Sonntag, 25. November 2012

Zurück zur D-Mark?


Buchbesprechung

Peter Bofinger: Zurück zur D-Mark? Deutschland braucht den Euro. Droemer Verlag, 2012.


Eine Haushaltskonsolidierung in einer schweren Rezession (Depression und der hohen Arbeitslosigkeit) geht i.d.R. mit einem Nachfragerückgang einher. Die Debatte über die wahren Ursachen der Euro-Krise wird aber im Euroland durch ideologische Sichtweise der Defizit-Falken stark verzerrt geführt. Dem Dogma von Austerians entsprechend ist nie der Markt für wirtschaftliche Probleme verantwortlich, sondern immer der Staat.

Vor diesem Hintergrund zeigt Peter Bofinger in seinem lesenwerten Buch auf, wie die Währungsunion in eine existenzbedrohende Situation gesteuert wird.
Die einseitige Fixierung auf die Haushaltskonsolidierung, der ideologische Glauben an die Vertrauen Fee (confidence fairy) und das Ausblenden von gängigen Lehrbüchern der Makroökonomie hat drei grosse Krisenherde (das infernalisches Dreieck) entstehen lassen, die sich wechselseitig immer mehr verstärken: Banken-, Staatsschulden- und makroökonomische Krise.

Um die wechselseitige Eskalation von Staatsschuldenkrise und Bankenkrise zu stoppen, muss Bofingers Ansicht nach die makroökonomische Krise angegangen werden. Für den Autor besteht jedoch kein Zweifel, dass der Versuch gescheitert ist, die Krise innerhalb des gegebenen institutionellen Rahmens in den Griff zu bekommen. Es bedarf einer stärkeren fiskalpolitischen Integration. Nationale Egoismen sollen zugunsten eines gemeinsamen, solidarischen Vorgehens zurückgestellt werden, erläutert der an der Uni Würzburg lehrende Wirtschaftsprofessor.

Die Skepsis der deutschen Öffentlichkeit stellt aber für das Projekt einer intensiveren fiskalischen Integration ein schweres Hindernis dar. Daher befasst sich der Autor auch mit Zwischenlösungen wie einer Teilung in einen Nord- und einen Süd-Euro oder dem temporären Austritt einzelner Länder. Abschliessend analysiert Bofinger die Vor- und Nachteile, die sich aus einer Rückkehr zur D-Mark für Deutschland ergeben würden.

Ohne Euro würde es Deutschland heute wie Japan ergehen. Die neue D-Mark würde grundsätzlich eine Aufwertungstendenz aufweisen. Da die Anhänger des Marktfundamentalismus es nicht gern sehen, wenn eine staatliche Institution in den Marktmechanismus eingreift, würde sich die Währung kräftig aufwerten, was die Wettbewerbsfähigkeit der Exportwirtschaft beeinträchtigen würde. Die Very Serious People (VSP) würden dann massive Lohnsenkungen fordern. Und sinkende Löhne würden den Weg in die Deflation leiten. Das würde wiederum die Schuldenstandsquote  Deutschlands nach oben treiben.

Auf kurze Sicht führt kein Weg an einer Stabilisierung des Euro-Raums durch die EZB vorbei, hebt Bofinger hervor: „Ohne die Hilfe der EZB lässt sich die Zweiteilung nur mit einer gemeinschaftlichen Haftung der Mitgliedsländer überwinden“. Die EZB ist unabhängig. Und sie braucht deswegen für ihre Interventionen nicht immer die Rückendeckung der Politik zu suchen. Bei Therapievorschlägen der Troika fällt andererseits auf, dass es eine klare Präferenz für Ausgabenkürzungen gibt, nicht für Steuererhöhungen. Rund 90% der Einsparungen erfolgen nämlich auf der Ausgabeseite.

„Heute wissen wir, dass ungezügelte Märkte ein unglaubliches Zerstörungspotenzial aufweisen können. Der grösste Teil der Probleme, mit denen der Euro-Raum heute konfrontiert ist, beruht nicht auf einem Staatsversagen, sondern auf einem Marktversagen“, hält Bofinger fest. Deshalb würden die einzelnen Staaten durch eine Rückkehr zu nationalen Währungen noch sehr viel stärker von Märkten abhängig sein.

Unter „Währungsunion 2.0“ versteht der Autor „deutlich mehr politische Integration“ mit einem „Europäischen Finanzminister“. Denn nur eine Gemeinschaftshaftung kann die einzelnen Staaten  wirksam vor panischen Angststörungen der Finanzmärkte schützen. Eine neugestaltete Währungsunion bracht neben der stärkeren fiskalischen Integration auch eine voll integrierte Bankenaufsicht. Eine "Transferunion", wie sie nach der deutschen Einheit erlebt wurde, ist für die EWU völlig unrealistisch und daher ausgeschlossen.

Schade, dass der deutsche Wirtschaftsweise statt Austerität nur noch von Sparprogrammen redet. Im Englischen bedeutet „austerity“ strenge Enthaltsamkeit“, was die europäische Situation viel besser beschreibt.

Bofinger gebührt auf alle Fälle ein grosses Lob für seine mehrfache Betonung der ungerechten Einkommensverteilung (*), weil es sich dabei um ein wesentliches Element auf der Suche nach einer Wachstumsformel ohne exzessive private oder öffentliche Verschuldung handelt.

Autors Argumentation entlang des roten Fadens ist insgesamt einleuchtend und sachlich begründbar. Das informativ und pragmatisch geschriebene Buch ist für alle aufmerksame Europäer empfehlenswert.

(*) Das Pro-Kopf-Einkommen ist zwar gestiegen, aber das Median-Einkommen ist aber in den letzten 30 Jahren gefallen. Der grösste Teil des Produktivitätswachstums wird von den Reichen abgeschöpft. Und die vergleichsweise armen Mitbürger verschulden sich, um in dieser Welt der steigenden Standards Schritt halten zu können.

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