Sonntag, 22. April 2012

Ist Bundesbank-Präsident von allen guten Geistern verlassen?


Jens Weidmann, der Präsident der Deutschen Bundesbank kritisiert in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung die lockere Geldpolitik der EZB.

Weidmann meint also, dass die EZB nicht zur Rettung der Euro-Zone eilen soll. Bundesbank-Präsident vertritt damit die Interessen der Rentiers. Es sind in erster Linie die Banken, die grosse Summen an Krediten an die Peripherie der EU verliehen haben. Die Banken sollen nun auf Kosten von anderen (d.h. der Peripherie der Euro-Zone) vor Verlusten geschützt werden. Denn der Kern der Eurozone ist Kreditgeber, während die Peripherie der Kreditnehmer ist.

Warum wäre aber in der derzeitigen Situation etwas mehr Inflation von Vorteil?

Es geht um das Problem der Debt-Deflation (mehr dazu hier und hier). Weil das fallende Preisniveau den realen Wert der Verschuldung erhöht und die ganze Wirtschaft in eine sich verstärkende Abwärtsspirale gerät. Und es kommt am Schluss zu Depression. Niemand will Geld aufnehmen und niemand will investieren.

Was ist zu tun? Einfach die Geldversorgung zu erhöhen, hilft nicht weiter; es muss viel mehr getan werden, weil die Zinsen bereits auf der Null Untergrenze liegen. Da die Verbraucher und Investoren weitere Preissenkungen erwarten, unternehmen sie nichts, was Konsum und Investitionen betrifft. Die Schuldner sind aber in Bezug auf ihre Bilanzen mehr eingeschränkt als die Gläubiger (Stichwort: Bilanz-Rezession; balance sheet recession).

Weidmann ist nicht nur gegen die expansive Geldpolitik, sondern auch gegen die expansive Fiskalpolitik. Das Deficit Spending läuft den Interessen der Anleihegläubiger zuwider. Etwas mehr lockere Geldpolitik könnte die Eurozone aus der Krise holen. Aber es ist die Deflation, nicht die Inflation, die den Interessen der Gläubiger, d.h. der Banken im Kern der Eurozone dienen. 85% der öffentlichen Schuldtitel wird in Deutschland vom Bankensektor gehalten. Die Staaten sind in der Eurozone zum grössten Teil bei den Banken verschuldet.

Weidmann verfolgt daher eine gläubiger-freundliche Politik, die aber in der gegenwärtigen depressiven Situation auf der Wirtschaft lastet. Es ist nämlich kein Null-Summen-Spiel. Das heisst, dass, während die Rentiers vor Verlusten geschützt werden, auf alle anderen Wirtschaftsubjekten viel grössere Verluste aufgenötigt werden.

Inflation verringert die realen Verbindlichkeiten der Schuldner (Kreditnehmer) und die realen Vermögenswerte der Gläubiger (Kreditgeber). Wenn die Arbeitnehmer sich über sinkende Reallöhne beklagen, gilt es als ein Skandal. Wenn aber die Rentiers anfangen zu flennen, weil die für sie wichtigen Preise (das sind beispielsweise Zinssätze) fallen, dann kommen Very Serious People wie Jens Weidmann zu Hilfe.

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