Mittwoch, 26. Oktober 2011

EZB muss dringend handeln

Das Fehlen von wirklich neuen Ideen in der Krise ist darauf zurückzuführen, dass wir keine neuen Ideen brauchen. Alles, was wir zum grössten Teil gebrauchen würden, ist in Erinnerung zu rufen, was wir irgendwie vergessen haben, bemerkt Paul Krugman in seinem Blog mit Bezug auf John Cassidys lesenswerten Essay in The New Yorker.

Das ist ein Thema, welches Krugman am Herzen liegt. „Die Krise, in der wir uns befinden ist, nichts etwas noch nie Dagewesenes. Sie ist eine enge Verwandete der Grossen Depression, milder, aber erkennbar in der gleichen Art von Dingen. Und wir verstehen, oder hatten verstanden, wie die Depression geschehen ist und was in einer solchen Situation zu tun ist, beschreibt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor.

Das meiste, was erforderlich ist, ist recht unkomplizierte Übersetzung von bestehenden Konzepten. Zum Beispiel haben wir ein ziemlich gutes Verständnis von Ansturm auf die Banken (bank runs). Die Ausweitung dieses Rahmens auf das Schatten Bankensystem erfordert etwas mehr als die Einsicht, dass Repo und andere Arten von Obligationen mit kurzer Laufzeit aus ökonomischer Sicht mehr oder weniger mit Einlagen (deposits) gleichbedeutend sind, erklärt Krugman.

Wie kommt es aber, dass das Regelwerk so verwirrt und abhanden gekommen ist?

Krugman vertritt die Ansicht, dass ein Grossteil der Ökonomen seinen Weg verloren hat: „alte Fehler werden rekapituliert, weil es zur Aufgabe gemacht wird, zu verlernen, was Keynes gelehrt hat. Aber es sind nicht nur Ökonomen, die die hart erkämpften Einsichten vorsätzlich wegwerfen“, erläutert der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008).

Krugman berichtet in diesem Zusammenhang von einer Paneldiskussion über die Euro-Krise an der Princeton Universität, die kürzlich stattgefunden hat. Teilnehmer: Krugman, Chris Sims, Hyun Shin und Markus Brunnermeier.

Sims habe darauf hingewiesen, dass die Zentralbanken seit jeher über ein breiteres Mandat verfügen, als nur die Gewährleistung der Preisstabilität. Die Zentralbanken haben schon immer als lender of last resort (vgl. hier) gedient, einschliesslich einer Standby-Kapazität, um den Staat in Zeiten der Not zu finanzieren. Und es gibt gute, gut verstandene Gründe für dieses breite Mandat.

Doch die Schöpfer von Euro haben die hart erkämpfte Weisheit (Dinge, die Bagehot im 19. Jahrhundert wusste!) einfach weggeworfen,  um eine abgespeckte Zentralbank ohne die Befugnisse oder Flexibilität, die die Geschichte als notwendig zeigt.

Das Ergebnis ist, dass die vermeintlich nüchternen, ernsten Menschen tatsächlich radikal darauf bestehen, dass wir die Wirtschaft in einer Weise funktionieren lassen können, wie es in der Vergangenheit noch nie funktioniert hat. Daher kommt die Umarmung der magischen Denkweise in Sachen expansionary austerity (siehe für Näheres hier) und die Macht der Strukturreform, hält Krugman fest. Mittlerweile sind die bärtigen Professoren eigentlich die Hüter der traditionellen Weisheit, fügt er mit Selbstironie hinzu.

Und diejenigen, die fest entschlossen sind, die Vergangenheit zu vergessen, gehen ein hohes Risiko ein, um es wieder zu erleben, weshalb wir in dem Zustand sind, wo wir sind, so Krugman als Fazit.

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