck, der irgendwie bevorstünde.

Wenn die Deflationsgefahr vorüber ist, liegt es nahe, anzunehmen, dass die EZB die QE-Politik nach und nach zurückfährt (tapering).

Und die Anleihemärkte reagieren darauf: Die Rendite der deutschen Staatsanleihen hat sich in den vergangenen vier Wochen verdoppelt. Doch sie liegt immer noch deutlich unterhalb der 1%-Marke.

Kein Wunder, dass die EZB am Donnerstag an der Zinsschraube nicht gedreht hat. Draghi hat auf der anschliessenden Pressekonferenz gesagt, dass die Diskussion über Änderungen am Anleihen-Kaufprogramm erst im Herbst geführt werde.

Die EZB ist demnach noch nicht so weit.


Das schwache Lohnwachstum im Euroraum hält an, Graph: FT, July 20, 2017.

Mittwoch, 19. Juli 2017

Initial Coin Offerings: Etwas für Nichts auf Blockchain


Es ist eine ansehnliche Summe Geld, die die start-up Technologie Unternehmen via „Initial Coin Offerings“ (ICO) seit Jahresbeginn aufgenommen haben: 1,2 Mrd. USD.

Was ist aber ein ICO?

Man kann es sich wie ein IPO (Initial Public Offering), die Notierungsaufnahme der Aktien (Erstplatzierung) eines Unternehmens beim Börsengang vorstellen.

Das ICO (*) ist aber eine Art Crowdfunding, die in der Blockchain Community stattfindet, wie Autonomous, ein Finanz-Research-Anbieter es beschreibt.

Ein ICO umfasst ein Unternehmen, welches im Bereich „Blockchain-Technologie“ tätig ist und digitale Tokens oder Coins verkauft, wie z.B. Ether oder Bitcoin, die die Investoren befähigen, die Software oder die Dienstleistungen des einschlägigen Unternehmens zu benutzen.

Beim Produkt handelt es sich öfters um eine Software, die das Unternehmen, der ICO-Anbieter herstellen will. 

Das Unternehmen arbeitet also noch daran. Das heisst, dass das Produkt noch nicht vorhanden ist.

Bei ICOs wird das Geld i.d.R. in rund 30 Minuten aufgenommen. Es ist wichtig, zu unterstreichen, dass die Investoren damit (im Gegensatz zu Aktien, die man bei einem IPO zeichnet) keine Anteile an dem Unternehmen kaufen und auch über kein Stimmrecht verfügen. 

Und das alles geschieht ausserhalb der Sichtweite der Wertpapieraufsichtsbehörden.



Bemerkenswerte ICOs, Graph: Authonomous in: #Token Mania, Lex Sokolin, July 2017.

Sonntag, 16. Juli 2017

Ist Deutschlands Überschuss ein Klotz am Bein fürs Wachstum?

Deutschlands Leistungsbilanz-Überschuss beläuft sich per 2016 auf 8,3% des BIP (2015: 8,6%), wie der IWF in seinem am 7. Juli 2017 vorgelegten Länderbericht ("Article IV Consultation with Germany") unterstreicht.

Eine wichtige Frage, die sich vor diesem Hintergrund stellt, ist, ob der enorme Überschuss der deutschen Wirtschaft auf dem Wachstum im Rest des Euroraums lastet?

Martin Sandbu bejaht die Frage in seiner Kolumne ("Germany-bashing falls flat") bei FT, ohne mit der Wimper zu zucken. 

Seine Begründung: Die Kritik beruht auf Keynesianismus, zumindest auf die kurze Sicht: Deutschland spare zu viel und investiere zu wenig und betreibe eine „beggar-thy-neighbour“-Politik. Diese Behauptung löse sich aber sowohl analytisch als auch kontextuell auf.

Weil eine solche Argumentation eher für eine Wirtschaft mit Nachfrage-Schwäche und einer wesentlichen Produktionslücke (output gap) gelte, greife sie hierbei zu kurz, so Sandbu.

Obendrauf komme der Vorwurf an Deutschland seiner Meinung nach fünf Jahre zu spät. Der Überschuss sei in einem Umfeld der globalen Wirtschaft mit Vollbeschäftigung geschehen, was zumindest die Mehrzahl der Handelspartner Deutschlands betrifft, während auch in Deutschland Vollbeschäftigung herrsche. Deshalb ist der Überschuss laut Sandbu irgendwie folgerichtig.


Lohnstückkosten: Deutschland im Vergleich zum Rest des Euroraums und von Frankreich, Graph: Simon Wren-Lewis, July 14, 2017.


Freitag, 14. Juli 2017

Mega-Unternehmen und Vereinnahmung der Regulierer durch die Regulierten


Aus einem im Jahr 2016 veröffentlichten Bericht der Advocacy Gruppe Global Justice Now geht hervor, dass 69 der weltweit grössten 100 Wirtschaftseinheiten jetzt Konzerne sind, nicht Staaten.

Mit einem Jahresumsatz von 485,9 Mrd. USD übertrifft Walmart alle bis auf neun Länder.

Da die Konzerne der Welt immer grösser und profitabler werden, so wächst auch die Macht und der Einfluss, die die Unternehmen ausüben.

Die multinationalen Konzerne engagieren über die Grenzen und Kontinenten hinweg grosse Armeen von Lobbyisten, Anwälten und PR-Menschen, um mit mehr als genug Ressourcen Einfluss auf die Regulatoren und die gewählten Vertreter auf der ganzen Welt zu nehmen.

Die vorherrschende Definition der Volkswirtschaftslehre betrachtet die Firmen als bloss „eine Verknüpfung von Verträgen“ mit keiner Macht und keiner Autorität nicht anders als ein gewöhnlicher Marktvertrag zwischen zwei Personen.

Wie ist es aber möglich, die beiden Notionen irgendwie in Einklang zu bringen? 

Das ist die Frage, mit der sich Luigi Zingales in einer Forschungsarbeit („Towards a Political Theory of the Firm“) beschäftigt, wie der der Blog ProMarket ausführlich schildert.


Die grössten Unternehmen der Welt nach der Marktkapitalisierung (Börsenwert), Graph: FT

Mittwoch, 12. Juli 2017

Der Mythos des deutschen Beschäftigungswunders


Der IWF schreibt in seinem aktuellen Bericht („Article IV Consultation with Germany“ 2017), der am Freitag vorgelegt wurde, dass ein anhaltender Anstieg der Lohn- und Preisinflation in Deutschland erforderlich ist, um die (zu tiefe) Inflation im Euroraum (in Richtung des Zielwertes der EZB) anzuheben, und damit den Weg zur Normalisierung der Geldpolitik zu öffnen.

Das ist im Grunde genommen eine offene Widerlegung der Argumentation der militanten Anhänger der fiskalischen Austerität, die seit Wochen lauthals fordern, dass die EZB die lockere Geldpolitik aufgeben soll, um die europäische Wirtschaft voranzubringen.

Wichtig ist, im Vordergrund zu erkunden, wie es zu diesem deflationären Umfeld der Wirtschaft im Euroraum gekommen ist. Dazu zeigt der IWF die wichtigsten Anhaltspunkte (Ausgaben-Kürzungen, Lohnzurückhaltung, Nachfrageschwäche usw.) auf.

IWF’s Modellsimulationen deuten darauf hin, dass ein Scheitern des Anstiegs der deutschen Lohn- und Preisinflation nachteilig auf das Wirtschaftswachstum und den Wiederausgleich (rebalancing) in der europäischen Währungsunion (EWU) auswirken würde.

Niedrige Inflation und Inflationserwartungen in Deutschland würden zu einem Anstieg der Realzinsen führen. Und die schwache Lohndynamik würde eine Währungsabwertung mit sich bringen, was kurzfristig auf der Inlandsnachfrage lasten und die deutschen Handelspartner negativ betreffen würde.


Deutschland: Inflation und Lohnstückkosten, Graph: IMF in: Art IV Consultation Germany 2017

Sonntag, 9. Juli 2017

Das „Rätsel“ der Inflation und der „Sintra Pact“ der Zentralbanken

Die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit ist am Freitag auf 0.58% geklettert, was einen Höchstpunkt seit 18 Monaten verzeichnet.

Nach dem Mario Draghi angedeutet hat, dass der Stimulus im Euroraum nicht für ewig gilt, ist die Rendite der 10-jährigen German Bunds in den vergangenen zwei Wochen um 24 Basispunkte gestiegen.

Der Auslöser des Rendite-Anstiegs war im Grunde genommen die Aussage des EZB-Präsidenten, dass deflationäre Kräfte durch reflationäre Kräfte abgelöst worden seien.

Auf der jährlichen Konferenz der EZB in Sintra, Portugal hat auch die britische Zentralbank (BoE: Bank of England) angekündigt, künftig weniger expansive Geldpolitik zu führen.

Und die EZB könnte nach eigenen Angaben sogar im nächsten Jahr mit dem Tapering (der graduellen Reduktion der Anleihekäufe) beginnen. Derzeit kauft sie Wertpapiere auf dem offenen Markt im Wert von 60 Mrd. EUR pro Monat an. 

Zur Erinnerung: Die Fed kauft seit Ende 2014 keine zusätzlichen Anleihen mehr.

Deshalb nennt die FT aus London das gegenwärtige Geratter auf den Anleihemärkten „Sintra-Pact“: eine koordinierte Verlagerung der Geldpolitik in eine eher „hawkish“e Richtung.

Während die Fed sich auf dem Weg zur geldpolitischen Normalisierung befindet, hätten die koordinierten Massnahmen sicherlich grosse Auswirkungen auf die Wechselkurse auf beiden Seiten des Atlantiks.


Der „Sintra-Pakt“ und die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit im Anstieg, Graph: FT


Freitag, 7. Juli 2017

Mini-Jobs versus Maxi-Jobs: Broterwerb in Europa


Die Arbeitslosigkeit (*) lag im Euroraum im Mai 2017 bei 9,3%. Das bedeutet ein Rückgang gegenüber 10,2% im Mai 2016.

Die Arbeitslosenquote ist damit in diesem Jahr zum ersten Mal seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise von 2008-2009 unter 10% gesunken. Seit Anfang 2013 sind rund 6 Millionen Arbeitsplätze geschaffen.

Aber es handelt sich dabei vielfach um „low-quality“ Jobs, wie Mario Draghi am 8. Juni 2017 in Tallinn auf der Pressekonferenz der EZB mit Bedauern festgehalten hat.

Die EZB unterstreicht in der am Donnerstag veröffentlichten Zusammenfassung der geldpolitischen Sitzung des EZB-Rates von 7-8 Juli 2017 noch einmal, dass der Beschäftigungszuwachs bisher im erheblichen Umfang auf Teilzeit- und befristete Verträge zurückzuführen ist.

Die Teilnehmer der EZB-Sitzung hegen jedoch die Hoffnung, dass die Beschäftigung künftig auf mehr Vollzeit- und unbefristeten Verträgen beruht und damit einen ausgeprägten Aufwärtsdruck auf die Löhne ermöglichen kann.


Die Arbeitslosenquote im Euroraum ist zwar im Sinken ... , Graph: FT in: “The eurozone’s strange low-wage employment boom”, July 6, 2017.

Donnerstag, 6. Juli 2017

Braucht eine Zentralbank Eigenkapital?


Was heute nach wie vor ins Auge fällt, ist das Phänomen, dass die Zentralbank-Bilanzen als Antwort auf die globale Finanzkrise von 2008-2009 aussergewöhnlich angeschwollen sind.

In einem lesenswerten Blog-Eintrag befasst sich die britische Zentralbank (BoE: Bank of England) mit dem Thema, was die Bilanz der Notenbanken von der Bilanz anderer Institutionen unterscheidet und wie sie sich in Zukunft entwickelt.

Das Eigenkapital der Zentralbanken besteht, wie bei jedem Unternehmen, aus dem Aktienkapital und den einbehaltenden Gewinnen. 

Die Finanzkonten der Zentralbanken haben aber eine Reihe von Eigenarten, die einen erheblichen Unterschied ausmachen.

Die BoE hebt dabei drei Aspekte hervor:

(1) Die Noten im Umlauf sind ein wesentlicher Bestandteil der Verbindlichkeiten der Zentralbank (als Emittent von Banknoten).

(2) Zentralbanken können mit negativem Eigenkapital operieren. Zum Beispiel waren die Zentralbanken von Chile, der Tschechischen Republik, Israel und Mexico in den letzten Jahren trotz der technischen Insolvenz in der Lage, ihre geldpolitische Zielsetzung wirksam zu verfolgen. Jedes andere Unternehmen mit einer Bilanz in dieser Form hätte Pleite gemacht. 


Zentralbank-Bilanz, Graph: Bank of England Blog, July 3, 2017


Dienstag, 4. Juli 2017

Entwicklung der Geldmenge wie im Goldstandard


Es besteht heute kein Zweifel daran, dass Europa mit der Verordnung der fiskalischen Austerität und der Umsetzung der harschen Sparmassnahmen im Anschluss der globalen Finanzkrise von 2008-2009 sich selbst geschadet hat.

Die Behauptung der Entscheidungsträger aus Brüssel und Berlin, dass die einschneidende Kürzung der Ausgaben sich positiv auf das Wachstum und die Beschäftigung auswirken würde, hat sich als Trugschluss erwiesen.

Die wirtschaftliche Entwicklung seither erinnert an die Wirtschaftspolitik im Goldstandard: konktraktiv und deflationär.

Die Geldmenge ist gesunken, und damit auch die Unternehmensgewinne, Löhne, Einkommen und Preise.

Es ist daher bemerkenswert, zu beobachten, wie die militanten Anhänger der Austeritätspolitik heute die EZB zu Zinserhöhungen aufrufen.

Dabei war es der widrige Weg der Austerität, die einen Rückgang der Preise und der Inflation ausgelöst hat. 

Schlimm ist, dass die deflationäre Entfaltung zu einem Anstieg der Schulden, die die Politik in Europa mit Haushaltskonsolidierung bekämpfen will, geführt hat, nicht zu einem Rückgang.


Inflation vs Inflation Targeting, Graph: Morgan Stanley